In 60 Jahren wird sich das Leben am Bodensee anfühlen wie ein Urlaub am Mittelmeer. Statt Buchen, Kastanien oder Apfelbäumen könnten dann Zitronen- und Olivenbäume die Wege säumen. Das sagen zumindest amerikanische Klimaforscher voraus.
Zumindest auf Olivenbäume muss man in Dieglishofen im Bodenseekreis keine 60 Jahre mehr warten. Dort, zwischen Kartoffelacker, Hopfen und Obstbäumen, wachsen 220 Olivenbäume und sorgen für mediterranes Flair im Teilort von Tettnang.

Wagners Hof gibt es bereits seit 1711
Die Olivenbäume gehören Bruno Wagner. Auf 8000 Quadratmeter wachsen seit zwei Jahren Oliven, zwei grüne Sorten und eine schwarze. Seit 1711 gibt es sein Hofgut bei Tettnang. In den frühen 2000er Jahren hat er den Viehbetrieb eingestellt. Die Anbindehaltung seiner Mastrinder war für ihn nicht mehr artgerecht, für bessere Haltungsbedingungen fehlte aber der Platz.
Hopfen und Obst waren ihm ohnehin wichtiger als die Tiere, sagt er. Jetzt hat er einen Sonderkulturbetrieb, zu seinen Erzeugnissen gehören Aprikosen, Mirabellen, Süß- und Sauerkirschen, Zwetschgen, Pfirsiche, Nektarinen, Äpfel und Birnen.
Den Hang zum Ausgefallenen hatte Bruno Wagner aber schon immer, sagt er. 2008 brachte er die Aroniabeere an den Bodensee. Als Pionier, sagt er. Die fast schwarze Frucht ähnelt einer großen Heidelbeere, gilt laut Wagner als sehr gesund und sei außerdem pflegeleicht.
Aktuell sei er dabei, seinen Betrieb umzustellen. Kulturen, die viel Arbeitszeit und -kraft benötigen, werden zurückgefahren. Das liege unter anderem am Mindestlohn, sagt er.
Die Entscheidung, Oliven anzubauen, war teilweise eine Frage des Geldes. Der Anbau von Äpfeln hat sich nicht mehr rentiert. Pro Kilogramm Apfel habe er vom Großhändler nur zwölf bis 18 Cent bekommen, bei Produktionskosten von 35 bis 50 Cent pro Kilogramm. Auch wollte er etwas Neues und „total Verrücktes“ machen, schmunzelt er.
Wenig Pflegeaufwand für die Olive
Also machte Bruno Wagner kurzen Prozess. An der Stelle der Äpfel wachsen jetzt die Oliven. Äpfel baut er nur noch für seine Privatkunden an, also für die, „die noch einen ordentlichen Preis bezahlen“, sagt er.

Die 220 Olivenbäume stammen von einer Baumschule aus Österreich. Von der frostfreien Lage und dem leicht kiesigen Boden in Dieglishofen profitiert der Baum. Wasser braucht es auch, dafür hat Bruno Wagner eine spezielle Wurzelabdeckung, die das Wasser speichert. Ansonsten sei der Pflegeaufwand für die Olive gering, erst bei der Ernte ist dann Handarbeit angesagt.
In vier Jahren wird man sehen, ob seine Idee Früchte getragen hat
Wie viel geerntet werden kann, ist noch unklar. Ein Olivenbaum benötigt bis zu sechs Jahre bis etwas geerntet werden kann. Erst in rund vier Jahren wird man also sehen können, ob Bruno Wagners Oliven-Idee Früchte getragen hat.
Ist es ein wirtschaftliches Risiko, eine neue Obstsorte anzupflanzen, ohne den Ertrag abschätzen zu können? „In der Landwirtschaft ist alles ein wirtschaftliches Risiko“, lacht Wagner.
Sieht er sich aber als Vorreiter für andere Landwirte? Wagner gibt sich zurückhaltend. Das muss jeder selbst wissen, sagt er. „Die Leute werden schauen, ob‘s bei mir funktioniert. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Agrar-Experte: Einer muss immer den Anfang machen
Christian Zörb ist Professor am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Hohenheim. Sein Fachgebiet ist die Forschung zum Weinanbau. Ob es immer mehr der Fall sein wird, dass hiesige Landwirte auf exotische Früchte setzen? Das komme auf die Offenheit der Landwirte an, sagt Zörb.
Auch die verfügbare Fläche spiele eine Rolle, sagt er. „Ich glaube, es gibt niemanden, der die Hälfte seiner Fläche für ein Experiment hergibt“, sagt Zörb. „Man hat immer ein Risiko.“
Außerdem müssen die gewonnenen Früchte auch verarbeitet werden können, sagt Zörb. Bruno Wagner will vielleicht eigenes Olivenöl produzieren oder seine Bodensee-Oliven einmachen und mit Pizzabäckern aus der Region kooperieren. Eine eigene Marke will er damit auf die Beine stellen.
Wagners Idee, Oliven anzubauen, findet der Agrar-Experte aber sehr gut: „Es ist toll, wenn jemand den Mut hat, um in die Zukunft zu blicken. Dafür braucht es einen langen Atem. Aber einer muss eben anfangen.“
Werden sich die Oliven am Bodensee also etablieren? Das weiß Zörb nicht. In ferner Zukunft vielleicht, wenn der Weinanbau weiter zurückgehen sollte. Dann könnten auf den frei gewordenen Flächen etwa Oliven angebaut werden, mutmaßt er.
Eine Investition in die Zukunft
Beim Vor-Ort-Besuch ist auch Wagners Sohn Thomas mit dabei. Wagner schaut mit ihm zufrieden in die Zukunft. Die Olivenbäume seien auch Investition für die kommende Generation, sagt er, schließlich können diese sehr alt werden. Und wer weiß, schmunzelt Wagner: „Vielleicht stehen die in 300 Jahren noch hier.“