Sie wurden vermisst. Die großen gelben Herrnhuter Sterne mit ihren spitzen Zacken, die ihr weihnachtlich warmes Licht in die historischen Gassen der Niederburg scheinen ließen. Jetzt, wo Corona überstanden schien und die Gäste für den Adventsbummel in die Stadt zurückgekommen sind, hätten sie nun endlich wieder den ältesten Konstanzer Stadtteil schmücken können. Sie hätten – wenn nicht...
Sterne-Aufhängen in Eigenregie ist nicht mehr zulässig
Ja, warum nicht? Warum sah die Niederburg diesen Advent so trostlos aus wie vor 15 Jahren, als die Beleuchtung noch nicht angeschafft war? Wolfgang Starke, der sich selbst jahrelang im Verein Niederburg Vital engagierte, macht die Konstanzer Stadtverwaltung dafür verantwortlich.
Danach sei gefordert worden, dass „die Sterne mittlerweile von einem Fachunternehmen aufgehängt und an das öffentliche Netz der Stadtwerke angeschlossen werden“ müssten. Und: Die Fahrt des Hubwagens, mit dem die Sterne in teils luftiger Höhe angebracht werden müssten, müsse von einem Sicherheitsdienst überwacht werden. Starke schrieb in einem viel beachteten Leserbrief im SÜDKURIER von einer „Security, die den Verkehr regelt“.

Die Rechnung von Starke, der „die Entscheider der Stadt“ direkt dafür verantwortlich macht, dass die Niederburg ohne Weihnachtssterne bleiben musste, ist happig. 850 Euro koste nunmehr durch die Auflagen das Aufhängen eines einzelnen Sterns. Das wären für die 50 Sterne in der Niederburg über 40.000 Euro. Zehnmal so viel wie in der früheren Zeit, „als der Verein noch in Eigenregie die Sterne mit einem Budget von insgesamt 4000 Euro aufgehängt hatte“.
Auch im Team Altstadtlauf ist der Frust groß
Hört man Konstanzern zu, die sich in Vereinen ehrenamtlich engagieren und etwas für die Gemeinschaft tun wollen, scheinen die Sterne aus der Niederburg kein Einzelfall zu sein. Auch die Organisatoren des Altstadtlaufs, vor Corona einer der beliebtesten Breitensport-Veranstaltungen im Süden des Landes, fühlen sich nicht gut unterstützt. Im Oktober 2022 war die Pandemie kein Hinderungsgrund für das beliebte Ereignis mehr, dafür aber die um sich greifende Regelungswut.

Als die Idee aufkam, den Altstadtlauf pragmatisch auf die Laube zu verlegen, sei ein neues Sicherheitskonzept inklusive teuren Terror-Abwehr-Pollern gefordert worden. So jedenfalls sagte es Gerhard Schreiner, stellvertretender Vorsitzender des Turnvereins Konstanz (TVK).
Nun ist der Lauf wohl erst einmal ganz gestorben. „Uns fehlen die Planungssicherheit und die Unterstützung durch die Stadt und die MTK“, sagt Michael Scherer, Leiter des Organisationsteams Altstadtlauf beim TVK. MTK steht für Marketing und Tourismus Konstanz GmbH, die Nachfolgeorganisation des Stadtmarketings.
Auch Fasnachter, die in der Stadt das Brauchtum aufrecht erhalten wollen, sprechen von hohen bürokratischen Hürden für Aktivitäten, die es schon immer gab. Ob Auflagen der Feuerwehr, die das Verbrennen der Fasnacht fast unmöglich machten, oder Vorgaben für Umzüge: Immer wieder ist davon die Rede, die Verwaltung wolle sich vor allem absichern mache die Hürden für ehrenamtliches Engagement immer höher.
Sicherheitsbestimmungen können zur Absage führen
Aber stimmt das? Martin Schröpel, der bei der Stadtverwaltung für bürgerschaftliches Engagement zuständig ist und viel Kontakt zur Vereinen und Gruppierungen hat, räumt auf eine Anfrage des SÜDKURIER hin ein: „Die Anforderungen an freiwilliges Engagement sind durch gestiegene Sicherheitsbedürfnisse beziehungsweise Sicherheitserwartungen und die daraus resultierenden Sicherheitsbestimmungen für einzelne Veranstaltungen/Aktionen gewachsen.“

Und weiter: „Das kann innerhalb von Vereinen zur Entscheidung führen, eine Veranstaltung oder Aktion nicht durchzuführen.“ Generell könne er aber nicht feststellen, dass bürgerschaftliches Engagement dadurch zurückgeht.
Sind die Auflagen für das Aufhängen der Sterne verschärft worden? Die Stadtverwaltung weist es zurück. Die Regelungen gälten seit 2011 in unveränderter Form, teilte Sprecher Walter Rügert mit, ohne aber zu erklären, ob die Auslegung früher womöglich viel großzügiger war.
Es seien jedenfalls „keine zusätzlichen, erschwerenden Auflagen für die effektive Anbringung der Dekorationen Mittels einer Hubarbeitsbühne in den verkehrsrechtlichen Anordnungen erteilt worden“, und statt einer Sicherheitsfirma könne auch jede verkehrskundige, volljährige Person als Warnposten eingesetzt werden. Das gelte für die Weihnachtsbeleuchtung genauso wie wie für die Fasnachtsbändel.
Bei vielen Vereinen fehlen ehrenamtliche Mitstreiter
Bei Wolfgang Starke bleibt dennoch vor allem Enttäuschung zurück. Andere Vereine wollen sich dem Stress erst gar nicht mehr aussetzen. Manchmal aber habe man auch das Gefühl, die Auflagen der Stadt würde auch als Schutzbehauptung angeführt, um die Absage einer Veranstaltung zu begründen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der Musikverein Dettingen-Wallhausen ist da ganz transparent: Um endlich wieder ein dreitägiges Bergfest in herrlicher Panoramalage über dem Überlinger See zu feiern, fehle derzeit einfach das Personal.