Es bimmelt. Die Halbschranken am Bahnübergang in der Schneckenburgstraße in Petershausen senken sich. Was für Autofahrer bedeutet, dass sie nun ihre Fahrt kurzzeitig unterbrechen müssen, kann für Radler auf dem Bodensee-Radweg bedeuten: freie Fahrt.
Denn der Bodensee-Radweg, der parallel an den Bahngleisen entlang führt, quert dort die Straße. Vorfahrt hat an dieser Stelle der fließende Verkehr auf der Schneckenburgstraße. Ein Stoppschild weist die Radler darauf hin.

Doch genau das ist der Knackpunkt. Der beliebte und viel genutzte Bodensee-Radweg wird dort unterbrochen. Radfahrer beklagen sich darüber regelmäßig bei der Stadt. „Die Querungssituation an der Schneckenburgstraße ist hin und wieder Gegenstand der Rückmeldungen von BürgerInnen zur Radverkehrsinfrastruktur der Stadt. Manche Radfahrende empfinden es aufgrund der Verkehrsstärke der Schneckenburgstraße sowie der dort erlaubten Geschwindigkeit als schwierig, die Schneckenburgstraße zu queren“, schreibt Benedikt Brüne, Pressesprecher der Stadt Konstanz.
Deshalb hat sich die Stadt nun eine schnelle (Teil-)Lösung einfallen lassen: Sie hat vor einiger Zeit auf der Kreuzung Schneckenburgstraße/Bodensee-Radweg direkt vor dem Bahnübergang eine gestrichelte Wartelinie auf die Straße gezeichnet. Wenn nun die Schranken runtergehen, wird Autofahrern empfohlen, die direkte Verbindung des Radweges freizuhalten.
Gestrichelte Linie fordern zum Warten auf
Richtig, es wird empfohlen. Denn es gibt einen rechtlichen Unterschied zwischen einer durchgezogenen und einer gestrichelten Linie. Ersteres ist eine Haltelinie. Sie ist rechtlich bindend. Verkehrsteilnehmer müssen vor an dieser Linie stoppen. Bei Zweiteren handelt es sich um eine Wartelinie und ist nur eine Empfehlung.
Dass an dieser Stelle nun eine Wartelinie aufgezeichnet sei, sei immerhin ein Anfang, findet Norbert Wannenmacher. Er ist Mitglied im Arbeitskreis Rad der Stadt Konstanz. „Ich empfinde diesen Knotenpunkt selbst auch als sehr gefährlich“, sagt der Radaktivist.
Er kritisiert, dass an dieser Querung eine „extreme Barriere auf dem Radweg“ entstehe. Denn eigentlich sei der Bodensee-Radweg eine Radschnellverbindung – im Volksmund auch Radautobahn genannt. Dass man dort als Radfahrer seine Fahrt unterbrechen und den Autoverkehr durchlassen müsse, widerspreche der Idee einer Radschnellverbindung.
Fakt ist, dass eine Radschnellverbindung bestimmte Kriterien erfüllen soll. Laut der Initiative Radkultur Baden-Württemberg des Verkehrsministeriums sollen die Wege eine ausreichende und komfortable Breite aufweisen, durchgängig sicher und barrierefrei befahrbar sein, höhere Fahrgeschwindigkeiten zulassen und nur wenig unterbrochen werden. Mit der Kreuzung Schneckenburgstraße können die Anforderungen aber an dieser Stelle nicht erfüllt werden.

Die Stadt sieht Handlungsbedarf. „Der Gemeinderat hat die Verwaltung also mit der Verbesserung der Situation beauftragt“, sagt Pressesprecher Brüne. Wie die Stadt in einem Facebook-Post und auf SÜDKURIER-Nachfrage erklärt, wolle man ein Planungsbüro beauftragen, Vorschläge zu erarbeiten.
Dabei denke die Verwaltung an ebenerdige Lösungen, wie zum Beispiel dem „Einbau einer Mittelinsel, der Veränderung der Seitenbereiche oder der Installation einer Ampel“, so Benedikt Brüne. Welche Lösungen am Ende tatsächlich möglich seien, würden weitere Untersuchung zeigen.
Auch Norbert Wannenmacher ist der Meinung, dass noch mehr gemacht werden muss – zumindest, wenn es das Ziel ist, mehr Konstanzer zu motivieren, vom Gas- auf das Tretpedal zu wechseln. „Folgt man der Logik der Nutzungsqualität einer Radschnellverbindung, dann müsste langfristig eine Unterführung oder eine Brücke gebaut werden“, sagt er.
Auch eine Reduzierung des Tempolimits auf der Schneckenburgstraße auf 30 Kilometer pro Stunde statt der erlaubten 50, wäre ein Lösungsansatz. Diese Idee findet auch Anklang bei der Freien Grünen Liste (FGL). Ihnen schreiten die Entwicklungen in der städtischen Radinfrastruktur schon seit Jahren zu langsam voran.
FGL fordert eine Fahrradzone in Petershausen
„Auf den Gefahrenpunkt Kreuzung Schneckenburgstraße/Bodensee-Radweg habe ich die Verwaltung schon so oft hingewiesen. Bei der hohen Frequenz auf dem Bodensee-Radweg, die toll ist, müsste der Verkehr in der Schneckenburgstraße eindeutig entschleunigt werden“, sagt Anne Mühlhäußer von der FGL. Besonders zu Schulzeiten käme es dort zu gefährlichen Szenen. Allerdings: „In den vergangenen Jahren war die Stelle in der Unfallstatistik nicht auffällig“, sagt wiederum Benedikt Brüne.

Deshalb hat die FGL, nachdem der SÜDKURIER eine Presseanfrage an die Stadtverwaltung geschickt, nochmals ihren Antrag an den Technik- und Umweltausschuss gestellt, den sie bereits 2017 forderten. Sie wollen die Einrichtung einer Fahrradzone zwischen der Petershauser-, Reichenau-, von-Emmich-, Bruder-Klaus- und Schneckenburgstraße durchsetzen.
„Vor Jahren hatte die FGL bereits die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Sankt-Gebhardstraße beantragt, um dem immer stärker werdenden Fahrradverkehr von der Stadt in Richtung Bodensee-Radweg (und umgekehrt) Rechnung zu tragen“, heißt es in dem Antrag.
Grundsätzlich ginge es darum, den Fahrradverkehr sicherer zu machen und durch solche Maßnahmen zu fördern, sodass noch mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen würden, begründet Mühlhäußer den FGL-Antrag. Auch Norbert Wannenmacher sieht darin eine Chance, mehr Menschen auf den Sattel zu bringen. Dass es gelingen kann, sehe man in den Niederlanden, die sehr viel in den Ausbau der Radinfrastruktur gesteckt hätten. „Da sind uns die Holländer weit voraus“, sagt er.