In Konstanz wird derzeit zunehmend eine Diskussion geführt, ob Schulhöfe mit einer Videokamera überwacht werden sollten. Der aktuelle Hintergrund: Abgestellte Fahrräder im Innenhof des Ellenrieder-Gymnasiums wurden während der Schulzeit mehrmals manipuliert, in dem Bremsen verstellt oder Schnellverschlüsse der Räder gelöst wurden – was im schlimmsten Fall zu schweren Unfällen führt.
„Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung“
Die Gesetzeslage ist eindeutig: „Jeder Mensch hat das Recht, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ohne dass sein Verhalten permanent mit Hilfe von Kameras beobachtet oder aufgezeichnet wird. Videoüberwachungsmaßnahmen greifen in schwerwiegender Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein und sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig“, steht im Landesdatenschutzgesetz.
„Bitte kontrolliert Eure Räder“
„Man kann sich vorstellen, was passieren kann, wenn sich das Rad während der Heimfahrt löst und das Kind verunfallt“, sagt Herbert Storz von der Pressestelle der Polizei Konstanz, der von einem ähnlichen Vorfall bei Ravensburg berichtet, als sich ein Kind beim Sturz schwer verletzte. „Wir können den Schülern nur den Ratschlag geben, die Räder vor der Losfahrt unbedingt zu kontrollieren. Einfach kurz anheben und schauen, ob sich ein Rad ablöst. So nervig das auch sein mag. Aber offenbar muss das sein.“
Eine Möglichkeit, die Übeltäter zu stoppen oder im Wiederholungsfall zu überführen, wären Videokameras, die den Schulhof observieren. „Grundsätzlich wollen wir natürlich keine Verhältnisse wie in den USA, wo Kameras alles überwachen“, sagt Hanna Schönfeld, Leiterin des Ellenrieder Gymnasiums. „Aber wir machen uns Gedanken, wie solche mutwilligen und kriminellen Aktionen wie zuletzt verhindert werden können.“
Je mehr Anzeigen, desto mehr Streifen
Das Einzäunen der Schule wäre in ihren Augen auch keine Lösung, „da am Nachmittag Familien mit ihren Kindern den Schulhof als Spielplatz nutzen.“ Ihr als Schulleiterin seien die Hände gebunden, „denn ich kann nicht entscheiden, jetzt plötzlich Kameras auszustellen. Das ist ein sehr sensibles Thema. Grundsätzlich ist es wichtig, dass jeder Fall angezeigt wird, damit zur Abschreckung mehr Streifen Präsenz zeigen“. Sie selbst parkt ihr Rad auch auf dem Schulhof, seit einiger Zeit kontrolliert sie vor der Heimfahrt, ob alles noch in Ordnung ist. „Darauf weisen wir auch unsere Schüler hin“, sagt sie.
Die Polizei fordert Kinder und deren Eltern ebenfalls auf, solche oder ähnliche Vorfälle anzuzeigen. „Je mehr Anzeigen es gibt, desto häufiger werden wir die Schulhöfe beobachten“, sagt Herbert Storz. „Wir sind jetzt schon aufmerksamer als sonst, denn mit solchen Delikten wie im Ellenrieder ist nicht zu spaßen.“ Der Beamte kann sich vorstellen, dass bei einer Vielzahl von Anzeigen kriminalpolizeiliche Ermittlungen in Erwägung gezogen werden könnten – immerhin gab es ja seit Anfang des Jahres rund ein Dutzend nicht angezeigter Delikte an der Schule. „Videoüberwachung geht zwar in den persönlichen Bereich eines Individuums. Aber wenn die Gesundheit von Schülern auf dem Spiel steht, muss man darüber reden.“ Grundsätzlich sei die Entscheidung aber keine polizeiliche Angelegenheit.
Thomas Adam, Schulleiter der Geschwister-Scholl-Schule, hat vor einem Jahr bei der Stadt beantragt, Kameras zur Überwachung der Schulhöfe installieren – allerdings nur während der Ferienzeit und am Wochenende. „Es ist jedes Mal so, dass wir nach den Schulferien Vandalismus zu beklagen haben“, erzählt er. „Wir sind mit der Stadt in Gesprächen. Es wird noch geprüft, ob es eine Rechtsgrundlage gibt.“ Der entstandene Schaden müsste so hoch sein, dass er mehr wiegt als die Wahrung der Einzelinteressen.
Beschmierte Fensterscheiben nach den Ferien
„Wir haben der Stadt von einem fünfstelligen Betrag berichtet, der in den vergangenen zehn Jahren durch Vandalismus entstanden ist“, führt Thomas Adam fort. „Es sollte sich also lohnen, die Kameras aufzustellen.“ Nach den Sommerferien in diesem Jahr waren übrigens einige der dreifach isolierten Scheiben in der Geschwister-Scholl-Schule mit Farbe beschmiert worden.
Während der Schulzeit sind Videoüberwachungen unzulässig
Während an der Geschwister-Scholl-Schule die Kameras also lediglich in den Ferien und am Wochenende eingesetzt werden sollen, würde Hanna Schönfeld sie auch und vor allem während der Schulzeit nutzen wollen – die Fahrräder am Ellenrieder Gymnasium wurden schließlich zwischen 7.45 und 13 Uhr manipuliert. „Das wird jedoch sehr schwierig“, weiß die Schulleiterin. Die Stadt als Trägerin der Schule bestätigt das: „Während des Schulbetriebs ist eine Videoüberwachung von Schulgelände und Schulräumen grundsätzlich nicht zulässig“, schreibt Rathaussprecher Walter Rügert.

Außerhalb der Schulzeiten ist Überwachung möglich, aber...
Hoffnungen macht Walter Rügert Thomas Adam und anderen Schulleitern für eine Überwachung während der Ferien oder am Wochenende: „Außerhalb der Schulbetriebszeiten und außerhalb der Schulräume wäre eine Videoüberwachung zulässig, doch setzt der Gesetzgeber hohe Hürden und lässt den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur unter Voraussetzungen zu. Der Datenschutzbeauftragte muss beteiligt werden und eine Datenschutz-Folgenabschätzung gemacht werden. Zur Zeit prüft die Stadt die Voraussetzungen.“
Das positive Beispiel Eigeltingen
Bis dahin bleibt nur die Hoffnung, dass Vandalismus und mutwillige Manipulation von Fahrrädern der Vergangenheit angehören. Ein Hoffnungsschimmer ist die Gemeinschaftsschule Eigeltingen: Hier wurden aufgrund von Vandalismus Kameras installiert, die in der unterrichtsfreien Zeit eingeschaltet sind. Nach dem Beginn der Videoüberwachung 2018 zog Schulleiter Michael Wernersbach ein positives erstes Zwischenfazit: „Die Pfingstferien waren die ersten mit Videoüberwachung und es kam zu keinerlei Vandalismus. Das ist sehr erfreulich.“