Bettina Parschat weiß, wovon sie spricht. Seit 25 Jahren arbeitet sie im Verwaltungsgebäude an der Laube, seit einiger Zeit leitet sie das Bürgeramt. „Auch vor mir stand mal ein Kunde und hielt drohend einen Stuhl in die Höhe, zum Glück war noch ein Kollege dabei“, sagt Parschat. Solche und ähnliche Situationen erleben derzeit immer mehr ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagt sie.

Beispiele gibt es genug: Die Angestellten werden bespuckt, verbal bedroht („Morgen komme ich wieder, warten Sie nur ab!“) oder körperlich angegangen. „Weibliche Angestellte müssen sich auch oft Anzüglichkeiten von Kunden anhören“, sagt Bettina Parschat.

Sabine Stöckler leitet das Konstanzer Bürgerbüro. Hier sind 20 Schalter besetzt, es kann immer wieder zu Kontakt mit aggressiven Kunden ...
Sabine Stöckler leitet das Konstanzer Bürgerbüro. Hier sind 20 Schalter besetzt, es kann immer wieder zu Kontakt mit aggressiven Kunden kommen. | Bild: Kirsten Astor

Manche Bürger würden vor allem jungen Mitarbeiterinnen mehrfach mit einem Blumenstrauß aufwarten und sie belästigen. „Andere verpassen ihren vereinbarten Termin und wollen dann nicht akzeptieren, dass sie einen neuen brauchen und später wiederkommen müssen. Sie stellen sich vor die Bürotür und warten, bis ein Kunde herauskommt, um sich dann reinzuquetschen“, sagt die Amtsleiterin.

Deshalb tauschten manche Abteilungen des Bürgeramts schon vor rund fünf Jahren ihre Türklinken gegen einen Knauf aus, der von außen nicht zu öffnen ist. „Das wollen wir eigentlich absolut nicht, für uns Mitarbeitende ist das Eingesperrtsein kein schönes Gefühl, aber derzeit geht es nicht anders“, sagt Parschat.

Wer keinen Schlüssel hat, kommt hier nicht hinein: Einige Abteilungen des Bürgeramts haben ihre Türklinke gegen einen Knauf getauscht.
Wer keinen Schlüssel hat, kommt hier nicht hinein: Einige Abteilungen des Bürgeramts haben ihre Türklinke gegen einen Knauf getauscht. | Bild: Kirsten Astor

Immer öfter erreichen sie Hilferufe von Angestellten. „Manche trauen sich nicht mehr allein auf den Flur, andere haben schon darüber nachgedacht, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen“, so die Amtsleiterin, die betont: „Wir haben das Glück, ein tolles Team zu haben, aber das Wohlbefinden leidet massiv.“

Zum einen sei die Zunahme aggressiver Kunden ein gesamtgesellschaftliches Thema, das auch andere Städte beschäftige. Zum anderen „haben wir in unserer Behörde natürlich ein paar Sprengstoffthemen“, sagt Bettina Parschat und zählt auf: Waffenrecht, Unterbringung psychisch Kranker oder Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, Aufenthaltsrecht, Beschlagnahmung gefährlicher Hunde oder Wohnungsverweise nach häuslicher Gewalt.

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„Die überwiegende Mehrheit der Bürger, die das Haus betreten, ist unproblematisch“, betont Parschat. „Doch wir erleben auch in Konstanz, dass wir es mit immer mehr traumatisierten oder psychisch belasteten Klienten zu tun haben.“ Verwaltungsdezernent Joachim Helff ergänzt: „Vor allem seit der Pandemie ist auch das Vertrauen vieler Bürger in den Staat enorm gesunken.“ Zu spüren bekommen das die Behördenmitarbeiter.

Das will die Stadt gegen die Aggressionen tun

Die Hilferufe der Mitarbeiter veranlassten die Verwaltungsspitze jetzt zum Handeln. Ab Montag, 2. Dezember, wird ein Security-Mitarbeiter eines Konstanzer Sicherheitsdienstes ein Auge auf die verzweigten Flure des Verwaltungsgebäudes an der Laube haben. Im Wesentlichen ist er zu den Öffnungszeiten zwischen 8 und 17 Uhr vor Ort.

