Zuerst habe sie an eine Umleitung gedacht. Petra Geusch-Leuthe wohnt direkt an der Ortsdurchfahrt in Wollmatingen. Am Samstag gegen 23.30 Uhr, so sagt sie, sei sie von Autolärm aufgeschreckt worden. Erst als es immer mehr Fahrzeuge wurden, die durch mutwillig lautes Fahren auffielen, habe sie erkannt, dass es sich um Poser handelt, die sich mit Motorengeräuschen in Szene setzen wollen.
Sie seien Schlangenlinien gefahren, hätten Reifen quietschen, den Auspuff knallen und den Motor aufheulen lassen. „Das war eine wahnsinns Geräuschbelästigung“, erinnert sich die Anwohnerin von Wollmatingen. Die Eindrücke der Anwohnerin decken sich mit den Informationen der Polizei: Demnach waren in der Nacht von Samstag auf Sonntag bis zu 500 Autoposer lautstark in Konstanz unterwegs.
Anwohnerin: „Die Polizei war überfordert“
„Das war an den Grenzen von Terror“, sagt Petra Geusch-Leuthe. In der Radolfzeller Straße habe es nach Abgas gestunken. Sie habe die Polizei informiert, dort habe es aber nur geheißen, sie solle wieder auflegen, denn man habe in Stockach und Singen auch Probleme mit den Posern.
Petra Geusch-Leuthe fragt sich, warum die Polizei nicht mit kleiner Mannschaft das getan habe, was sie für angemessen betrachtet hätte: Die Zugangsstraßen zu Wollmatingen und der Universität Konstanz sperren, um so den ganzen Verkehr auf die B33 zu leiten. Dort hätten dann auch Verstöße geahndet werden können.

„Die Polizei war überfordert“ unterstreicht sie den Eindruck, den viele Bürger hatten. Nur wenige trauten sich aber, mit vollem Namen in der Zeitung zu sprechen. Die Poser haben ihnen Angst gemacht. Auch der frühere Stadtrat Matthias Heider wurde von den Posern aus dem Schlaf gerissen.
Die Menge der Fahrzeuge habe ihn überrascht, sagt der Wollmatinger Bürger auf Nachfrage. Er berichtet, dass er erst an etwas ganz anderes gedacht habe. An eine Siegesfeier nach einem Sportereignis, etwa Eishockey. „Wir sind davon ausgegangen, dass die gewonnen haben“.
Gestylte Männer, teure Wagen, Urin im Garten
„Es war beängstigend“, sagt Michaela Tartsch, die mit ihrem Mann in der Friedrichstraße erlebte, wie die Poser ihr Unwesen trieben. Kurz vor Mitternacht hätten diese immer wieder ihre Runden vor dem Uniwald gedreht, einige hätten sich dabei ein Rennen geliefert, erzählt Michaela Tartsch. Der Polizei sei es erst nach einiger Zeit gelungen, „das Rodeo“ zu zerschlagen. Geholfen habe, als diese eine Straßenseite durch einen Bus blockierte.
Sie habe aufgestylte Männer beobachtet, berichtet Michaela Tartsch weiter. Alle seien sie in teuren Wagen unterwegs gewesen. Auf einem ihrer Handyfotos sieht man ein Kennzeichen aus einem völlig fremden Land. Sie vermutet, dass es sich bei diesen Insassen um den Nachwuchs von Diplomaten handelte. Doch ganz im Gegensatz zum feinen Outfit sei das Verhalten gewesen.

Michaela Tartsch erzählt, wie eines der Poser-Autos vor ihrem Haus hielt, und vier Mann ausstiegen: „Die fanden es offenbar völlig legitim, in unseren Garten einzudringen und dort zu urinieren.“ Als sie und ihr Mann protestierten, sei ihnen zugerufen worden, sie sollten zufrieden sein, dass man nicht auch noch „reinscheiße“. Diese Dreistigkeit habe sie entsetzt. Sie ist entschlossen, die Burschen anzuzeigen. Aber sie erwartet auch von Polizei, Politik und Stadt, dass diese handeln.
Das sagen Konstanzer Kommunalpolitiker zu dem Vorfall
In der Kommunalpolitik ist das Thema angekommen. Normen Küttner, Stadtrat der Freien Grünen Liste, geht davon aus, dass sich die Stadt Konstanz, gemeinsam mit der Landes- und Bundespolizei dafür einsetzen wird, damit sich diese „unzumutbaren Szenen in Zukunft nicht wiederholen“.
Er erwarte „konsequente Kontrollen“ von technischen Änderungen an den Fahrzeugen, etwa an den Auspuffen. Die Stadt Zürich sei bereits seit Wochen mit umfangreichen Kontrollen und Straßensperrungen aktiv, um eine Eskalation zu verhindern, so Küttner. Der Stadtrat stellt fest: „Ich kann über so viel Hirnlosigkeit aufseiten der Autoposerszene nur den Kopf schütteln.“
„So kann es nicht bleiben“, sagt auch Wolfgang Müller-Fehrenbach, Stadtrat der CDU. Die Stadt könne aber nur im Verbund mit der Landes- und Grenzpolizei handeln. Einen entsprechenden Antrag wolle seine Fraktion in der kommenden Sitzung formulieren. Ganz neu sei das Problem in Konstanz nicht, auch wenn es neu sei, dass Poser in Massen auftreten.
„Es herrscht große Einigkeit, dass etwas getan werden muss“, sagt auch Jürgen Ruff, Stadtrat der SPD. Man müsse jetzt zeigen, dass Poser hier nicht willkommen seien. In ihrer Fraktionssitzung werde dies Thema sein. Er plädiert dafür, alle technischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Autoprotzern Herr zu werden, also etwa Lärm-Blitzer einzusetzen, die übermäßigen Lärm erfassen.
Stadtverwaltung: „Leider keine Möglichkeit, im fließenden Verkehr Kontrollen durchzuführen“
Die Stadt Konstanz hofft indes, dass sich das Poser-Treffen vom Wochenende „nicht wiederholt und nicht als Ankündigung einer Verlagerung der Szene zu werten ist“, wie Stadtsprecher Walter Rügert auf Nachfragen schreibt.
Er stellt fest: „Die Stadt hat leider keine Möglichkeit, im fließenden Verkehr Kontrollen durchzuführen. Dies ist Sache der Polizei. Wir können allenfalls Treffpunkte unterbinden, wenn uns diese bekannt sind.“ Vom massiven Auftreten der Poser in Konstanz sei die Stadt völlig überrascht worden. Bisher seien sie nur vereinzelt zu beobachten gewesen.
Die Stadt habe deswegen eine Mailadresse eingerichtet, auf der Bürger Verstöße melden können (raser@konstanz.de). „Ein so massives Aufkommen von Posern gab es allerdings noch nie. Insofern war das für uns in der Tat überraschend.“ OB Uli Burchardt kündigte an, die Stadt wolle alle möglichen Spielräume ausschöpfen.