Am vierten Verhandlungstag vor dem Konstanzer Amtsgericht fällt am Dienstag, 25. Februar, das Urteil im Schwimmprozess. Richter Dennis Fandrousi hält die erfahrene Lehrerin und die damalige Referendarin der Stephansschule dafür verantwortlich, dass ein Siebenjähriger in seiner ersten Schwimmstunde ertrank.
Er verurteilt sie zu Freiheitsstrafen von neun Monaten für die ältere Angeklagte und zu sechs Monaten für die damalige Referendarin. Beide Strafen setzt er für zwei Jahre zur Bewährung aus. Dies entspricht der Strafzumessung, die Oberstaatsanwältin Claudia Fritschi ursprünglich in den Strafbefehlen vorgesehen hatte. Dazu kommen Geldzahlungen.

Als der Richter den Saal betritt, verstummen schlagartig alle Gespräche. Auf dieses Urteil hatten die Verfahrensbeteiligten lange und gespannt gewartet, schließlich kann es Strahlkraft weit über Konstanz hinaus haben. Im Zentrum steht die Frage, ob die beiden Lehrerinnen ihre Sorgfaltspflicht verletzten, obwohl sie sich nach Meinung ihrer Anwälte an die Regeln des Kultusministeriums hielten.
Der Vorwurf des Konstanzer Amtsrichters lautet fahrlässige Tötung durch aktives Tun. Dies sieht Dennis Fandrousi deshalb als gegeben, weil die Lehrerinnen in der ersten Schwimmstunde einer zweiten Klasse alle 21 Kinder gleichzeitig ins Wasser ließen. Dadurch sei eine durchgehende Beobachtung aller Zweitklässler nicht möglich gewesen. Sechs von ihnen konnten nicht schwimmen, darunter auch der später ertrunkene Siebenjährige.
„Ich bin überzeugt davon, dass der Tod des Jungen auf unzureichende Sicherheitsvorkehrungen der Lehrerinnen zurückzuführen ist“, begründet der Amtsrichter. „Das Teilen der Kinder in zwei Gruppen wäre nötig gewesen. Die Hälfte hätte am Rand sitzen müssen, denn vom Trockenen geht keine Gefahr aus.“
Stattdessen hätten die Angeklagten alle Kinder ins schnell tiefer werdende Becken im Hallenbad am Seerhein gelassen, wo sie schwimmen, tauchen und gehen durften und sich bei Spielen zur Wassergewöhnung nassspritzen sollten. „Dadurch gab es eine unübersichtliche Situation“, so Fandrousi.

„Die Aussage der Lehrerinnen, sie hätten jederzeit alle im Blick gehabt, zweifele ich an. Denn Kinder sagten, sie hätten mit dem Geschädigten an der Trennleine zwischen Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich Quatsch gemacht. Das haben die Lehrerinnen nicht bemerkt und nicht unterbunden“, sagt Fandrousi.
Er geht davon aus, dass das Kind mindestens eine Minute leblos im Wasser trieb, bis die erfahrene Lehrerin ihn herauszog und reanimierte. Der Richter folgt auch den Ausführungen des Gerichtsmediziners Markus Große Perdekamp, der eine Sauerstoffmangelerscheinung aufgrund des Ertrinkens eindeutig als Todesursache ansieht. Die Verteidiger hatten mehrfach versucht, andere Ursachen wie spontanes Erbrechen oder Schlafmittel im Körper anzuführen.
„Gesteigerter Grad an Fahrlässigkeit“
Der Richter sieht einen „gesteigerten Grad an Fahrlässigkeit“ gegeben, der Tod des Kindes hätte aus seiner Sicht „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können“. Der Einwand der Verteidiger, dass die Lehrerinnen sich an die Vorgaben des Kultusministeriums hielten, lässt Fandrousi nicht gelten: Lehrkräfte müssten diese „mit gesundem Menschenverstand kritisch hinterfragen“.
Positiv bewertet er in seiner Strafzumessung, dass beide Lehrerinnen nicht vorbestraft sind. Bedacht hat er auch, dass sie seit dem Unfall selbst schwer psychisch belastet sind. Außerdem drohen berufliche Konsequenzen wie ein Disziplinarverfahren. Es kann sein, dass eine Lehrperson den Beamtenstatus nicht erhält oder verliert, auch Geldstrafen und Berufsverbot können Folgen sein.
Zusätzlich zur Bewährungsstrafe sollen die Angeklagten 10.000 beziehungsweise 7000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern des Geschädigten sowie die Auslagen der Nebenklage bezahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.
Anwälte wollen Berufung einlegen
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Eine Woche haben beide Seiten Zeit, es anzufechten. So lange brauchen Gerhard Zahner und Christian Funk nicht. Direkt nach dem Ende der Verhandlung kündigen sie an, noch am selben Tag in Berufung zu gehen. Sie zeigen sich überrascht von der Urteilsbegründung.

„Es geht in der zweiten Instanz vor dem Landgericht dann um die Kardinalfrage, ob Lehrkräfte im Schwimmunterricht die Klasse in zwei Gruppen teilen müssen. Das halte ich erst recht für fahrlässig“, sagt Gerhard Zahner. Denn wenn, wie vom Kultusministerium erlaubt, nur eine Lehrkraft beim Schwimmunterricht dabei ist, müsse diese die Hälfte der Kinder unbeaufsichtigt lassen.
„Wir sind erstaunt, was hier als pflichtwidrig gesehen wurde“, so Zahner. „Wenn dies vom nächsten Gericht bestätigt wird, hat das Folgen für den Schwimmunterricht von Konstanz bis Flensburg.“ Die Anwälte sind laut Zahner „so sehr von der Unschuld der Lehrerinnen überzeugt, dass es schon fast physisch wehtut“.

Dubravko Mandic, Anwalt der betroffenen Eltern, sagte an einem anderen Verhandlungstag: „Eine Bestrafung macht ein Kind zwar nicht mehr lebendig. Aber wer das Wichtigste verloren hat, schaut auf die Personen, die daran beteiligt waren. Für meine Mandanten ist es unvorstellbar, dass die Lehrerinnen weiter unterrichten.“

Vater Darshan Pandya äußert sich gegenüber dem SÜDKURIER: „Ich hatte erwartet, dass die Strafe härter ausfällt.“ Dennoch gehen die Eltern nicht in Berufung. Bis das Urteil rechtskräftig wird, gilt die Unschuldsvermutung.