Im vergangenen Jahr wie auch 2022 wird es kein Jakobiner-Tribunal am Schmotzigen geben. Dabei handelt es sich um einen der Besuchermagnaten der Straßenfasnacht von Konstanz. Am Obermarkt stehen dann die Menschen dicht gedrängt und erwarten, dass Richter Ekkehard Greis sein Urteil spricht.

Wenn er ein Urteil sprechen kann, ist er bester Laune: Richter Ekkehard Greis.
Wenn er ein Urteil sprechen kann, ist er bester Laune: Richter Ekkehard Greis. | Bild: Scherrer, Aurelia/SK-Archiv

So bleibt nur die Erinnerung an die zurückliegenden Tribunale. Welche Höhepunkte es da gegeben hat, haben wir hier zusammengestellt – mit vielleicht närrisch subjektiver Einfärbung.

Die besten Sprüche der vergangenen Jahre

Es war unzweifelhaft eine der besten Aussagen, die in den vergangenen Jahrzehnten bei den Jakobiner-Tribunalen gefallen ist. Auf der Anklagebank saß 2015 Hans Fetscher, Veranstalter des Konstanzer Oktoberfests – und angeklagt, weil er unautorisiert eine kostümierte Fasnet im September in Verbindung mit Vorgaukelung traditionellen Brauchtums abhalte. Claudia Zähringer verteidigte ihn.

Billante Verteidigerin: Claudia Zähringer versucht stets, ein mildes Urteil für ihren Mandanten herauszuholen.
Billante Verteidigerin: Claudia Zähringer versucht stets, ein mildes Urteil für ihren Mandanten herauszuholen. | Bild: Scherrer, Aurelia

Da fiel der Satz: „Wie will man diesen Mann bestrafen, der ist doch schon von Friedrichshafen.“ Mehr Beifall hat es selten gegeben. Wenn es gegen Nicht-Badener geht, ist der Jubel zumeist am lautesten.

Rainer Wiesner musste sich beim Jakobiner-Tribunal in Konstanz 2014 verantworten.
Rainer Wiesner musste sich beim Jakobiner-Tribunal in Konstanz 2014 verantworten. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Als der ehemalige SÜDKURIER-Geschäftsführer Rainer Wiesner im Jahr 2014 zur Verurteilung stand, allein deshalb, weil er Geschäftsführer des SÜDKURIER war, sagte Ankläger Peter Friedrich auf den Chefredakteur bezogen: „...wenn es sich von Nutz, köpfen wir gleich mit, den Stefan Lutz.“

SÜDKURIER-Chefredakteur und ehrenamtlicher Blätzlebue Stefan Lutz (Mitte) bei der Straßenfasnacht 2020. Mit dabei sind die ...
SÜDKURIER-Chefredakteur und ehrenamtlicher Blätzlebue Stefan Lutz (Mitte) bei der Straßenfasnacht 2020. Mit dabei sind die SÜDKURIER-Geschäftsführer Michel Bieler-Loop (als Horst Schlämmer, links) und Peter Selzer (als Dschingis Khan, rechts). | Bild: Scherrer, Aurelia/SK-Archiv

Als Wolfgang Mettler 2019 verurteilt werden sollte, trat Norbert Heizmann als Oswald von Wolkenstein in den Zeugenstand: „Der Mettler wird im Leben nimmer schöner, des ist zweifelsfrei; deshalb kann die Lösung nur die Guillotine sei“, sagte er charmant.

Die besten Angeklagten des Jakobiner-Tribunals

Es kamen nicht nur lokal, sondern auch regional bekannte Prominente vor das Gericht. Mehr noch: Im Jahr 2009 klagten die Jakobiner den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch an wegen „Diebstahls des Bistums Konstanz“ vor 200 Jahren. Den Bischofssitz erhielten die Konstanzer am Ende nicht zurück.

Doch die Verhandlung wurde ein großer Spaß. Die Anklage verlas Ernst Mühlemann, Verteidiger war der frühere SÜDKURIER-Chefredakteur Werner Schwarzwälder. Beide sind zwischenzeitlich verstorben.

Wenn das Jakobiner-Tribunal zusammenkommt, ist der Obermarkt bis auf den letzten Zentimeter besetzt.
Wenn das Jakobiner-Tribunal zusammenkommt, ist der Obermarkt bis auf den letzten Zentimeter besetzt. | Bild: Oliver Hanser

Zollitsch wirkte auf dem Obermarkt volksnah und sympathisch. Er verstand es gewieft, seinen Kopf aus der Schlinge, beziehungsweise aus der Guillotine zu ziehen.

Nicht er sei schuld, das könne Napoleon bezeugen. Aus der Neuordnung Europas des Franzosenkaisers ergebe sich nur eine Konsequenz: Der Ministerpräsident wäre der richtige Angeklagte.

