Seit wenigen Tagen sind die Vorschläge der Parteien und Wählervereinigungen für die Kommunalwahl 2024 geprüft und genehmigt. Der Wahlkampf kann damit erst richtig beginnen – und doch sind bereits einige Aspekte des Wahlausgangs festgelegt. Klar ist schon jetzt, dass die AfD keine Vorschlagsliste für den Konstanzer Gemeinderat eingereicht hat – übrigens ebenso wenig wie für den Radolfzeller Rat oder die entsprechenden Gremien auf der Höri.

Das ist unbestreitbar eine gute Nachricht für alle, die sich künftig in diesen Räten engagieren werden. Sie werden keine rassistischen Äußerungen im Ratssaal befürchten, nicht um die konstruktive, respektvolle Zusammenarbeit bangen müssen. Die Stimmung wird besser sein als mit AfD-Mitgliedern, die zweifellos die Polarisierung vorangetrieben hätten.

Für die Gremien ist es also positiv. Auch für Migranten und Flüchtlinge übrigens, die nicht fürchten müssen, dass der Konstanzer Gemeinderat sich nicht mehr vollständig für ihre Anliegen, Integration und eine Willkommenskultur in der Stadt einsetzt. Und für alle anderen Bürger und Wählerinnen?

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Zunächst ein Blick auf die Kreisebene: Dort tritt die AfD mit einer Liste für alle Wahlkreise an. Warum also im Kreis, nicht aber in den Städten Konstanz oder Radolfzell? Die AfD selbst schweigt sich darüber aus, doch die Antwort scheint ersichtlich. Die Partei hat schlicht nicht genügend Personen gefunden, die bereit gewesen wären, für die AfD öffentlich zur Gemeinderatswahl anzutreten.

Das politische Klima ist in diesen Städten so, dass sich Menschen offensichtlich nicht trauen, mit vollem Namen auf einer AfD-Liste zu kandidieren. Das bedeutet freilich nicht, dass es in Radolfzell, Konstanz und der Höri keine Personen gibt, die die AfD wählen wollen.

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Im Kreistag können wir hingegen erwarten, dass die AfD ein weiteres Mal einzieht, mit wie vielen Sitzen ist unklar. Unbekannt ist auch, wie sie die dortige Diskussionskultur prägen wird. Bislang jedenfalls hat man von den AfD-Kreisräten, Bernhard Eisenhut und Michael Hug, nur wenig Inhaltliches erfahren.

Und wie ist die Lage nun für die Bürger? Knifflig. Zum einen fehlt in den besagten Gemeinderäten ein Teil des Meinungsspektrums, das auch künftig nicht abgebildet wird. Bürger, die sich derzeit nicht mit der Politik der CDU-, FDP-, SPD-, Grünen-, Linken, JFK- oder Freie Wähler-Räte identifizieren können, haben keine Vertretung. Laut Wahlumfragen (die sich auf die Europawahlen beziehen) hat die AfD im Moment ein Potenzial von 16 bis 20 Prozent.

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Für die Kommunalwahl, zumal in unserer Region, dürfte es geringer sein. Dennoch ist es immer schlecht, wenn ein Teil der Gesellschaft sich politisch nicht repräsentiert fühlt, weil dieser Teil dann droht, sich vom Grundkonsens der Gesellschaft zu entfernen. Wie kann es den etablierten Parteien gelingen, mit diesen Wählern wieder ins Gespräch zu kommen?

Ausgepfiffen: AfD-ler und Veranstaltungsbesucher

Und es droht noch eine zweite Gefahr, eine, die bei der Gegendemo zum AfD-Bürgerdialog in Radolfzell am Freitag ersichtlich wurde: Dort versammelten sich etwa 300 Bürger, um gegen die rassistischen und demokratiefeindlichen Haltungen der AfD zu protestieren. Soweit so gut – und auch so wichtig, an dieser Stelle öffentlich ein Zeichen zu setzen.

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Aber nicht nur die ankommenden AfD-Politiker wurden ausgepfiffen, mit „Nazis raus“-Rufen belegt und, ja, auch das, als „Schweine“ tituliert. Sondern auch jene Bürger und eventuell AfD-Sympathisanten, die sich die Veranstaltung anhören wollten.

Wer von den Demonstranten kann sicher wissen, ob es sich bei ihnen um „Nazis“, Neonazis oder auch Rassisten handelte? Was bewirken die Demonstranten mit den verbalen Angriffen wohl bei Bürgern, die in ihrer Wahlentscheidung zwischen der AfD und anderen Parteien schwanken?

So wird Spaltung eher zementiert

Wie klug ist eine Form des Protests, die die bestehende gesellschaftliche Spaltung eher noch zementiert und einen Dialog zwischen den Gegen-Rechts-Demonstranten und den vielleicht noch unentschlossenen AfD-Wählern höchst unwahrscheinlich macht? Und warum besuchte kaum einer der Protestierenden den Bürgerdialog, um dort die Rhetorik der AfD-Abgeordneten zu entlarven?

Auf der anderen Seite wird sich die AfD ins Fäustchen lachen. Auch wenn es ihr (noch) nicht gelingt, ihre Kandidaten in allen Städten am See zu platzieren, wissen ihre Politiker doch, wie ihr Wählerpotenzial hier zu überzeugen ist; nicht wie in Thüringen offen rechtsextremistisch, sondern gut getarnt als Partei, die vor allem ein Narrativ bedient.

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Sie werde sich als einzige um das Wohl der arbeitenden Bevölkerung kümmern und sie vor „Sozialschmarotzern“, „Faulenzern“, „Migranten“ und einer „unfähigen Regierung“ beschützen. Sie stehe dabei als Opfer einer Großkampagne der etablierten Parteien und links-grüner Bürger da. Ganz ungeschickt ist dieses Vorgehen nicht.

Was also wäre als Zivilgesellschaft zu tun? Unter Umständen gilt es, die Strategie zu ändern. Sie wird kaum umhin kommen, in den Dialog zu treten mit Mitbürgern, die im Denken bereits weit entfernt scheinen von Toleranz und Weltoffenheit. Diese Aufgabe des kritischen Dialogs ist bei den Bündnissen für Demokratie gut aufgehoben.

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Außerdem: Finger weg von jeglichen vollständig ausgrenzenden Beleidigungen. So verständlich sie emotional sein mögen, so sehr sind es Methoden, die in jedem autoritären Regime hoffähig sind, in Demokratien aber nicht präsent sein sollten. Es mag wenig Spaß machen, sich mit den Meinungen von Rechtspopulisten auseinanderzusetzen. Vermeiden werden wir es in Zukunft aber nicht mehr können.