Ein offenes Treppenhaus führt in viele Stockwerke und verzweigte Flure. Wer sich nicht auskennt, kann sich schnell verlaufen. Die ...
Ein offenes Treppenhaus führt in viele Stockwerke und verzweigte Flure. Wer sich nicht auskennt, kann sich schnell verlaufen. Die Verwaltung arbeitet derzeit an einer besseren Wegweisung. | Bild: Kirsten Astor

„Es ist keine Zugangskontrolle, es werden auch keine Taschen oder Menschen durchsucht“, betont Bettina Parschat. „Wir möchten weiterhin ein offenes Haus sein. Der Security-Mitarbeiter ist da, um den Bürgern als freundlicher Ansprechpartner Auskunft zu geben, sie zum Beispiel zu bestimmten Räumen zu führen.“ Klar ist aber auch: Diese Person ist befugt, das Hausrecht auszuüben und unliebsame oder aggressive Kunden des Hauses zu verweisen.

„Wenn jemand wütend ankündigt, dass er uns morgen einen Besuch abstattet und dann mal so richtig Rambazamba macht, können wir künftig den Sicherheitsmitarbeiter hinzuziehen“, sagt Bettina Parschat. „Das beruhigt unsere Kollegen schon mal sehr.“

„Wenn jemand wütend ankündigt, dass er uns morgen einen Besuch abstattet und dann mal so richtig Rambazamba macht, können wir künftig ...
„Wenn jemand wütend ankündigt, dass er uns morgen einen Besuch abstattet und dann mal so richtig Rambazamba macht, können wir künftig den Sicherheitsmitarbeiter hinzuziehen“, sagt Bettina Parschat. | Bild: Kirsten Astor

Der zweite Schritt soll folgen

Dennoch sei dies nur der erste Schritt in Richtung mehr Sicherheit in der Behörde. Im kommenden Jahr soll gemeinsam mit dem Hochbauamt das gesamte Sicherheitskonzept des Verwaltungsgebäudes an der Laube überarbeitet werden. „Solch ein Haus wie unseres würde heute niemand mehr bauen“, sagt Joachim Helff und meint damit endlose und verzweigte Flure und mehrere offene Eingänge, sodass Bürger theoretisch überall hinkommen können.

Das Verwaltungsgebäude an der Laube beherbergt auch das Bürgeramt mit vielen publikumsträchtigen Abteilungen.
Das Verwaltungsgebäude an der Laube beherbergt auch das Bürgeramt mit vielen publikumsträchtigen Abteilungen. | Bild: Kirsten Astor

Welche baulichen Maßnahmen umgesetzt werden, ist noch nicht klar. Daran arbeitet nun eine Arbeitsgruppe. Erste für die Bürger sichtbare Änderungen im Foyer werde es aber innerhalb des Jahres 2025 geben, sagt Joachim Helff.

Etwas neidisch blickt Bettina Parschat nach Freiburg, wo im Bürgerservicezentrum hinter den Kundenschaltern Schutzräume für die Mitarbeiter bereitstehen, in die sie sich im Ernstfall zurückziehen können. In Konstanz dagegen gibt es einige Büros mit halb verglasten Wänden. „Hier springen öfters die Kunden hoch und schauen rein“, erzählt Bettina Parschat. Manche Mitarbeiter klebten deshalb eine milchige Folie ans Fenster.

Solche Fenster in manchen Büros führen dazu, dass Kunden hochhüpfen, um in den Raum hineinzugucken.
Solche Fenster in manchen Büros führen dazu, dass Kunden hochhüpfen, um in den Raum hineinzugucken. | Bild: Kirsten Astor

„Unsere Vision wäre, dass es im Foyer eine Infotheke gibt, hinter der ein Mensch sitzt und schaut, ob die Kunden einen Termin und damit eine Zugangsberechtigung haben“, so die Amtsleiterin. „Wer einen hat, wird durchgelassen, zum Beispiel durch eine Tür mit Summer. Wer nicht, dem wird vor Ort geholfen, einen Termin zu vereinbaren.“ Parallel möchte die Behörde ihren Telefon-, Mail- und Online-Service verbessern, um den Erstkontakt mit Kunden weiter zu minimieren.

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Trotz aller geplanten Änderungen ist Bettina Parschat eines wichtig: „Wir wollen uns keinesfalls verschanzen. Mir ist eine gute Balance zwischen Bürgernähe und Sicherheit wichtig.“ Wenn die Maßnahmen Früchte tragen, soll das Haus für die Mitarbeiter wieder offener werden. Dann können auch die Türknaufe wieder durch Klinken ersetzt werden.