Während in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens der Alltag zumindest schrittweise zurückkehrt, müssen Senioren und ihre Angehörigen weiterhin warten. Zwar dürfen die Konstanzer Seniorenheime wieder Besuch empfangen, allerdings nur stark eingeschränkt. Dies stellt die Einrichtungsleitungen teilweise vor Herausforderungen.
Manche Angehörige hielten sich nicht an Regeln
Im Haus Salzberg am Klinikum Konstanz musste Leiterin Anne Gibson die Angehörigen jetzt darüber informieren, dass die Besuchsregeln noch einmal verschärft werden. Die Terrasse im Erdgeschoss wurde als Ort der Begegnung vorerst aufgelöst. Der Grund: Manche Besucher, so Gibson, hätten sich weder an die Abstandsregeln noch an das Tragen des Mundschutzes gehalten.

„Die Erfahrungen der ersten zehn Tage zeigen also die Notwendigkeit, das Besuchskonzept nochmals neu anzupassen.“ Statt auf der sonnigen Terrasse können sich Senioren und Angehörige im Gruppenraum des Erdgeschosses treffen – und vom Personal besser im Auge behalten werden. Vorherige Anmeldung und Registrierung vor Ort sind Pflicht. Zugelassen sind nur enge Bezugspersonen. Zusätzlich gibt es drei Besucherfenster im Erdgeschoss.
Besuche im 30-Minuten-Takt
Der Andrang jedenfalls ist groß. So groß, dass die Besuchszeit im Haus Salzberg zunächst auf 30 Minuten pro Tag und Bewohner festgelegt worden ist. Wie in vielen Seniorenheimen in Konstanz bleibt die digitale Option des Treffens von Verwandten und Freunden bestehen, wie Anne Gibson mitteilt. Wer mag, kann eine Video-Telefonie anmelden.
Glück im Luisenheim
Im Luisenheim, das wie das Haus Salzberg zur Spitalstiftung Konstanz gehört, ist der eigens eingerichtet Besuchsraum ebenfalls bestens gebucht. Dass die Tagesgruppen dort wegen Corona ausfallen, trifft sich für Angehörige und Bewohner des Luisenheims richtig gut. So konnte der zur Verfügung stehende Platz komplett für Besuche genutzt werden.

Kreativer musste das Team des Margarete-Blarer-Hauses im Paradies werden. Aus einem Besuchsfenster ist mittlerweile ein Besuchsraum geworden. An einem langen Tisch mit einer durchsichtigen Plastikscheibe in der Mitte kann man gemeinsam sitzen – und sich unterhalten. „Die Berührungen fehlen den älteren Menschen besonders“, weiß Einrichtungsleiterin Erika Fuchs.
45 Termine in einer Woche
Eigentlich klappe es sehr gut. Auch im Blarer-Haus müssen sich Angehörige vorher anmelden. Der Besuchszeitraum liegt bei einer Stunde. In einer normalen Woche ohne Feiertag sind so 45 Termine möglich. „Hinein darf man bei uns nicht, außer es ist palliativ bedingt“, sagt Fuchs. Sterben muss keiner allein. Auch Bettlägerige haben die Möglichkeit, ihre Liebsten zu sehen. Mit einem speziellen Pflegestuhl werden sie nach unten an den Tisch gefahren.
Frau Schrempp will Bus fahren
Wie gehen die Bewohner damit um? „Es wird sehr gut angenommen“, sagt Erika Fuchs. „Manche möchten gar nicht besucht werden, andere zweimal die Woche. Oder zweimal ein Kurzbesuch, dann bekommen wir in der Stunde mehr unter. Nach jedem Besuch muss desinfiziert werden.“
Sehr gerne besucht wird Ruth Schrempp. Gelassen sitzt die 86-Jährige am langen Besuchertisch. „Meine beiden Söhne waren schon da, der ältere und der jüngere auch“, sagt sie.
Corona störe sie wenig, eigentlich gehe sie selten raus. „Wissen Sie“, sagt Ruth Schrempp, „als ich jung war, hatten wir in der Schule Lazarette, es war Krieg, da werden wir mit Corona wohl fertig.“ Eigentlich fehle es ihr an nichts, doch sie vermisse die Berührungen. Und ihren allwöchentlichen Ausflug: „Einmal die Woche fahre ich mit dem Bus in die Stadt, dann kaufe ich meine Rätselzeitung.“
Einfach frei sein, das fehlt
Solche ganz alltäglichen Dinge sind es, die viele Bewohner laut Einrichtungsleiterin Erika Fuchs am meisten herbeisehnten. „Spazieren, draußen ein Eis essen. Gerade die fitteren unter den Senioren würden gerne einfach mal wieder Spazieren gehen am Rhein, einfach frei sein.“
Gab es auch Probleme? „Am Anfang haben manche Angehörige versucht, die Besuchseinschränkungen zu umgehen und sich heimlich draußen an der Absperrung getroffen. Das war ein bisschen ärgerlich, weil wir hier tun, was wir können.“ Teilweise sei mehr Druck von den Angehörigen gekommen als von den Senioren selbst.
Viel wird für die älteren Menschen organisiert: Konzerte, kleine Feste im Garten, Videogottesdienste. „Aber“, sagt Erika Fuchs, „wir hoffen alle auf weitere Lockerungen.“ Sie sei guter Dinge, dass es nicht mehr lange dauern könne. Und was wünscht sich Ruth Schrempp am meisten? „Ich werde hier gut versorgt“, sagt sie. „Ganz toll fände ich einen Teller Spargel – mit echter Sauce Hollandaise.“