„Der tut doch nur so, als ob er ein Grüner ist und ist im Kern doch ein konservativer Politiker“ – auch bei Oberbürgermeister Uli Burchardt rückt seine politische Verortung zum Ende des Wahlkampfs immer stärker in den Fokus.

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Hinzu kommen die Fragen nach seiner Leistungsbilanz nach acht Amtsjahren und die Zweifel, ob und wie er Konstanz bis 2028 eigentlich verändern will. Wir haben auch zu Uli Burchardt die am häufigsten zu hörenden Aussagen gesammelt und überprüft.

„Uli Burchardt verschleiert, dass er in Wirklichkeit ein CDU-Mann ist.“

Bild 1: Im Konstanzer OB-Wahlkampf brodelt die Frage: Wie nachhaltig agiert Uli Burchardt?
Bild: Rau, Jörg-Peter

Burchardt ist in der Tat Mitglied der CDU und steht der CDU-Kreistagsfraktion vor (Quelle 1,2). Ein seiner Wahlbroschüre taucht „CDU“ an keiner Stelle auf (3), aber auf seiner Homepage geht er auf seine Parteimitgliedschaft ein. Das Spendenkonto für Burchardts Wahlkampf wird wie vor acht Jahren (3) bei den Freien Wählern geführt und ausdrücklich nicht bei der CDU (4). 2012 erwähnte er übrigens in der Wahl-Werbebroschüre sein damaliges Engagement im CDU-Wirtschaftsrat noch ausdrücklich.

Fazit: Burchardt ist ein CDU-Mann, geht damit aber weniger transparent um als noch 2012.

„Uli Burchardt hat sich von ehrgeizigen Klimaschutzzielen verabschiedet.“

Die Pressekonferenz zum Klimanotstand in Konstanz. Auf dem Podium (von l. nach r.): Oberbürgermeister Uli Burchardt sowie Noemi ...
Die Pressekonferenz zum Klimanotstand in Konstanz. Auf dem Podium (von l. nach r.): Oberbürgermeister Uli Burchardt sowie Noemi Mundhaas, Jannis Krüßmann, Zoe Blumberg und Julian Kratzer von Friday for Future Konstanz. | Bild: Kares, Julian

Am 3. Mai 2019 war Uli Burchardt noch eng an der Seite der Aktivisten von Fridays for Future (5). Am Tag zuvor hatte Konstanz als erste Stadt in Deutschland per einstimmigem Gemeinderatsbeschluss (40 von 40 Stimmen) den Klimanotstand ausgerufen (6), auch OB Burchardt votierte damals für die Resolution, wonach jede künftige Entscheidung unter dem Vorbehalt steht, klimaverträglich zu sein. Er stand in der Folge im Zentrum eines bundesweiten Medieninteresses. So sagte er in einem Interview mit der Berliner „taz“ auf die Frage „Ist der Klimavorbehalt in Konstanz damit rechtlich verbindlich?“ wörtlich, es sei ein Fundament, hinter das „ein Gemeinderat und ich als Oberbürgermeister nicht mehr zurück will und kann. Es geht jetzt darum, diesen Anspruch mit vielen kleinen und großen Beschlüssen einzulösen.“ (7) Inzwischen ist es zum Bruch zwischen Fridays for Future und Uli Burchardt gekommen, nachdem der Gemeinderat mit einer Stimme Mehrheit gegen das Ziel gestimmt hatte, die Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen (8). Burchardt sorgte für eine Mehrheit für den Zeitpunkt 2035, den er weiter als politisches Ziel nennt (9).

Fazit: Burchardt hat im Gemeinderat gegen das ehrgeizige Klimaziel bis 2030 gestimmt und sich für die aus seiner Sicht realistischere Zielmarke 2035 entschieden. Das hat viele Klimaaktivisten enttäuscht.

„In der Amtszeit von Uli Burchardt ist Konstanz beim Thema Wohnen nicht vorangekommen.“

Luftaufnahme vom als Wohnort begehrten Stadtteil Paradies. Im Hintergrund ist der Seerhein zu erkennen.
Luftaufnahme vom als Wohnort begehrten Stadtteil Paradies. Im Hintergrund ist der Seerhein zu erkennen. | Bild: Lukas Ondreka

In seiner Wahlkampf-Broschüre von 2012 schrieb Burchardt: „Neuer Wohnraum gegen hohe Mieten“ (3) und kündigte an, unter anderem Gewerbeflächen für Wohnzwecke zu nutzen. Aber auch der Neubau von über 2500 Wohnungen, von dem Burchardt spricht, hat bis 2020 nicht dazu geführt, dass die Mieten wenigstens stabil blieben. Stillstand herrscht seit 2014 an Döbele (10), und Burchardts Idee eines neuen Stadtquartiers im Schwaketengebiet ist am Nein des Regierungspräsidiums gescheitert (11). Am Hafner, der im Handlungsprogramm Wohnen von 2014 schon eine große Rolle spielte, ist jetzt von einem Beginn der Erschließung ab 2025 die Rede. Auf der anderen Seite hat die städtische Wobak mit 500 zusätzlichen Wohnungen, fast alle von ihnen im preisgünstigen Bereich, ein überdurchschnittliches Wachstum hingelegt. Wie sich der Markt ohne die getätigten Investitionen entwickelt hätte, ist nicht zu ermitteln.