Das Publikum hat sichtlich Spaß beim Jakobiner-Tribunal 2017.
Das Publikum hat sichtlich Spaß beim Jakobiner-Tribunal 2017. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Ein bemerkenswertes letztes Wort brachte IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx (2017) vor. Er packte die Jakobiner an ihrer Ehre und entkam dadurch der Höchststrafe: „Sind wir alle Brüder, oder sind wir keine, oder wollt ihr ganz Konstanz für Euch alleine?“

Jakobiner-Tribunal 2017: Angeklagter Claudius Marx und Ankläger Peter Friedrich.
Jakobiner-Tribunal 2017: Angeklagter Claudius Marx und Ankläger Peter Friedrich. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Die besten Verteidigungsstrategien

Als im vergangenen Jahr Stadtwerke-Chef Norbert Reuter angeklagt war, sprang ihm Claudia Zähringer als Verteidigerin bei: „Andere haben einen Führerschein nur und damit Schluss; der hat sogar ‚n Doktor für den Bus.“

Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadt Konstanz, wurde von den Jakobinern angeklagt. „Ich habe eine weiße Weste“, ...
Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadt Konstanz, wurde von den Jakobinern angeklagt. „Ich habe eine weiße Weste“, beteuerte er vor der Verhandlung. | Bild: Scherrer, Aurelia/SK-Archiv

Neben Seitenhieben auf Schweizer verteidigte sie die Preiserhöhung beim Narrenticket. „Für 14 Euro eine ganze Woch‘, da frage ich: Was wollt Ihr noch?“ Vielleicht eine Schorle im Bus, Humpta-Humpta und noch rauchen? Ihm blieb die Guillotine erspart.

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Wolfgang Mettler verteidigte im Jahr 2008 Christian Lorenz, Intendant der Philharmonie. Er war angeklagt, weil er laut Jakobinern erst die Hoffnung auf ein Konzerthaus in Konstanz geweckt hat und dann die Stadt der Arbeit wegen verließ.

Mettler trat als Johann Sebastian Bach auf und richtete an Ankläger Ernst Mühlemann, ein Schweizer: „Gegen Schweizer Verbalgülle ist Sächsisch eine Gesundheitspille.“ Mit musikalischem Geschick gelang es Mettler, das Publikum für sich zu gewinnen.

Die besten (und überzeugendsten) Zeugen

Im Jahr 2008 trat Christoph Nix gleich doppelt in Erscheinung: als Zeuge. Einmal steckte der echte frühere Theater-Intendant dahinter, einmal Museumsdirektor Tobias Engelsing als perfekte Kopie, die für den Angeklagten Christian Lorenz forderte: „Rübe ab. Der Rest ist Schweigen.“ Engelsing schlüpfte stets mit Bravour in unterschiedliche Rollen.

Christoph Nix spricht beim Jakobiner-Tribunal.
Christoph Nix spricht beim Jakobiner-Tribunal. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Immer wieder erheiternd ist Norbert Heizmann. Als Totengräber schimpfte er 2014 über die Todesanzeigen im SÜDKURIER: „So, wie die in der Zeitung werben, will doch keine Sau sterben. Wer ist Schuld an dem Geschmier? Der Wiesner und der SÜDKURIER.“

Norbert Heizmann ist beim Tribunal immer ein Erlebnis. Hier spricht er im vergangenen Jahr.
Norbert Heizmann ist beim Tribunal immer ein Erlebnis. Hier spricht er im vergangenen Jahr. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Jürgen „Neckes“ Greis kam 2020 als Radfahrer in den Zeugenstand. Das von Stadtwerkechef Norbert Reuter initiierte Kurzstreckenticket habe er probieren wollen, sei aber kläglich gescheitert. Denn für das Lösen benötige man ein Telefon. Seine Erkenntnis: „Ich kann Euch sage, des isch ‚n Furz, dafür isch mein Kabel doch viel zu kurz“.

Die besten Strafen im Sinne des Volkes

Das Volk liebt es, wenn ihm Strafen etwas nützen. Da sind wir wieder bei Norbert Reuter. Nachdem Richter Ekkehard Greis das Urteil gesprochen hatte, musste Reuter 400 Busfahrscheine an die Zuschauer verteilen. Hans Fetscher verteilte Oktoberfestbrezeln.

Mit lautem „Ho Narro“ und im Hemdglonker-Häs führte Oktoberfest-Wirt Hans Fetscher den Tross an. Hinter ihm die Jakobiner. ...
Mit lautem „Ho Narro“ und im Hemdglonker-Häs führte Oktoberfest-Wirt Hans Fetscher den Tross an. Hinter ihm die Jakobiner. Damit löste er 2016 den zweiten Teil seiner Strafe ein. | Bild: Scherrer, Aurelia/SK-Archiv

Rainer Wieser musste ein von den Jakobinern erstelltes SÜDKURIER-Extrablatt über seine Verurteilung unter das Volk bringen. Und Metzgerin Katharina Müller bot dem aufgebrachten Volk Würstchen zur Besänftigung an.

Die besten Verhandlungen – bisher

Hier fällt das Urteil darüber schwer: Jedes Jakobiner-Tribunal war ein Höhepunkt für sich. Ganz vorne mit dabei, weil sehr unterhaltsam, waren die Verhandlungen gegen Bettina und Graf Björn Bernadotte (2010) von der Mainau. Verteidiger Peter Friedrich sprang bei: „Lieber eine schwedische Enklave als eine schwäbische Exklave. Oettinger, Mappus und die ganze Brut, da lobe ich mir doch eher das blaue Blut“.

War auch schon dabei, im Jahr 2017: CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung. Hier als Supermann-Engel im Zeugenstand.
War auch schon dabei, im Jahr 2017: CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung. Hier als Supermann-Engel im Zeugenstand. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Nachvollziehbar für die Zuschauer waren die angeglichen Bausünden von Johannes Kumm, der ehemalige Hochbauamtsleiter war 2013 angeklagt. Rhetorisch brachten alle Beteiligten Glanzleistungen und es gab viele humorvolle Anspielungen auf lokales Geschehen.

Größte Aufmerksamkeit erregten die Verhandlungen gegen Erzbischof Robert Zollitsch und Verkehrsminister Winfried Hermann (2018). „Auf des Ländles letzter freier Strecke macht er uns jetzt zur Schnecke“, sagte Ankläger und Ex-Europaminister Peter Friedrich.

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