Herr Böhler, ist ein Leben ohne Fasnacht nicht lebenswert?
So schlimm ist es nicht (lacht). Man könnte jetzt einen Spruch von Loriot abwandeln und sagen: Ein Leben ohne Fasnacht ist sinnlos, aber möglich.
Heißt das, dass die Narrengesellschaft Niederburg mit der trotz Corona stattfindenden Fernsehfasnacht einen Sinn geben will?
Ein Stück weit vielleicht schon, denn gerade in der aktuellen Zeit ist es wichtig, positive Akzente zu setzen. Gemeinschaftlich mit der Narrengesellschaft Kamelia Paradies und dem SWR hatten wir eine hybride Sitzung und überlegt, wie eine Fernsehsendung möglich sein könnte. Die Mehrzahl des Publikums sitzt immer vor dem Fernseher und nicht im Saal. Diese Feststellung hat den Ausschlag gegeben, eine Sendung ohne Publikum aufzuzeichnen.
Wollten Sie und die Kamelia Paradies oder wollte der Sender unbedingt Fernsehfasnacht?
Es war eine Vernunftentscheidung. Fakt ist: Wir wollen niemanden einer Gefahr aussetzen. Das Medium Fernsehen bietet sich optimal an, denn es ist die sicherste Variante, an einer Veranstaltung teilnehmen zu können. Und deshalb versuchen wir, die Sendung möglich zu machen, ohne dabei irgendetwas übers Knie zu brechen.
Worauf kommt es an?
Das Wichtigste wird das Sicherheits- und Hygienekonzept sein. Mit dem SWR und den örtlichen Behörden sind wir im Gespräch. Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung ist wie immer hervorragend. Sie steht immer auf der Ermöglicherseite. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist toll, dass wir eine solche Stadtverwaltung haben.
Es ist unklar, wie die Corona-Regeln bis zur Aufzeichnung aussehen. Wie sicher ist es, dass die Sendung entsteht?
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Wenn die Arbeitsbedingungen nicht möglich sein sollten, dann wird aus dem Vorhaben nichts. Wir haben aber eine Möglichkeit gefunden, wie es unter den aktuellen Rahmenbedingungen möglich sein kann.
Wie sieht das aus?
Es wird keine Livesendung geben, wie wir es in den letzten 26 Jahren gewohnt waren. Am 22. und 23. Januar proben wir und am 24. Januar wird die Sendung aufgezeichnet. Da wir zwischen jeder Nummer lüften und die Bühne sowie Requisiten desinfizieren müssen, ist eine Livesendung schlichtweg nicht möglich.
Bleibt das Konzil Ort des Geschehens?
Natürlich bleiben wir im Oberen Konzilsaal, aber wir werden ihn optisch verkleinern. Vor der Bühne stellen wir zehn Bistrotische auf, an denen sich etwa 20 Akteure und Vereinsmitglieder positionieren, damit die Akteure Anspielpartner haben.
Warum sind Anspielpartner wichtig?
Weil nur dann Pointen und Gags wirklich funktionieren. Die Akteure sind keine Vollprofis, aber auf sehr hohem Laienniveau, die sich auf eine professionelle Bühne begeben. Sie sollen sich auf der Bühne wohlfühlen und ihren Spaß haben; ein Flow kann nur entstehen, wenn sie ein Visavis haben.
Es sind keine perfekten Comedy-Stars. Aber genau das macht den Reiz der Sendung aus. Gerade, wenn jemand mal einen Hänger hat, beweist das: Es ist handgemachte, ehrliche Fasnacht. Ein Pfund, mit dem wir wuchern können.
Hänger haben ihren Reiz. Aber werden Hänger bei einer Aufzeichnung nicht einfach rausgeschnitten?
Das ist der Punkt, den wir eigentlich nicht haben wollen. Natürlich würden wir schneiden, wenn eine Vollkatastrophe, beispielsweise ein völliges Blackout eines Akteurs, passieren würde, was in der Vergangenheit aber noch nie geschehen ist.
Unsere Planung: Zwei Tage lang wird im Konzil mit Licht und Ton und allem Drum und Dran geprobt, und am dritten Tag sollte alles in einem Rutsch aufgezeichnet werden, damit der Live-Charakter einigermaßen erhalten bleibt. Natürlich ist es auch eine Zeit- und damit verbunden eine Geldfrage, denn Geld können wir nicht unendlich ausgeben. Das heißt: Was am 24. Januar abends nicht im Kasten ist, wird nicht gesendet.
