Polternd-unmotiviert trifft der Jugendliche Jojo auf Leo, der bewegungs-lustlos in seinem Rollstuhl sitzt. Jojo, wegen einer Dummheit zu Sozialstunden verdonnert, muss in einer Klinik aushelfen. Keinen Bock auf Kulturschock geht er vorurteilsbehaftet in die Begegnung mit dem Rentner und findet erst mal einen dankbaren, weil schweigsamen Zuhörer.

Irgendwie schaffen es beide, Interesse füreinander zu entwickeln. Der Jüngere kann guten Rat gebrauchen und der Ältere dafür die Tat des gewitzten 16-jährigen Jugendlichen. „‘Das Herz eines Boxers‘ von Lutz Hübner zeigt auf berührende Art und Weise, wie essenziell und fruchtbar die Beziehung und der Austausch von Jung und Alt sein können“, erklärt Sylvia Seminara, die das Stück im Dettinger Hermes-Theater inszeniert.

Familiäre Vertrautheit hilft beim Zusammenspiel

Für das Zweipersonenstück hat sich die gelernte Schauspielerin, Theaterpädagogin und Theaterleiterin eine besondere Besetzung ausgedacht. So ist Matti, der Jojo, den Jungen, spielt, der Sohn von René Bach, der den – im wahrsten Sinne des Wortes – im Rollstuhl abhängenden Leo gibt. Die beiden stehen nicht zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne, dieses Mal jedoch erstmals ohne weitere Ensemblemitglieder.

„Den Papa macht es stolz. Matti war noch nicht auf der Welt, als ich das erste Mal im Hermes-Theater auf der Bühne stand“, erzählt René Bach. Das ist mittlerweile gut 25 Jahre her. Das familiäre Vertrautsein sehen beide als Vorteil für ihr intensives Zusammenspiel. „Ich traue mich, viel mehr zu interagieren. Was soll schon passieren?“, erklärt Matti. „Berührungen sind so viel einfacher“, bestätigt sein Vater.

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„Es hört sich vielleicht komisch an, aber es ich finde es gar nicht so schwierig mit dem Zusammenspiel“, erklärt der 49-Jährige. Nichtstun erachtet er als viel anspruchsvoller. „Das Publikum muss mitgehen. Ohne Text ist das gar nicht so einfach“, betont er. „Die Herausforderung ist, dort Distanz zu schaffen, wo erforderlich“, erläutert Sylvia Seminara.

In einer Szene hilft Jojo Leo beim Anziehen von Strümpfen. „Das spielt man einfach“, sagt der 16-Jährige. „Hier sind sie einfach Kollegen. Und man merkt das eingespielte Miteinander“, ergänzt die Regisseurin. Zur wahren Herausforderung gerät ein längerer Monolog von Jojo. „Das wäre eine Eingangsprüfung für die Schauspielschule“, erklärt die Theaterpädagogin.

Kaltstart? Damit ist Matti nicht zufrieden

Die Besprechung nach dem Probendurchlauf verrät einiges über die Selbst- und Fremdwahrnehmung. „Heute war ich mit der ersten Szene nicht zufrieden, weil es ein relativer Kaltstart war. Wenn wir vorher Übungen machen, dann bin ich gleich drin“, erklärt Matti. Ganz anders die Einschätzung von Sylvia Seminara, die sich sehr beeindruckt äußerte.

Und wenn es nicht so gut läuft, „dann kommt die Regie und fragt: Was war denn mit dir los?“, berichtet sie. Einen Lachanfall glaubwürdig zu spielen, gilt als eine Königsdisziplin der Schauspielerei. „Das Lachen kommt aus dem Nichts“, erzählt Matti, der damit offensichtlich keine Schwierigkeit hat. „Wer das schon öfter gemacht hat, dem fällt es leichter. Dafür wird es auch oft geprobt“, erläutert Maia Amélie Seminara, die ihrer Mutter als Regieassistenz zu Seite steht.

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„Es ist wichtig, dass es echt rüberkommt. Das ist sein sensibles Schauspiel, sodass man ihm glaubt, was er tut. Das ist Mattis Talent. Es ist wunderschön, seine Entwicklung zu sehen“, lobt die Regisseurin. Sylvia Seminara muss herzhaft mitlachen, als sich Jojo lachend auf der Treppe windet. „Hut ab“, kommentiert sie.

„Das Stück sollte 2020 gespielt werden, aber dann kam die Pandemie“, so Sylvia Seminara. „Ich war in der siebten Klasse und sollte den Jojo spielen. Wenig später kam ‚Das Herz eines Boxers‘ als Lesestoff im Deutschunterricht“, erzählt Matti. Die Verzögerung hat ihm nicht zum Nachteil gereicht. „Matti ist seither weiter gereift“, kommentiert Regisseurin Sylvia Seminara.

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