Fasnacht ist sein Leben. Wenn Narren unterwegs sind, ist Marcus Nabholz nicht weit. Dann ist er in seinem Element. Dann taucht er ab in seine Welt.

Bild 1: „Zutiefst verwundet“: Frustrierter Konstanzer Narrenpräsident Marcus Nabholz kündigt Rücktritt nach Aschermittwoch an

Als Phantom der Oper im schwarzen Frack, als Gangster in „des Bettlers Oper“ oder einfach nur im Häs als Präsident der Narrengesellschaft Kamelia Paradies. „Leidenschaft“, umschreibt er, was die Fasnacht für ihn bedeutet. „Dann bin ich ein Kindskopf“, hat er einmal gesagt und sich damit selbst treffend charakterisiert.

Bild 2: „Zutiefst verwundet“: Frustrierter Konstanzer Narrenpräsident Marcus Nabholz kündigt Rücktritt nach Aschermittwoch an
Bild: Scherrer, Aurelia

Ertönt im Saal der Tusch, fliegt das Konfetti durch die Luft, ist das Ho Narro auf den Gassen zu vernehmen, hat das ewige Kind im stattlichen Manne das Sagen. Marcus Nabholz liebt die närrische Bühne. Die jedoch wird er nun verlassen. Einigermaßen verbittert und ziemlich frustriert.

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„Die Freude ist mir gründlich vergangen“, erklärt er. Der für ihn so ungewöhnliche Ernst in der fast schon brüchigen Stimme unterstreicht die Worte. „Das, was nach meinem Auftritt von Berlin passiert ist, war schlimm und hat mich nachdenklich gemacht. Ich will nicht mehr.“ Nach dem nächsten Aschermittwoch, wie passend, soll für ihn alles vorbei sein bei der Kamelia.

Berlin im Februar.
Berlin im Februar. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Berlin. Willi Hermann. Ja, wenn der ganze Bodensee. Damals, im Februar, schmetterte Marcus Nabholz beim traditionellen Treffen von Narren und Politikern in der Landesvertretung der Hauptstadt voller Inbrunst den ewigen Fasnacht-Gassenhauer.

Narren in Berlin Video: Bittlingmaier, Albert

So, wie er es unzählige Male schon gemacht hatte. Doch dieses Mal war alles anders, auch wenn die Menschen in der Halle freudetrunken sangen, schunkelten, klatschen oder johlten. Darunter auch der Bundestagsabgeordnete Andreas Jung, der im Rückblick bedauerte, „dass es bei mir nicht gleich ‚Klick‘ gemacht hat“.

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„Ein Fehler, der mir mittlerweile leid tut“

Videos von dem Auftritt machten im Internet die Runde. „Wir waren so euphorisch, hatten uns komplett vergessen“, versucht der Protagonist das zu erklären, was eigentlich nicht zu erklären ist. „Heute sage ich: Das war ein Fehler, der mir mittlerweile leid tut. Das war mir zu dem Zeitpunkt aber nicht bewusst. Kurze Zeit später saß ich im Flieger. Kaum war ich gelandet, hat mir meine Tochter erzählt, dass in Konstanz wegen mir die Hütte brennt.“

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2018 ergaben Recherchen von Stadtarchivar Jürgen Klöckler, dass Willi Hermann, aus dessen Feder unter anderem „Ja, wenn der ganze Bodensee„ stammt, Mitarbeiter der NSDAP und mutmaßlich an Kriegsverbrechen der Wehrmacht beteiligt war. Durch die Narrenwelt ging ein tiefer Riss, nachdem der SÜDKURIER dies veröffentlichte. Die eine Fraktion forderte ein für allemal die Streichung der Hermann-Texte, die andere sprach sich dafür aus, das Liedgut von der Nazivergangenheit Willi Hermanns zu trennen. Marcus Nabholz gehört der zweiten Fraktion an und verheimlicht das auch gar nicht erst.

Bild 4: „Zutiefst verwundet“: Frustrierter Konstanzer Narrenpräsident Marcus Nabholz kündigt Rücktritt nach Aschermittwoch an
Bild: Scherrer, Aurelia

„Ich hatte und habe viele Unterstützer“, erzählt er. „Freunde, die mir sagen: Gut so, wir lassen uns das Singen doch nicht verbieten.“ Nun jedoch kommt ein Punkt, der das Innenleben des Fasnachters gewaltig ins Wanken gebracht hat: „Niemand war bereit, mir öffentlich zuzustimmen. Immer nur Schulterklopfen im Stillen. Das hat mich zutiefst verwundet.“

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In seiner Wahrnehmung war er der einzige böse Bube. „Meine Tochter wurde beschimpft und ich als Nazi bezeichnet“, erinnert er sich. „Doch an der Fasnacht haben die Menschen in Kellern und Kneipen Willi Hermann gesungen. Unfassbar.“ Er geißelt diese Doppelmoral und möchte mit Nachdruck zum Ausdruck bringen: „Ich habe mit Nazis nichts am Hut. Für mich gehören Hermanns Lieder jedoch nach wie vor zur Kultur der Konstanzer Fasnacht.“

Und jetzt? Fasnacht in Konstanz ohne Marcus Nabholz ist wie Bodensee ohne Wasser, wie Wein ohne Keller, wie Nieder ohne Burg. „Ich werde als Privatmann weiter auf die Fasnacht gehen“, sagt er. Und wenn in einer Beiz Willi Hermann angestimmt werden sollte? „Dann kann ich nicht garantieren, dass ich nicht mitsingen werde.“

Marcus Nabholz gestern Nachmittag vor dem Vereinsheim der Kamelia Paradies.
Marcus Nabholz gestern Nachmittag vor dem Vereinsheim der Kamelia Paradies. | Bild: Schuler, Andreas