Frida Mühlhoff hat ein Problem mit der Geschichte. Die Schülerin ist 17 Jahre alt, und sowohl Diskussion als auch Entscheidung zum Ausbau der Bundesstraße 33 gingen komplett an ihr vorbei, denn da war sie noch ein Kind. So wie sie es empfindet, führt aber just diese Straße für ihr Leben direkt in die Katastrophe.

Deshalb fordern sie und ihre Mitstreiter von Fridays for Future eine Bauunterbrechung. „Es geht darum, eine überholte, jahrzehntealte Planung an die sich rasant wandelnden Rahmenbedingungen anzupassen, und das unter Beteiligung von jungen Menschen“, heißt es dazu in einer Erklärung.

Die Forderung von Fridays for Future hat Sprengkraft

Im politischen Alltagsgeschäft gleicht die Forderung dem puren Wahnwitz. Das Projekt hat ein zähes Verfahren durchlaufen – angefangen von der Entscheidungsfindung, über die verwaltungsrechtlichen Abklärungen mit all den Interessensvermittlungen bis hin zum beinharten Kampf um die Finanzierung.

Absurd erscheint die Forderung auch deshalb, weil die Bauarbeiten im vollen Gange sind und der Ausbau bereits zur Hälfte umgesetzt ist. Eine Bauunterbrechung würde das ohnehin langwierige Vorhaben nochmals in die Länge ziehen, was je nach Verlauf der angestrebten Diskussion über Anpassungen des Großprojekts letztlich in das Desaster einer Bauruine führen könnte.

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Gleichwohl beinhaltet die Forderung von Fridays for Future einige Sprengkraft – gerade weil sie sich in ihrer Argumentation bei der aktuellen Politik und ihren jüngeren Entscheidungen bedient. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene liegen inzwischen Beschlüsse zu den Klimaschutzzielen vor, die mit dem Aus- und Weiterbau der B33 nicht vereinbar sind – ganz zu schweigen vom jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts und dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz.

Zwei Perspektiven auf die Verkehrssituation

Für die Befürworter einer Bauunterbrechung stellt sich beispielsweise die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Position des Konstanzer Gemeinderats, der den Klimanotstand ausgerufen hat und bis 2035 das Ziel einer klimaneutralen Stadt anstrebt, wenn zeitgleich vor der Haustür gigantische Mengen an Beton verarbeitet werden. Deshalb regen sie die Suche nach einer Alternative für den beton-intensiven Bau weiterer Tunnel an, zumal der Anteil des Baustoffs am CO2-Ausstoß in Deutschland bei acht Prozent liegt.

Sind breitere Straßen und Mobilitätswende vereinbar?

Abgesehen von der Bilanz des Bauprojekts für das Klima befürchtet Fridays for Future die Verfestigung eingefahrener Verhaltensweisen. Denn mit dem Ausbau wird sich nach Einschätzung der Gruppe die Mobilitätswende mit Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr verzögern.

Die Klimaschützer führen dazu altbekannte Beispiele ins Feld: Die Vertaktung des Seehas inklusive nächtlicher Verbindungsangebote gehört dazu, ebenso wie die Bus-Anbindung an das Schienennetz für Menschen in ländlichen Gemeinden, ferner Ruftaxis oder Car-Sharing, und als weitere Stichworte fallen die Gäubahn und die Bodenseegürtelbahn.

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Frida Mühlhoff hat dabei kein Verständnis für eine Politik, die die Lebenssituation von jungen Menschen nicht für die in jüngster Zeit definierten Klimaschutzziele nutzt. „Solange man noch nicht Auto fahren darf, ist man flexibel“, sagt sie, „und wer Bus und Bahn nutzt und damit zufrieden ist, steigt dann erst gar nicht aufs Auto um.“

Zwei Perspektiven auf den Klimaschutz

Den Vorwurf des Unterlaufens einer in einem langen demokratischen Prozess zustande gekommenen Entscheidung kontern Jannis Krüßmann und Felix Müller übrigens mit exakt dem gleichen Argument. „Das Abkommen von Paris oder etwa die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind ebenfalls Ergebnisse von demokratischen Verfahren“, so Jannis Krüßmann.

Der 19-Jährige, der in Bonn Jura studiert, sieht hier die Überlappung zweier Verfahren, weshalb er den Baustopp zum Zweck eines Kompromisses von sich widersprechenden Beschlusslagen für eine gute Option hält.

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In der dadurch möglichen Debatte gehe es nicht um die Umsetzung eines Konzepts von Fridays for Future oder ein Dauer-Provisorium mit der Gefahr einer Bauruine; angestrebt werde „eine zukunftstaugliche B33, bei der nicht weitere hunderte Millionen Euro für ein Projekt investiert werden, das am Ende in dieser Form gar nicht mehr benötigt wird“.

Bundestagsabgeordneter hält an den B33-Plänen fest

Der Zielkonflikt zwischen der Lösung des aktuellen lokalen Verkehrsproblems und der globalen Herausforderung des Klimaschutzes ist dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung bewusst. Seine Rolle ist dabei nicht einfach: Er hat sich nach seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten für den Ausbau der B33 eingesetzt, und dass es soweit kam, ist nicht zuletzt sein Verdienst.

Andreas Jung, Fraktionsvize der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Andreas Jung, Fraktionsvize der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. | Bild: Michael Kappeler

Gleichzeitig gehört er in Partei und in Bundestagsfraktion zu den führenden Köpfen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. In einer Stellungnahme zur Forderung von Fridays for Future versucht er deshalb den Spagat: Der Ausbau müsse jetzt so wie vorgesehen zum Abschluss gebracht werden, gleichzeitig sei „klar, dass wir beim Klimaschutz schneller und konsequenter werden müssen“.