Es klingelt am Telefon. Ein Bankmitarbeiter, der laut eigenen Angaben für das Geldinstitut ING arbeitet, ist am anderen Ende der Leitung. Der Mann, vermutlich zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, fragt die ältere Dame, die weit vom Bodensee entfernt lebt, ob sie denn kein Interesse habe, die Sicherheitsstufe ihres Kontos zu erhöhen.

Doch natürlich habe sie Interesse! Dann solle sie sich an einem digitalen Endgerät in ihren Bank-Account einloggen, sagt die Stimme. Danach weiß die Frau nicht mehr genau, wie ihr geschieht. Klar ist nur: Als sie kurze Zeit später bei ihrem echten Ansprechpartner bei der ING-Bank anruft, fehlen auf ihrem Bankkonto mehrere Tausend Euro. Das passiert im Juli 2022. Gelandet sind sie auf einem Konto einer jungen Frau. Einer jungen Frau aus Konstanz, die wohl ebenfalls betrogen wird.

9200 Euro weiterverteilt

Zwei Jahre später: Während sich am Bodensee auch in diesem Sommer die Telefon-Betrugsfälle wie falscher Polizist, Enkeltrick oder der vermeintliche Bankmitarbeiter häufen, wird Ende August vor dem Amtsgericht Konstanz wegen einer Folge des obenstehenden Falles verhandelt. Der Vorwurf lautet dabei auf Geldwäsche. Auf der Anklagebank sitzt die junge Konstanzerin, auf deren Konto das mutmaßlich erbeutete Geld einging.

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Der 22-Jährigen wird vorgeworfen, am 18. Juli 2022 mehrere Beträge von ihrem Konto bei der Sparkasse Bodensee auf ein ihr fremdes, deutsches Konto überwiesen zu haben. Drei Tage zuvor ging eine Zahlung von 9200 Euro auf ihrem Konto ein, mutmaßlich stammte das Geld aus dem Betrugsfall, bei dem unbekannte Täter sich Zugriff auf das Konto der älteren Frau erschlichen hatten.

Die Konstanzerin soll laut der Anklageschrift in der Folge das Geld in einer Stückelung von einmal 3000 und zweimal je 2500 Euro auf ein fremdes Konto überwiesen haben. Sie soll außerdem dem Mann, der sie darum bat, das Geld zu überweisen, die restlichen 1200 Euro in bar ausgehändigt haben. Die Studentin habe sich daher laut Gericht dahingehend schuldig gemacht, Geld von Dritten beschafft und verwahrt sowie weiter transferiert zu haben.

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Eine „Bitte von einem Freund“

„Es war mir nicht bewusst, dass es eine Straftat ist“, sagt sie in der Verhandlung. Der Mann, der sie um die Überweisungen beziehungsweise die persönliche Übergabe des Geldes gebeten hatte, sei Teil einer Freundesgruppe gewesen, die sie relativ frisch kennengelernt hatte. Sie habe ihm vertraut und es lediglich für „die Bitte von einem Freund“ gehalten, so die 22-Jährige.

Kennengelernt hatte sie den Mann über das soziale Netzwerk Instagram, später habe man sich aber auch privat getroffen, berichtet sie. Die junge Frau litt zu der Zeit in der Folge einer Corona-Erkrankung an Panikattacken und Angststörungen, zeitweise habe sie nur noch bei den Eltern im Bett übernachten können. Als sie vor Gericht ihre damalige Situation schildert, kommen ihr immer wieder die Tränen. Eine Sachverständige bestätigt die psychische Situation.

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Der neue Freund, mit dem sie auch immer wieder über ihre mentale Gesundheit gesprochen hatte, habe sie dann nach einiger Zeit gefragt, ob er ihr Geld überweisen und sie es dann weiterschicken könne. Es sollte schnell gehen, habe er noch gesagt. Das Geld sei wohl für den Bau eines Hauses von seiner Familie im Kosovo gedacht. Bis zum Schluss der Verhandlung bleiben jedoch viele Fragen, vor allem warum die 22-Jährige nicht selbst stutzig wurde.

Fragen über Fragen

So geben die Beteiligten vor Gericht dazu gleich mehrere Beispiele: Wieso überwies der Mann das Geld nicht einfach selbst, wenn es denn ohnehin sein eigenes war? Sah die junge Frau auf den Kontoauszügen denn nicht, dass das Konto, von dem das Geld auf ihres transferiert wurde, gar nicht auf ihren Bekannten lief?

Weshalb sollte jemand das Geld zu ihr überweisen, um sich dann Teile davon wieder bar zurückgeben zu lassen? Und warum lief die Transaktion letztendlich unter dem Verwendungszweck Autokauf – wo es doch angeblich um eine Immobilie gehen sollte? Diese Fragen hätten wohl die meisten stutzig gemacht. Nicht so die Studentin. „Ich habe das zu keinem Zeitpunkt hinterfragt“, sagt die 22-Jährige nur – und das immer wieder. Sie habe ihrem Freund vertraut.

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Vieles habe sie auch gar nicht überprüft, wie beispielsweise die Kontoauszüge. Online-Banking nutze sie nicht, gibt sie an. Die Überweisung habe sie an einem Automaten der Sparkasse getätigt. Die 1200 Euro, die sie abgehoben habe, habe sie umgehend ihrem Freund gegeben, der sie begleitete. Ein Jahr lang bleibt sie ahnungslos, der Kontakt zu dem jungen Mann reißt ab. Erst im vergangenen Jahr wird sie seitens der Polizei in Kenntnis gesetzt.

Jugendstrafrecht ist anwendbar

Vor Gericht ist die Studentin weitestgehend geständig, stützt sich in ihrer Argumentation aber auf ihre Unwissenheit in der Sache. Die Staatsanwaltschaft ist sich jedoch sicher: Die junge Frau habe zwar nicht vorsätzlich, dennoch aber leichtfertig gehandelt und ihre Sorgfalt außer Acht gelassen.

Allerdings: Da die junge Frau zur Tatzeit 20 Jahre alt war und man durch die Corona-Erkrankung beziehungsweise deren Folge eine Entwicklungsverzögerung annehmen könne, sei die Anwendung das Jugendstrafrecht grundsätzlich vertretbar. Dennoch gehe es um die stolze Summe von 9200 Euro. Die Verteidigung fordert indes den Freispruch.

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Am Ende schließt sich die Richterin den Forderungen der Staatsanwaltschaft weitestgehend an: Die junge Frau ist der leichtfertigen Geldwäsche schuldig und muss 600 Euro an eine gemeinnützige Organisation spenden, außerdem wird sie verwarnt. Es erfolge darüber hinaus die Einziehung des Wertersatzes von 9200 Euro. Das bedeutet, dass sich der Gesetzgeber die Summe, die wohl unwiederbringlich verschwunden ist, in Form von Geld und anderen Vermögenswerten seitens der Angeklagten wieder beschafft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.