Andreas Kaltenbach muss gar nicht lange überlegen. „Freude und Arbeit in Kombination, tolle Begegnungen und viel Leidenschaft“, lautet seine Antwort auf die Frage, was ihm als erstes einfällt, wenn er an seine 23 Jahre als Zunftmeister der Blätzlebuebe denkt – so lange war vor ihm noch niemand im Amt. „Achja, mein Herz ist durch die Narretei gefestigt worden“, fügt er noch schnell hinzu.
Der 62-Jährige steht an der Theke der Zunftstube im Schnetztor und nippt an einem Kaffee. Es ist der frühe Nachmittag des 11.11. „An diesem Tag treffen wir uns sonst immer auf dem Friedhof und gedenken der Ehrenräte“, erzählt er. „Für die traditionellen Zünfte geht die richtige Fasnacht erst am 6. Januar los, nicht am 11.11.“
Doch daraus wird dieses Mal nichts – die großen Veranstaltungen fallen Corona zum Opfer. „Was für ein wahnsinniger Zufall“, sagt Andreas Kaltenbach und schüttelt ungläubig den Kopf. „Ich fing 1991 an und was war? Die Fasnacht fiel aus. Jetzt höre ich auf und was passiert? Die Fasnacht fällt aus.“
Damals Golfkrieg, heute Pandemie
Damals, 1991, als der gebürtige Konstanzer zum Narrenrat ernannt wurde, war es der Golfkrieg. Nun ist es die Pandemie. „Es nützt alles nichts“, sagt er und bewegt den Löffel in seinem Getränk hin und her. „Wir müssen uns an die Maßnahmen halten. Nur so hat der Spuk hoffentlich bald ein Ende.“ Ein ganz klein wenig Fasnacht mit Vernunft und Abstand, so viel verrät er allerdings, werde es aber schon geben im neuen Jahr.
Der Versicherungsfachmann übernahm die Rolle des Zunftmeisters 1998. „Es hat sich so ergeben, ich wurde damals gefragt“, blickt er zurück. „Ich habe das Amt immer mit Ehre und Respekt ausgeübt und hatte und habe ein starkes Team, ohne das es nicht geht.“
Mehrmals wählt er den lateinischen Begriff primus inter pares – Erster unter Gleichen. „So wollte ich immer wirken und sein“, erklärt Andreas Kaltenbach. „Ich bin ja kein Alleinherrscher und wenn ich zu euphorisch und zu stürmisch bin, werde ich glücklicherweise auch mal vom Rat ausgebremst.“ Er selbst bezeichnet sich offenbar aus gutem Grunde als Demokrat.
Als einen seiner größten Erfolge bezeichnet er die Tatsache, dass mit Justyna Neuhaus und Anja Fuchs erstmals weibliche Narrenräte bei den Blätzlebuebe zu finden sind.
Wie sehr er als Zunftmeister unter Beobachtung steht, musste er 2012 lernen. Als er im unmittelbaren Vorfeld des großen Narrentreffens, das von seiner Zunft organisiert wurde, nach seinem Befinden gefragt wurde, wählte er diesen Vergleich: „Wir Blätzlebuebe sind nun der FC Bayern der Narrengesellschaften.“
Er polarisiert gerne – wie der FC Bayern
Mit diesem flapsigen Spruch wollte er seinen Stolz über die Leistung der Zunft zum Ausdruck bringen. „Wenn ich vom VfB Stuttgart gesprochen hätte, hätte niemand verstanden, was ich damit sagen wollte“, erzählt er im Rückblick. „Ich weiß ja, dass der FC Bayern polarisiert. Das wollte ich ja auch.“ Heute kann er darüber schmunzeln, damals wurde ihm der Spruch von nicht wenigen krumm genommen und als überheblich ausgelegt. Wie hat Karle Steuer doch dereinst gesagt? „Es gibt nichts Ernsteres als die Fasnacht.“
Immerhin: Die Kamelia-Paradies nahm es mit Humor und schrieb in ihrem Jahresbericht: „Wie schaffe ich es ohne medizinische Eingriffe den FC Bayern zu deklassieren? Ganz einfach: Man packe närrische Allmachtsfantasien in einen überdimensionalen Open-Air Kickerkasten, trete auf als das United Paradies und schicke die Blätzlebuebe erst mal ins Trainingslager. Ein klares 4:0 am Schmotzige Dunnschtig nachmittags für die Kamelia Paradies.“

Der Nachfolger des Andreas Kaltenbach steht auch schon fest: Narrenrat Roland Scherer ist ab Aschermittwoch neuer Zunftmeister. „Ich werde versuchen, den Weg weiter zu gehen“, sagt er. „Wir wollen die Straßenfasnacht immer weiter entwickeln und gemeinsam mit den anderen Narrengesellschaften feiern.“