Es ist ein schwieriger Fall, der am Amtsgericht Konstanz verhandelt wird. Das wird schon allein durch die Rahmenbedingungen deutlich: Die Anklage lautet auf Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Bedrohung und sexuellen Missbrauch – das Ganze im häuslichen Kontext. So soll ein 28-Jähriger seine drei Jahre jüngere Ex-Freundin mehrfach körperlich misshandelt, eingesperrt und mutmaßlich sexuell missbraucht haben.
Doch ist die 25-Jährige nicht nur seine Ex-Freundin: Mittlerweile sind das Opfer und ihr mutmaßlicher Peiniger wieder eine Beziehung eingegangen. Dass viele der Vorwürfe, auch aufgrund der Zeugenaussage des 25-jährigen Opfers während der zwei Prozesstage im Bereich des Nebulösen bleiben, macht es nicht einfacher. Dabei kämpft das Schöffengericht gleich mit mehreren Zwickmühlen.
Die Anklage
Was dem 28-jährigen Landschaftsgärtner vorgeworfen wird, liest wie ein Martyrium für die 25-Jährige. So soll der Konstanzer seine damalige Freundin 2022 über vier Monate lang in elf Tatbeständen körperlich misshandelt haben. Er soll sie gegen Wände, den Boden oder Mobiliar gestoßen, ihre Handgelenke überdehnt, auf das Ohr geschlagen, an den Haaren gezogen oder sie gewürgt haben. Er fügte ihr dabei Schmerzen und Verletzungen zu.
In einem Fall soll er sie mit einem Eimer Wasser übergossen haben. Er soll sie darüber hinaus mit einem Pfannenwender geschlagen und ihr mit einem Hammer und einem Messer gedroht haben. Der schlimmste Tatvorwurf: Er soll die junge Frau, nachdem er sie zuvor über Stunden misshandelt hatte, aufgefordert haben, sich zu entkleiden. Dann soll er mit mindestens einem Finger in sie eingedrungen sein. Während seiner Taten soll er teilweise die Türe abgeschlossen und ihr Schlüssel sowie Handy abgenommen haben.
Die mutmaßlichen Taten
Was die Verbrechen gegen seine Freundin angeht, so ist der Angeklagte überwiegend geständig. An viele Dinge will er sich jedoch nicht mehr erinnern, Hammer oder Messer sollen weder im Spiel, noch angedroht worden sein und auch die Türen will er bei manchen Taten nicht abgeschlossen haben. Im Großen und Ganzen schildert er die Ereignisse jeweils zwar ein wenig anders, als sie ihm vorgeworfen werden, er streitet sie allerdings nicht ab.
Was er bis zum Ende zumindest in Teilen von sich weist – und das ist der gravierendste Punkt – ist der Vorwurf der Vergewaltigung. Zwar bestreitet er die Vorgänge hier auch nicht gänzlich, allerdings will er mit keinem Finger in seine Freundin eingedrungen sein. Ferner gibt er allerdings an, mit einem Finger an ihrem Intimbereich gewesen sein zu sein. Nachdem er die 25-Jährige über Stunden erniedrigt hatte, wollte er nachschauen, ob sie „feucht“ sei. Dabei soll er laut Anklageschrift gesagt haben: „Siehst du, das macht dich sogar geil, wenn ich so zu dir bin. Du bist ja ganz feucht.“ Was genau sich abgespielt hat, bleibt allerdings bis zum Schluss ungeklärt.
Als Grund für seine Taten gibt der 28-Jährige seine Eifersucht an. Es habe Zeiten gegeben, wo er das Gefühl gehabt habe, seine damalige Freundin hätte ihn belogen oder Kontakte zu anderen Männern, wie etwa zu ihrem Ex-Freund. Dieser habe die 25-Jährige nach der Beziehung erpresst, das habe auch den Angeklagten emotional belastet. Er sagt aber: „Mein Verhalten war nicht in Ordnung, das gebe ich zu.“
Man habe sich allerdings auch gegenseitig provoziert, meint er. Seit dem Jahr 2023 sind die 25-Jährige und der Angeklagte wieder ein Paar, zuvor hatten sie aufgrund der Taten eine Beziehungspause eingelegt, während der es auch ein Annäherungsverbot gegeben hat. Körperlich misshandelt haben soll er die 25-Jährige seit der erneuten Aufnahme der Beziehung nicht mehr.
