„Jede Kilowattstunde zählt!“ Davon ist Marco Rinderspacher überzeugt. Und der Konstanzer muss es wissen, schließlich arbeitet er im Bereich Elektrotechnik der Stadtwerke Konstanz, kennt sich also mit Kilowattstunden, Photovoltaik und Wechselrichtern bestens aus.
Aus diesem Grund – und um Geld zu sparen sowie gleichzeitig das Klima zu schützen – installierte er eine Balkon-PV-Anlage an der Brüstung seiner Eigentumswohnung in der Sonnenbühlstraße, um aus Sonnenlicht Strom zu erzeugen. Doch nun musste er sie schweren Herzens zum 30. November wieder abbauen – und ist deshalb einigermaßen frustriert.
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER sagt er: „Ich hab das Thema mit den PV-Anlagen damals auf der Wohneigentümerversammlung angebracht. Da war keine Ablehnung zu spüren.“ Daraufhin habe er sich zwei Balkon-Module besorgt, an der Brüstung angebracht und den Hausverwalter in einer E-Mail informiert.
Doch bereits zwei Tage später kam eine E-Mail von der Hausverwaltung mit der Aufforderung die Anlage wieder zu entfernen. Diese stelle eine bauliche Veränderung dar, die seitens der Wohneigentümergemeinschaft (WEG) nicht abgesegnet wurde. Ferner sei die Anlage von einer außerordentlichen Eigentümerversammlung dann am 4. Oktober diesen Jahres mit einer Mehrheit komplett abgelehnt worden. Es habe keinen Gestaltungsbeschluss gegeben.
Es geht ihm um die Sache
Marco Rinderspacher setzt seine 600-Watt-Anlage vorrangig für die Deckung des Strom-Eigenbedarfs ein. Dieser ist stark abhängig von Stromverbrauch, dem Verbrauchsverhalten und der Grundlast, also beispielsweise des Stromverbrauchs von Geräten im Standby oder ständig laufenden Geräten – wie Kühlschrank oder Gefriertruhe. Er stellt mehrmals klar, dass es ihm nicht darum gehe, Schuldige zu suchen. Viel eher gehe es im um die Sache.
„Wir sind in einer Energiekrise und müssen unbedingt selbst Energie herstellen“, sagt Rinderspacher. „Und was ich nicht verbrauche, kommt ja der Allgemeinheit zugute“, sagt er. Denn von ihm nicht verbrauchter Strom wird ins Netz eingespeist. Er findet außerdem, dass in diesem Fall die Optik der Anlagen kein Grund seien dürfe, sie abzulehnen. Das große Ziel sei wichtiger. Auch den Bürokratiedschungel findet er lästig. Es sollte stattdessen feste, bindende Regelungen seitens des Bundes geben, die Mietern und Eigentümern diese Anlagen erlauben.

Mit seiner knapp 1000 Euro teuren Anlage hat Rinderspacher zwischen dem 21. Juli bis zum 30. November 191 Kilowattstunden Strom erzeugt. Die Hälfte davon hat er selbst verbraucht, das mache eine Ersparnis von 30 Euro aus. Natürlich sei das lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein – das weiß der Elektrotechniker selbst. „Aber es ist ein Beitrag für den Klimaschutz und bringt uns weg von den fossilen Brennstoffen,“ sagt er. „Das ist der richtige Weg, alle müssen gemeinsam daran arbeiten“, ist er sich sicher. „Wenn wir nur reden, werden wir die Ziele nie erreichen.“
Bis 2035 soll Konstanz klimaneutral sein
Auch die Stadt Konstanz hat sich ein solches Ziel gesetzt: Vor zweieinhalb Jahren beschloss der Gemeinderat, dass die Klimaneutralität bis spätestens 2035 erreicht sein soll. Nicht zuletzt deshalb hat sich im Fall von Marco Rinderspacher sogar der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt eingeschaltet, indem er einen Brief an den Hausverwalter Martin Becker schrieb. Der Brief liegt dem SÜDKURIER vor.
