Carolin Müller besitzt seit 30 Jahren ein kleines Juwel: Ein Haus aus dem 14. Jahrhundert in der Altstadt, verwinkelt und gemütlich. Doch an manchen Stellen ist es ihr ein bisschen zu verwinkelt. In einem kombinierten Wohn- und Esszimmer stehen alte Balken mitten im Raum, ein großer Teil des Bereiches ist durch die Dachschräge nicht begehbar.

Carolin Müller plant, das Dach energetisch zu sanieren und künftig Sonnenenergie zu gewinnen. Gleichzeitig möchte sie mehr Raum und Stehhöhe gewinnen. Doch nach fünf Jahren der Gespräche mit Architekt, Bauforscher und Behörden sagt die 57-Jährige entnervt: „Ich stehe nach all dieser Zeit wieder am Anfang, mir werden vom Denkmalschutz nur Steine in den Weg gelegt.“
Ihr Wunsch ist es, die Sanierung mit dem Bau einer Mansarde zu verbinden. Doch dies erlaubt der Denkmalschutz nicht. Carolin Müller wundert sich: „Zu beiden Seiten meines Hauses sind Mansarden entstanden. Warum darf ich das nicht? Ich würde die Reste des historischen Daches erhalten und neue Strukturen behutsam ergänzen.“

Ein von ihr beauftragter Bauforscher sei zu dem Ergebnis gekommen, dass „sich das Dachwerk als die Summe vieler, aus unterschiedlichen Zeiten stammender Reparaturmaßnahmen darstellt. Es besitzt kein übergreifendes, auf eine bestimmte Zeitebene fixierbares Gesamtkonzept.“
Umso weniger versteht die Besitzerin, warum dieses Dach nicht verändert werden darf, zumal es von der Straße aus nicht einsehbar ist. „Warum argumentiert der Denkmalschutz dann mit dem Erscheinungsbild?“, fragt sie sich und betont: „Die historischen Strukturen als Basis für die Planungen zu nehmen, ist mir wichtig. Sie machen den Charakter des Hauses aus, da bin ich mit der Denkmalbehörde einig.“
Behörde und Bauherrin sind sich uneinig
Uneinig sind sich aber Behörde und Bauherrin, welche Strukturen erhalten werden müssen. Als Carolin Müller klar wurde, dass sie keine Mansarde bauen darf, machte sie einen weiteren Vorschlag. An einer bauhistorisch unkritischen Stelle wollte sie drei geteilte Dachflächenfenster mit einem einzigen Rahmen ummanteln und mehr Raumhöhe und Licht gewinnen.

Doch auch hier gab es keinen Konsens. „Ich sollte die Balken, die erneuert werden müssen, wieder so anordnen, dass Bewohner und Gäste sich den Kopf stoßen.“ Carolin Müller schrieb ans Baudezernat: „Mit diesem Behördenirrsinn schaffen wir weder die Energiewende noch genug Wohnraum – ganz zu schweigen von einer guten Zusammenarbeit zwischen Behörden und Bürgern.“
„So macht Bauen keinen Spaß“
Das Schlimmste ist für sie: „Niemand erklärt mir nachvollziehbar, warum ich meine Pläne nicht umsetzen darf.“ Sie schrieb zahlreiche Mails an den Konstanzer Denkmalpfleger Frank Mienhardt, an Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, sogar an Oberbürgermeister Uli Burchardt und das Landesamt für Denkmalpflege.

„All meine Versuche, die Vorgehensweise der Behörden zu verstehen, wurden ignoriert“, so Müller. „Die Baueingabe erfolgte nach viereinhalbjähriger, enger Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde im Februar 2023 – und wurde im Mai 2023 aus denkmalschutzrechtlichen Gründen abgelehnt.“

Frustriert sagt sie: „So macht Bauen keinen Spaß. Und mit dem Geld kann ich andernorts mehr für den Klimaschutz erreichen.“ Anfangs habe sie eine Kostenschätzung von 250.000 bis 270.000 Euro für die energetische Dachsanierung plus Photovoltaik und Mansarde erhalten.„Durch die Verzögerungen sind wir jetzt bei 300.000 bis 350.000 Euro ohne signifikante Wohnraumschaffung“, so Müller. So verhindere der Denkmalschutz auch den Klimaschutz.
Historische Pultdächer sind einmalig
Und was meinen die Behörden dazu? Der städtische Denkmalpfleger Frank Mienhardt sagt: „Wir sind ihr in einem Punkt, der ihr wichtig war, sogar entgegengekommen. Wir haben auch mehrfach erklärt, was den Charakter ihres Hauses ausmacht.“ Dass der Denkmalschutz in diesem Fall den Klimaschutz ausbremse, sieht er nicht.

„Der eingereichte Bauantrag kann weitestgehend genehmigt werden, die Bauherrin hat umfängliche Möglichkeiten der Solarnutzung.“ Das Verhältnis von Klima- und Denkmalschutz habe sich in jüngerer Vergangenheit geändert und werde durch die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes und eine Richtlinie der Obersten Denkmalschutzbehörde geregelt. „Inzwischen dürfen Solaranlagen selbst auf Altstadtdächern angebracht werden“, erläutert Mienhardt.
Die Mansardenlösung ist allerdings nicht Teil des Bauantrags. „Dieses Haus hat ein im Kern mittelalterliches Pultdach“, so der Denkmalpfleger. „Davon gibt es in Baden-Württemberg fast keine mehr.“ Das Haus habe durch den Vollausbau des Daches in früherer Zeit schon eine Aufwertung erfahren. Denn im Mittelalter hätten Dächer nur als Schutz- und Bergeräume gedient und nicht zum Wohnen.
„So eine Fülle unterschiedlicher historischer Dachkonstruktionen aus dem Mittelalter, wie wir sie in Konstanz haben, ist landesweit fast einmalig“, sagt Mienhardt. „Die Dachform zu einem Mansarddach zu verändern, würde das überlieferte Erscheinungsbild völlig überformen.“ Nachbardächer seien nicht relevant: „Wir betrachten die Häuser einzeln.“

Berücksichtigt habe er dagegen, dass das Dach von der Straße aus nicht einsehbar ist: „Die Stadtbildsatzung stellt für einsehbare Dächer strengere Anforderungen als das, was wir hier genehmigen. Aus unserer Sicht liegt nun eine maßvolle Lösung vor.“

Für Carolin Müller ist das aber nur die Minimallösung. Dennoch hat sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie doch irgendwann eine Mansarde bauen kann: „Die Wohnungsnot wächst“, sagt sie. „Außerdem war es auch lange Zeit nicht möglich, eine Solaranlage auf ein Altstadtdach zu setzen. Die Zeiten ändern sich!“