Die Fünf sind Allerweltstypen. Schlank, eher unauffällig gekleidet, fast alle kleiner als die Justizbeamten, von denen sie am Donnerstagmorgen, 23. Februar, in den Sitzungssaal geführt werden. Und doch halten Beobachter den Atem an, denn die jungen Syrer, die aus fünf unterschiedlichen Gefängnissen zum Landgericht Konstanz gebracht worden sind, tragen Fußfesseln und Handschellen. Wenn sie ihre schlurfenden Schritte setzen, klirrt es leise. Es klingt nach Gefahr.
Stimmt die Anklage der Staatsanwaltschaft, dann handelt es sich bei ihnen um einen Großteil jener Räuber, die zwischen dem 26. Juli und 5. August 2022 in wechselnder Besetzung die rechte Seerheinseite unsicher gemacht und einmal auch im Stadtgarten zugeschlagen haben. Angeklagt sind allerdings nur die Taten am ersten und am letzten Tag, an dem die Täter zwischen 2.18 Uhr und 11.30 Uhr gleich fünfmal in Aktion traten – bis es der Polizei zu bunt wurde und sie mit allen verfügbaren Kräften auf die Jagd nach ihnen ging.
Angeklagt werden die klarsten Fälle
Die Beschränkung auf diese Fälle heißt aber nicht, dass die Fünf an den anderen Taten in diesem Zeitraum nicht beteiligt waren. Denn hier griff das Beschleunigungsgebot in Jugendstrafsachen mit Untersuchungshaft, wie der Leitende Konstanzer Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth erklärt: „Man klagt an, sobald man ausreichend viel hat und sicher beweisen kann – die anderen Sachen stellt man ein.“
Trotz dieses pragmatischen Ansatzes bleibt der Prozess knifflig, wie der Auftakt zeigt. Am Einlass gelten strengste Sicherheitsvorkehrungen, selbst den Gürtel muss man für die Untersuchung aus der Hose ziehen. Zeitweise wachen mehr als ein Dutzend Justizbeamte im Gerichtssaal.
Die Verlesung der Anklage ist im Besucherbereich, wo mehrere Bekannte und Angehörige der mutmaßlichen Täter sitzen, auch wegen der simultanen Übersetzung durch einen Arabisch-Dolmetscher nur schwer zu verstehen. Die Angeklagten erklären sich nicht – und dann wird die Öffentlichkeit erst einmal für mehr als eine Stunde zurück in den Wartebereich geschickt.
Grund für die Aussperrung ist ein Rechtsgespräch auf Betreiben der fünf Verteidiger. In der Beratung mit dem Jugendschöffengericht und der Staatsanwältin hinter verschlossenen Türen soll ausgelotet werden, wie sich das Verfahren auf eine Weise abkürzen lässt, mit der alle Beteiligten leben können. Um es abzukürzen: Es findet sich keine.

Geplante Raubzüge oder spontane Laune?
Zwei der Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter zwischen 17 und 19 Jahren wohnten zur Tatzeit in Konstanz. Der jüngste, der an den meisten Taten in der Anklageschrift beteiligt gewesen sein soll, war in Singen untergebracht, zwei weitere in Engen und Hilzingen.
Eine der wichtigsten Fragen in dem Prozess lautet: Verabredeten sie sich ganz bewusst zu den Raubzügen in der Kreisstadt? Oder kam es zu den Taten eher aus einer spontanen Laune heraus? Das sei für das Strafmaß von erheblicher Bedeutung, wie Gerhard Zahner, einer der Verteidiger, betont.