„Mit Bedauern habe ich wahrgenommen, dass es zu Balkon-PV-Anlagen aktuell teils ablehnende Entscheidungen von Wohnungseigentümerversammlungen und Amtsgerichten gibt“, schreibt der OB. „Die Stadt Konstanz hat sich vor dem Hintergrund der klimawissenschaftlich begründeten Erfordernisse das Ziel einer weitgehenden Klimaneutralität bis 2035 gesetzt.“
Einen elementaren Beitrag dazu würde die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien leisten. In Städten konzentriere sich dieses Feld vor allem auf die Produktion von Strom auf Dächern und an Gebäuden sowie Flächen der Infrastruktur. Doch selbst beim Ausschöpfen aller Möglichkeiten, würde es nicht reichen, um den Strombedarf zu decken.
„Folglich ist auch jeder Beitrag an Wohngebäuden wichtig und begrüßenswert – sei es auf einem Dach oder an einem Balkon“, schreibt Uli Burchardt. „Da für Mieterinnen und Mieter die einzige direkte Möglichkeit, an der Energiewende teilzuhaben, oft in Balkon-PV-Anlagen besteht, wird die Stadt Konstanz ab 2023 nicht nur Förderprogramme für die Sanierung privater Wohngebäude, sondern auch für Steckersolaranlagen auflegen.“ Man möchte damit unter anderem eine „Handlungsmöglichkeit für jedermann“ unterstützen. Zuletzt bittet er darum, sich für den Verbleib der Anlage einzusetzen. Stand jetzt ist diese jedoch abgebaut.
Stadtwerke begrüßen Balkonkraftwerke
Und was sagen die Stadtwerke Konstanz zu den Balkon-PV-Anlagen? Grundsätzlich begrüße das städtische Unternehmen die Einrichtung solcher Balkonkraftwerke. Sollten sich deshalb mehr Haushalte diese Anlagen einbauen lassen? „Die Frage ist individuell zu beantworten und muss zum Beispiel in einem Mehrfamilienhaus mit dem Vermieter besprochen werden“, erklärt Josef Siebler, Pressesprecher der Stadtwerke.
Grundsätzlich könne durch diese Anlagen mehr erneuerbarer Strom erzeugt und die Stromrechnung reduziert werden. Klar sei allerdings auch, dass die positiven Auswirkungen angesichts der Energiekrise auf das Stromnetz gering einzuschätzen sind. Ein Grund dafür sei laut der Stadtwerke, das die Energieerzeugung hauptsächlich im Sommer stattfinde. „Grundsätzlich hilft aber jede Kilowattstunde, die nicht aus fossilen Energien bereitgestellt werden muss, dem Klima“, erklärt Siebler.
Die anderen Verantwortlichen wollen sich nicht äußern
Die anderen Beteiligten aus der Hausgemeinschaft beziehungsweise Verwaltung möchten nicht viel zu dem Fall sagen. „Da es sich um einen offenen Vorgang handelt, kann ich Ihnen hierzu keine Auskünfte erteilen“, schreibt der Hausverwalter der entsprechenden Immobilie auf SÜDKURIER-Anfrage in einer E-Mail. Er weist außerdem daraufhin, dass er sich als Verwalter neutral zu verhalten habe.
Auch der Verwaltungsbeiratsvorsitzende Heinz-Albert Veraart teilt lediglich mit: „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, kann ich Ihnen leider keine weiteren Auskünfte geben.“ Da jedoch immerhin beide Verantwortlichen von einem noch laufenden Sachverhalt sprechen, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Da die Stadt Konstanz ohnehin ab 2023 diese Anlagen fördern möchte und auch der Bund dieses Mittel zugänglicher machen will, kann Marco Rinderspacher optimistisch sein. Vielleicht darf er seine Anlage wieder anschließen.