Die Zwickmühle
Das Opfer hat bereits gegenüber der Polizei im Jahr 2022 umfassende Angaben zu den mutmaßlichen Taten gemacht. Darauf beruht auch überwiegend die Anklage. Das Problem: Die 25-Jährige muss vor Gericht aussagen – und das wahrheitsgemäß. Sonst macht sie sich strafbar. Wenn sie aber angibt, dass ihre damaligen Angaben korrekt sind, belastet sie damit wiederum ihren jetzigen Partner. Sagt sie, sie habe damals gelogen, hat das rechtliche Konsequenzen – umso mehr, sollte sich das vor Gericht wiederum als Falschaussage entpuppen.
Vor Gericht erklärt die junge Frau, sich an vieles nicht mehr genau erinnern zu können. Zwar bestreitet sie nicht, dass es die Taten gab. Ob sie sich allerdings genauso zugetragen haben, wie damals in ihren Zeugenaussagen angegeben, daran kann oder will sie sich oft nicht erinnern. Oft antwortet sie auf Fragen nur: „Ich weiß es nicht.“ Auch die genauen Vorgänge um den sexuellen Übergriff will sie nicht mehr wissen. Teilweise versucht sie sich laut der Richterin auch von früheren Aussagen zu distanzieren, um den Angeklagten zu schützen.
Fakt ist aber, dass die junge Frau in ihren Aussagen aus dem Jahr 2022 teilweise drastische Ausführungen macht und sogar Angst um ihr Leben gehabt haben will. Zitat: „Da habe ich gedacht, dass ich gar nicht überleben werde.“ Richterin Heike Willenberg hadert damit, dass die Zeugin mehrere Male bei der Polizei Details schildern konnte und sich nun nicht mehr erinnern will. Begriffe wie Schutzbehauptung und Scheinerinnerung fallen.
Das Urteil
Am Ende der beiden Prozesstage bleiben dem Gericht auch wegen anderer Zeugenaussagen wenig Zweifel an den Taten des Angeklagten. Aufgrund der erneuten Beziehung bleiben aber große Fragen: Wird wieder etwas passieren? Wird der Angeklagte „rückfällig“? Richterin Heike Willenberg und der Staatsanwalt sprechen nicht zuletzt von „Angst um das Leben“ des Opfers.
Schlussendlich wird der Mann schuldig gesprochen. Allerdings: Der 28-Jährige kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Diese Entscheidung habe sich das Gericht nicht leicht gemacht, so die Richterin. Sie stellt nämlich auch klar: Aufgrund des Sachverhalts sei eine Haftstrafe durchaus gerechtfertigt. Sie selbst habe der Prozess sehr belastet, so Heike Willenberg.
Auf der anderen Seite seien der Angeklagte und die junge Frau wieder ein Paar, sie hätten sich ausgesöhnt und seither habe es keine weiteren Misshandlungen gegeben. Auch weil der Angeklagte Reue zeigt, nicht vorbestraft ist und zusichert, sich wegen seiner Aggressionsprobleme in psychologische Behandlung zu begeben, lässt das Gericht Milde walten.
Er wird wegen Körperverletzung (auch noch in einem Anklagepunkt, der mit seiner Partnerin nichts zu tun hat), gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Bewährungszeit beträgt vier Jahre. Er muss 2500 Euro an Frauen helfen Frauen e.V. bezahlen und trägt die Kosten des Verfahrens.
Der 28-Jährige darf sich nichts mehr zu schulden kommen lassen und muss seine Therapie streng verfolgen. „Wenn sie es nicht machen, gibt es gesiebte Luft da drüben“, stellt die Richterin klar und deutet aus dem Gerichtsaal in Richtung Justizvollzugsanstalt Konstanz. „In ihrem Fall mache ich die Bewährungsüberwachung noch gewissenhafter.“ Die Sorge, der Angeklagte könne seine Partnerin wieder misshandeln, bleibt jedoch wohl bei allen Prozessbeteiligten zurück. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.