Als der letzte Ton verklungen ist, hält es keinen der knapp 600 Gäste im Saal noch auf seinem oder ihrem Platz. Die närrische Versammlung erhebt sich und bejubelt den Reichenauer Männerchor. Zuvor haben die Besucher der SWR-Fernsehfasnacht einen Höhepunkt in der langen Geschichte der Sendung aus dem Konstanzer Konzil erlebt.
Erst doziert Marcus Günther in bierernster Miene über die allgegenwärtigen Fasnachts-Ballermann-Hits und analysiert deren Strophen. Schon das ist einer der besten Texte, die man je auf dieser Bühne gehört hat. Und dann singen die sechs Männer vom Reichenauer Männerchor diese Lieder perfekt a cappella. Es ist eine Sternstunde. In unserem Newsticker können Sie die Fasnacht 2023 live mitverfolgen.

Vier Stunden – so lange ging die Sendung bisher nur selten
Doch es ist eben auch kein einsamer, großer Moment in diesem vierstündigen Programm. Von 20.15 Uhr bis nach Mitternacht einen Spannungsbogen hochzuhalten, geht nur mit harter Arbeit und guten Ideen. So ist es eine der längsten Fernsehfasnachten und eine mit den wenigsten Momenten, die man als langwierig empfinden könnte. Es wirkt fast, als wolle sich nach zwei Jahren im Corona-Notbetrieb wieder etwas Bahn brechen.
Dieses Etwas, das ist der Wunsch nach Gemeinschaft. Ein voller Saal, eine Schunkelrunde, ein prächtiges Abschluss-Bühnenbild mit all den engagierten Akteuren. Fernsehfasnacht 2023, das ist aber sicher auch der Wunsch, sich einen Abend einfach mal wieder unbeschwert amüsieren zu können. Und all das lösen die vier Stunden im Konzil ein. Beim Hinausgehen lächeln die Menschen. Sie haben ein Programm erlebt, das im Saal schnell zündete. Bubi Kreuz als Däschlejäger mit einem irren Text meistert die schwierige Einstiegsnummer und bringt den Saal in Schwung, als er über das „Däschperletheater“ und die „Daschmaschine“ sinniert.
Lara Stross, eine Neuentdeckung, gibt mit Courage und Talent generationskonform die Influencerin und spielt geschickt mit dem Altersunterschied zwischen ihr und den meisten im Publikum, bevor Norbert Heizmann als Bademeister am Hörnle mit Text, Darbietung und Musik einen ersten Höhepunkt setzt.
Adam, Eva und eine Bäuerin auf Männer-Suche
Aus früheren Sendungen kannte man sie als Kanzlerinnen-Double, nun steht Marianna Schätzle aus Hilzingen als Bäuerin auf Mann-Suche da, mal feinsinniger und mal robuster im Humor und einigen Pointen. Zum Beispiel der: „Blind Date, das ist wie Schrottwichteln“. Martin Tschaki und Simon Schafheitle als schmächtiger Adam und wuchtige Eva holen die Politik in ihr Feigenblatt-Paradies.
Da macht Hans Leib als Hausmeister vom Rathaus gleich weiter, der über die Bundespolitik genauso wie über den Gemeinderat grantelt, der „Geld, das ihm nicht gehört, für Sachen ausgibt, von denen er keine Ahnung hat.“ Oberbürgermeister Uli Burchardt am vordersten Platz des besten Tisches erträgt es lächelnd. Er weiß, wer hier nicht durch den Kakao gezogen wird, hat wirklich ein Problem.
Ingolf Astor und Raphael Brausch als gestrandete Wassersportler berichten, dass die Grünen aus Energiespargründen Baden-Baden nun in Duschen-Duschen umbenennen wollen und schlagen vor, man könne in Zeiten des Genderns sein Kind doch prima Ariel nennen, dann kann es sich immer noch entscheiden, Mann, Frau, Meerjungfrau oder Waschmittel werden zu wollen
.Die Fischerin vom Bodensee ganz nachdenklich
Pointentusch, Gelächter und weiter geht‘s im flotten Programm. Christiana Gondorf als Fischerin vom Bodensee hat eine feinsinnigere Botschaft und appelliert (nicht nur an die Frauen): „Wir sind alle gut genug“, ein schöner, warmherziger Moment.

Janis Zimmermann, auch einer der vielen jungen Akteure, reist in die Kinderzeit zurück und zerlegt die bekannten Märchen, bevor Dominik Werner in einem tollen Lied darüber sinniert, dass früher alles besser war – oder vielleicht auch nicht. Es ist nur einer von vielen Beiträgen, die auch musikalisch klasse sind.
Die Froschenkapelle aus Radolfzell zeigt sich in Topform mit ihrem immer gut gelaunten und zugleich präzise führenden Bandleader Tobias Franz. Gekonnt und gut einstudiert sind an diesem Abend auch die Choreographien der Grundel-Garde und der Imperia-Jazzys.
Der SWR kann sich auch selbst auf den Arm nehmen
Und schließlich: Beim Öffentlich-rechtlichen Rundfunk versteht man Humor, sogar wenn es mit sanftem, aber durchaus treffendem Spott gegen den eigenen Laden geht. Nicole Paul, Anja Uhlemann und Monika Schönegg parodieren die stundenlangen Übertragungen von Fasnachtsumzügen mitsamt gelehrigen Beiträgen von Brauchtumsprofessor Werner Mezger aufs Schönste. Und als Rausschmeißer kommt dann noch Jürgen „Neckes“ Greis mit seinen Ehemann-Witzen, die weder neu noch besonders geistreich sind, aber einfach so großartig erzählt, dass der Saal aus dem Lachen kaum herauskommt.
Kurz nach Mitternacht kommen sie dann alle nochmals auf die Bühne, und Moderator Rainer Vollmer spricht wohl zumindest allen Saalgästen aus der Seele, als er sagt: Wie schön, dass wir diesen Abend mal wieder richtig feiern konnten, und wie großartig, dass all die Akteure ihr Bestes gegeben haben. Und alle singen: „Ja der Humor, ja der Humor, der wird in Konstanz niemals untergehn“ – und Abende wie dieser sind dafür die wohl beste Garantie.