Zahner und seine Kollegen sind es dann auch, die schon während der Befragung des ersten Opfers für eine Unterbrechung der Verhandlung bis zum nächsten Termin am 9. März sorgen. Grund dafür: Das Foto einer Männerhand mit einem Messer, das an die Wand des Gerichtssaals geworfen wird.
Was hat es mit dem Bild auf sich?
Doch von Anfang an. Der 37-jährige, aus Mazedonien stammende Zeuge und Betroffene saß an jenem 26. Juli, einem milden Sommerabend, mit einer Frau an der Badestelle im Herosé-Park. Dort sollen ihn zwei der Angeklagten und ein dritter noch unbekannter Beteiligter mehrfach um Zigaretten angeschnorrt haben. Als er sich gegen Mitternacht allein auf den Weg machen wollte, folgten sie ihm.
Einer habe ihm von hinten den Arm um den Hals gelegt und ihn dadurch fixiert, einer ihm die Hände hinter dem Rücken festgehalten, der Dritte und Jüngste vor ihm gestanden und mit einem Messer gedroht. Weil er Angst hatte, ließ er sich nach kurzer, eher zaghafter Gegenwehr von ihnen die Umhängetasche abnehmen. Beute des Trios: etwa 420 Euro Bargeld, ein neues Mobiltelefon im Wert von 550 Euro, EC-Karte, Aufenthaltsgestattung, Führerschein, Halskette und ein Fläschchen mit geweihtem Wasser aus Mekka.
Opfer erkennt keinen der mutmaßlichen Täter
Das Opfer, das damals einen Messerschnitt an einer Hand davontrug, wird während der Befragung ebenfalls von einem Dolmetscher betreut. Der leise sprechende Mann weicht in mehreren Details von dem ab, was er kurz nach der Tat bei der Polizei ausgesagt hatte. Die Täter – ein unbekannter Vierter soll auch noch dabei gewesen sein, sich aber zurückgehalten haben – schätzt er zwischen 22 und 37 Jahre.
Der Älteste, der ihn dann am Hals gepackt habe, sei etwas kleiner und schmächtiger gewesen als die anderen und habe Türkisch mit ihm gesprochen. Außerdem sei er auf auffällige Art gelaufen. Irgendwie breitbeinig und mit einem Humpeln.

Als er sich die Angeklagten im Sitzungssaal genauer anschaut, kann er in keinem von ihnen einen der Beteiligten erkennen. „Es ist sehr schwierig“, sagt er auf Albanisch. Sein Sekundant übersetzt: „Ich habe die Personen nur einmal gesehen – und es war dunkel.“ Ein bisschen „Bier und Alkohol“ habe er an jenem Abend auch konsumiert. Wie viel, das wisse er nicht mehr, betrunken sei er jedenfalls nicht gewesen.
Und dann kommt der Schnitt mit dem Messerbild, das aus dem Handy eines der Angeklagten stammt. Verteidigerin Vera Eberz hakt ein und beantragt eine Unterbrechung, weil sie das Foto zum ersten Mal sieht. Auch einige Protokolle ausgelesener Mobilfunkdaten, mit denen sich die Standorte des Smartphone-Besitzers nachvollziehen lassen, haben die Rechtsanwälte bisher nicht erreicht, wie sich in der anschließenden Diskussion herausstellt.
„Ich halte das für einen Eingriff in die Verteidigungsrechte“, fährt Gerhard Zahner schweres Geschütz auf. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück, die Verteidiger diskutieren auf dem Flur und sind sich einig: So nicht!
Am 9. März geht die Verhandlung weiter
Das erste Opfer muss nun am 9. März noch einmal kommen, ebenso wie zwei weitere für den Auftakt geladene Beraubte. Bis dahin können sich die Verteidiger in die fehlenden Unterlagen einarbeiten.
Für Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth ist das kein Versäumnis, sondern ein Missgeschick, das in Verfahren wie diesen vorkommt. „In solchen Haftsachen reichen wir ja so schnell wie möglich Anklage ein, damit der Prozess terminiert werden kann“, erklärt er. Aber natürlich würden auch danach noch neue Ermittlungsergebnisse an das Gericht und von diesem an die Anwälte weitergegeben. Nur diese offenbar noch nicht.