Konstanz soll wachsen. Um mehr Wohnraum zu schaffen, will die Stadt einen neuen Stadtteil errichten: den Hafner. Bis 2038 soll das Quartier am nördlichen Stadtrand oberhalb von Wollmatingen für 6000 Menschen eine neue Heimat bilden. Dafür sollen dort Wohnhäuser, Schulen, Sportgelände und Gewerbeflächen entstehen. Aber bis es so weit ist, muss die Stadt Konstanz erst mal alle Grundstück erwerben – bisher kann sie noch nicht alle Flächen ihr Eigen nennen.

754 Grundstücke will die Stadt Konstanz etappenweise unabhängig vom jeweiligen Beginn der Erschließung erwerben. Das teilt Elena Oliveira aus der Pressestelle der Stadtverwaltung mit. Ihr erstes Augenmerk richte die Stadt dabei auf die Grundstücke im ersten Unterbauabschnitt. „Diese 84 Grundstücke sind zu knapp 93 Prozent im Eigentum der Stadt Konstanz“, schreibt Oliveira auf SÜDKURIER-Nachfrage.

Bei den letzten sieben Prozent handelt es sich um sechs Grundstücke, die zusammen 14.296 Quadratmeter ausmachen. Zwei der Grundstücke konnten sie nun noch erwerben.

Der erste Bauabschnitt des Quartiers Hafner liegt zu beiden Seiten der Dettinger Straße und reicht bis zur Nordtangente. Den Großteil ...
Der erste Bauabschnitt des Quartiers Hafner liegt zu beiden Seiten der Dettinger Straße und reicht bis zur Nordtangente. Den Großteil der benötigen Grundstücke hat die Stadt bereits erworben. | Bild: KCAP Architects&Planners + Henning Larsen + ARGUS

Dennoch wollen einige der Grundstückeigentümer ihr Grundstück nicht oder zumindest noch nicht an die Stadt abgeben. Andreas Löwe, Konstanzer Fachanwalt für Bau- und Architekten­recht, vertritt einige der Besitzer in Gebieten der drei Bauabschnitte. Er sagt: „Das ist alles nicht so einfach. Es gibt mehrere Betroffene in dem Gebiet. Es geht auch um den Ausgangswert, den es für Ackerland gibt.“

15 Euro gibt es für Ackerland

Größtenteils sind die Grundstücke im geplanten Projektgebiet als Agrarland klassifiziert und werden dann für den Bebauungsplan umgewidmet. Anschließend wird der Grund und Boden viel mehr wert sein, weil es Bauland ist. Gegen diese Diskrepanz sträuben sich einige Besitzer.

„15 Euro pro Quadratmeter ist dabei der niedrigste Ausgangswert“, sagt Löwe. Die Stadt erklärt dazu, dass es keinen offiziellen Startpreis gebe. Aber in der Wertzone „begünstiges Agrarland“ liegen die Preise tatsächlich bei um die 15 Euro pro Quadratmeter. „Darüber hinaus gibt es aber weitere Wertzonen“, heißt es von der Pressestelle.

„15 Euro pro Quadratmeter ist dabei der niedrigste Ausgangswert“, sagt Andreas Löwe, Konstanzer Fachanwalt für Baurecht
„15 Euro pro Quadratmeter ist dabei der niedrigste Ausgangswert“, sagt Andreas Löwe, Konstanzer Fachanwalt für Baurecht | Bild: Elmar Feuerbacher

Wie hoch der Quadratmeterpreis im Gebiet des zukünftigen Hafner ist, kann die Stadt ganz genau sagen. Diese richte sich nach „einem gutachterlich ermitteltem entwicklungsunbeeinflussten Grundstückswert, der im Rahmen der Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) grundsätzlich im Zweijahresturnus fortgeschrieben wird.“

Das heißt: Ein externer Gutachter hat zum Stichtag am 19. Februar 2016 den Wert der Grundstücke ermittelt. Danach richtet sich nun der Ausgangswert der verschiedenen Wertzonen. Entscheidend sei der Wert zu diesem Zeitpunkt und nicht, was später auf dem Boden entstehen würde. In einem Zwei-Jahres-Rhythmus passe sich der Wert an die konjunkturelle Veränderung an.

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Aber nicht nur der Preis ist eine Hürde, warum die Stadt noch nicht alle Grundstücke erworben hat. Bei zwei Grundstücken haben sie andere „interessante Situationen“ ergeben, wie Elena Oliveira erklärt: Zwei Eigentümer seien unauffindbar. „Hierzu ist eine spezielle Kanzlei mit dem Auffinden des betreffenden Erben beauftragt, der vermutlich in Kanada lebt“, sagt die Sprecherin.

Enteignungen sind theoretisch möglich

Nach Auskunft des Rechtsanwaltes Andreas Löwe und der Stadt, werden gerade viele Gespräche geführt, um gemeinsam Lösungen für die Betroffenen zu finden – darunter sind auch einige Gewerbebetriebe, die große Flächen benötigen. Das wäre die Ideallösung.

Aber manchmal führen Gespräche nicht zum gewünschten Ziel, dann folgt der Weg zum Gericht. Laut Auskunft der Stadt gibt es aktuell drei juristische Verfahren mit Eigentümern. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Besitzer enteignet werden.

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Dieses baurechtliche Instrument kann eine Stadt allerdings nutzen, sofern die Grundlagen dazu geschaffen sind. In Konstanz ist das so. Der Gemeinderat hat per Satzung 2021 beschlossen, dass der Hafner eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) ist.

„Die Begründung der Maßnahme und auch seine enteignungsrechtliche Wirkung ergibt sich aus dem Baugesetzbuch (§ 165ff.), wonach das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung erfordert, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten“, erklärt Elena Oliveira. Das heißt eben auch, dass die „eingeleiteten juristischen Verfahren in einer Enteignung münden können“. Die Eigentümer können in so einem Prozess aber jederzeit ihre Grundstücke an die Stadt verkaufen.

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Der Gang vor Gericht ist letzte mögliche Schritt, das sagt auch Rechtsanwalt Löwe. Und das Instrument der Enteignung sowieso. „Ich bin gerade in vielen Gesprächen mit der Stadt. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten kommt die Stadt uns auch gut entgegen“, sagt er. Daher ist Löwe auch zuversichtlich, dass es ein glückliches Ende für Stadt und Grundstückbesitzer geben wird. Der Grundstein für die Zukunft des Stadtteils Hafner dürfte also bald gelegt sein.