Es sieht immer so einfach aus, und doch wissen alle, wie schwer es ist. Scheinbar mühelos wirbeln menschliche Körper durch die Luft, spielen an den anspruchsvollsten Turngeräten, lassen die Grenzen zwischen Sport und Akrobatik, zwischen Wettkampf und Zirkus verschwimmen.
Und in der Halle sitzen bis zu 1800 Menschen und wissen nicht, ob sie gespannt schweigen oder frenetisch anfeuern sollen. Denn auch die Gefahr turnt hier mit: Bei allen Sicherheitsvorkehrungen, allem Talent und allem Training ist es auch der Nervenkitzel des Restrisikos, der viele Gäste zur Turngala zieht.

Nach langer Corona-Pause endet das Jahr 2022 für tausende Konstanzer wieder mit einem Feuerwerk an sportlichen Leistungen, wie man es in der Stadt sonst nie sieht. Internationale Stars und regionale Akteure haben in dem für die Turngala so charakteristischen Mix auch dieses Jahr wieder ein buntes und ausgesprochen sehenswertes Programm bestritten.
„For a wonderful world“ ist es in diesem Jahr überschrieben, und in der Tat ermöglicht es eine kleine Flucht aus einem Alltag, der dieses Jahr wahrlich nicht nur Wundervolles geboten hat.
Daran erinnerte auch Ramona Müller, die Geschäftsführerin des Badischen Turner-Bundes, der die Gala zusammen mit seinem schwäbischen Pendant ausrichtet. Nachdem die Kinder des Turnvereins aus Radolfzell-Güttingen zu den Liedzeilen „Jetzt kommt die Zeit / in der das Wünschen wieder hilft“ eine bezaubernde Turn-Nummer aufgeführt hatten, sagt Müller, dass eine solche Veranstaltung auch in schwierigen Zeiten ein Lichtblick sein kann. Dafür gab es viel Applaus, ebenso für die Blues-Brothers, die Showgruppe des TSV Ludwigshafen, die gleich zu Beginn einen Höhepunkt setzten.

Im rund zweieinhalbstündigen Programm begeisterten vor allem die artistischen Nummern, vielleicht am meisten der Gleichgewichts-Künstler Krasimir Vasow mit einem wagemutigen Handstand in luftiger Höhe auf einem äußerst biegsamen Schwert. Das Danish Performance Team zeigte auf der Airtrack-Matte und am Trampolin Erstaunliches, und Einrad-Fahrer Victor nebst Partnerin Julia bewies Können und Mut gleichermaßen.

Auch die Tanznummern einer fitten Breakdance-Truppe sowie des Teams Legendtrick ließ staunen, wozu ein menschlicher Körper fähig ist. Zwischendurch vermochten zwei Komiker namens Wallstreet Theatre das Publikum zumeist zu Lachen zu bringen, und die Sportakrobatik-Gruppe Power zeigte, dass Artistik für (talentierte und trainierte!) Zehnjährige ebenso machbar ist wie für Leute in den Dreißigern.

Die Gäste in der am Nachmittag mit 1500 Besuchern fast komplett gefüllten Halle zeigten sich begeistert. „Es ist beeindruckend, was durch Vereinssport mit viel Können und Fleiß geschaffen wird“, sagte Christian Koßmehl, der mit der ganzen Familie in die Schänzlehalle kam – in vielen der Nummern traten auch Sportler auf, die durch Training in Sportvereinen in die nationale und europäische Spitze kamen und entsprechend gefördert wurden, zum Beispiel am Bundesstützpunkt und Nationalmannschaftszentrum Fellbach-Schmiden.

Auch Tanja Steinhart aus Konstanz, die ebenfalls mit den Kindern gekommen war, fand die Gala großartig. Sie war nach zweijähriger Corona-Zwangspause zum zweiten Mal zur Gala in die Schänzlehalle gekommen.
Drei Menschen, die das alles erst möglich machen, sind Sandra Pietrusky, Jutta Grether und Otto Eblen. Sie alle engagieren sich bei der HSG Konstanz ehrenamtlich. Noch in den Nachtstunden hatten die Aufbauarbeiten begonnen, berichtete Otto Eblen.

75 Helfer hätten mit angepackt, um den Konstanzern und ihren Gästen eine Veranstaltung der Extraklasse bieten zu können, sagte Eblen. Dazu trugen auch Sandra Pietrusky und Jutta Grether bei. Sie lotsten die Besucher mit unermüdlicher Freundlichkeit in die richtigen Blöcke zu den richtigen Sitzen und Plätzen.

Nach einer weitgehend ausverkauften Abendvorstellung mit über 1700 Besuchern zogen die Veranstalter eine positive Bilanz. Nachdem der Vorverkauf zunächst schleppend begonnen hatte, waren sie mit der Resonanz auf die Turngala in Konstanz erneut sehr zufrieden. Auch in einem Jahr soll die bunte Show wieder in der Schänzlehalle Station machen.
Dann, versprach Carolin Gifforn vom Badischen Turner-Bund, soll die Halle auch wieder verdunkelt werden, damit auch in der Nachmittags-Gala die Lichteffekte gut wirken. Dies war dieses Jahr kurzfristig nicht möglich gewesen, und der Grund ist irgendwie sehr 2022: Die Stadt hatte auf dem Dach der Halle eine Photovoltaik-Anlage installiert, und es war nicht klar, ob die Decke zusätzlich dazu und zur Licht- und Tontechnik noch eine schwere Verdunklung tragen kann.