Wie reagieren die Akteure auf das ungewohnte Format?
Wir haben schon vorgefühlt. Sie wissen um das Format und überlegen sich gerade ihre Rollen dazu.
Wer wird auftreten?
Norbert Heizmann ist natürlich an Bord. Ingolf Astor und Raphael Brausch sind nach einem Jahr Pause wieder dabei. Auch Simon Schafheitle und Martin Tschaki sind mit von der Partie. Und Christopher Engler von den Fürstenberglern feiert seine Fernseh-Premiere. Barbara Mauch ist mit von der Partie und Michaela Bauer tritt als Reinigungsfachkraft auf.
Engler hat bei der Fürstenbergler-Fasnacht mit seiner Bütt Begeisterungsstürme geerntet.
Wir sind ja immer auf Talentsuche. Deshalb haben wir ja auch vor Jahren die Hall of Fame initiiert, um Bühnennachwuchs zu finden. Christopher Engler hat ebenfalls teilgenommen und uns auf ganzer Linie überzeugt. Er beweist, dass die politische Bütt Zukunft hat, denn in Versform greift er gekonnt politische Debatten um Gender und Integration auf.
Und musikalisch?
Blasmusik ist in Corona-Zeiten ein schwieriges Thema. Jürgen Waidele mit seiner Band ist dabei und wir überlegen gerade, ob wir noch drei oder vier Musiker von der Froschenkapelle dazunehmen, damit wir ein bisschen Kneipenfasnachts-Ambiente bekommen.
Es ist die Abschiedssendung von unserem Programmchef Heinz Maser, der 26 Jahre für diese Sendung tätig war. Eine beachtliche Lebensleistung, sich mehr als ein Vierteljahrhundert dermaßen ins Zeug zu legen. Und eine respektable Entscheidung, rechtzeitig die Aufgabe in jüngere Hände zu geben.
Die jüngeren Hände, das bedeutet Mario Böhler. Wie groß sind die Fußstapfen?
Es ist schon ein großes Erbe, das ich antrete, schließlich läuft die Sendung „Konstanzer Fasnacht aus dem Konzil„ seit 26 Jahren mit großem Erfolg und ist nach „Mainz bleibt Mainz„ die zweitlängst laufende Fasnachtssendung.
Aber Heinz hat mich gut eingeführt und ich weiß, dass ich zu jeder Tages- und Nachtzeit bei ihm anrufen könnte, wenn ich Hilfe brauche. Wenn seine Niederburg ruft, steht Heinz immer sofort Gewehr bei Fuß.
Wie kann man in der Zeit einer Pandemie lustig sein?
Corona wird in der Sendung nicht das überlagernde Thema, schließlich ist auch sonst viel passiert, was genügend Stoff hergibt: OB-Wahl und die Präsidentenwahl in den USA. Also ehrlich: Wenn es um den größten Clown des wichtigsten Landes der Erde geht, dann geht der Stoff nicht aus.
Ich meinte eigentlich mehr, dass der Blues der Kreativität nicht gerade dienlich ist.
Natürlich leiden auch wir unter dem Pulverturm-Entzug und dem Fehlen der persönlichen Begegnungen. Aber wenn man – wie vergangenen Samstag bei unserer hybriden Sitzung – im Gespräch bleibt, dann funkt es gleich wieder und eine Idee kommt zur anderen. Corona macht zwar vieles kaputt, aber nicht den Ursprungsgedanken unserer Fasnacht.
Jetzt muss ich an Karl Steuer denken, der den Konstanzern gerade in der Nachkriegszeit wieder das Lachen schenkte. Jetzt befinden wir uns auch in einer Krise. Ist deswegen Fasnacht wichtig, weil sie – trotz allem – Freude schenkt?
Freude schenken ist extrem wichtig. Ich finde: Humor muss entscheidender Begleiter im Leben sein, denn dann wird alles erträglicher. Auch die überparteiliche Allianz der Vereine, in der Fasnachter aller Couleur vertreten sind, zeigt deutlich, wie wichtig den Konstanzern Fasnacht und Freude ist und wie man trotzdem in dieser Zeit sein humoristisches Plätzchen finden kann.