Fazit: Die Schaffung von Wohnraum für alle Schichten bleibt auch über 2020 hinaus das wohl dringlichste Ziel in Konstanz.

„Beim Verkehr hat sich in den acht Amtsjahren von Burchardt eigentlich nichts geändert.“

Der Konstanzer Bahnhofsvorplatz, mal ohne Verkehr auf der Straße.
Der Konstanzer Bahnhofsvorplatz, mal ohne Verkehr auf der Straße. | Bild: Hanser, Oliver

Der Begriff Modal Split bezeichnet die Verteilung der einzelnen Verkehrsmittel auf den Gesamtverkehr. Diese Werte werden nicht jährlich erfasst. Es gibt aber einen Vergleich von 2007 zu 2018. Danach ist im Konstanzer Binnenverkehr der Anteil des Fahrrads von 24 auf 34 Prozent gestiegen und der des motorisierten Individualverkehrs (Auto, Motorrad usw.) von 36 auf 25 Prozent gesunken (12). Von dem im November 2014 beschlossenen C-Konzept (13) für die Altstadt und einen autofreien Bahnhofsvorplatz ist bisher nur ein einziger Baustein umgesetzt, die Sanierung des Rheinsteigs (14). Fazit: Konstanz ist bei der Verkehrswende messbar vorangekommen, der Umbau der Infrastruktur hinkt dem aber noch hinterher.

„In Sachen Bodenseeforum hat Burchardt einen teuren Fehler gemacht.“

Luftaufnahme vom Konstanzer Bodenseeforum.
Luftaufnahme vom Konstanzer Bodenseeforum. | Bild: Lukas Ondreka

Bei der Entscheidung im Jahr 2014, einen Teil der Centrothem-Immobilie am Seerhein zu kaufen und für die Stadt zum Veranstaltungs- und Kongresszentrum umzubauen, stützten sich die Verwaltung und der Gemeinderat auch auf die Aussagen von Beratern (15). Die Zahlen waren zunächst sehr optimistisch, sahen aber auch noch 2016 vor, dass das Haus ab 2022 tatsächlich kostendeckend betrieben werden könne (16).

Fazit: Das Bodenseeforum als gewinnträchtiges Kongresszentrum ist gescheitert. OB Burchardt war, wie andere auch, von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die Zukunft des Kongressgeschäfts ist durch und nach Corona ungewiss.

„Uli Burchardt hat seine Versprechen bei der Bürgerbeteiligung nicht gehalten.“

In seinem Prospekt erklärte Burchardt 2012: „Bürgerbeteiligung beginnt vor der Haustür.“ Damals wollte er Ortschaftsräte und Ortsverwaltungen mit mehr Kompetenzen ausstatten und „wo immer dies möglich ist“ Bezirksbeiräte in Stadtteilen installieren. Die Bezirksbeiräte lehnte das Regierungspräsidium ab (17), dagegen wurde ein Bürgerbudget von 100.000 Euro eingeführt, das zwar nicht ausschließlich für die Teilorte ist, aber auch dort wirksam werden kann (18). In Burchardts aktueller Broschüre spielt die Bürgerbeteiligung keine zentrale Rolle.

Fazit: Burchardt hat seine Ankündigungen in den vergangenen acht Jahren teilweise umgesetzt.

„Wenn Uli Burchardt im Amt bleibt, kommt Konstanz bei den Zukunftsthemen nicht oder nur sehr langsam voran.“

Oberbürgermeister Uli Burchardt beim Bürgerempfang im Januar 2020 im Bodenseeforum.
Oberbürgermeister Uli Burchardt beim Bürgerempfang im Januar 2020 im Bodenseeforum. | Bild: Hanser, Oliver

Wohnen, Wirtschaft, Verkehr: Das war das, was Burchardt 2012 als seine drei Top-Themen benannte. Acht Jahre später herrscht fast Vollbeschäftigung (19), Wohnen und Verkehr sind dagegen als Thema nicht gelöst. Das räumt auch Burchardt selbst ein (20) und gibt zu, dass auch ihm manches zu langsam gehe. Die Kritik, dass er zu allem erst einmal ein Handlungsprogramm, einen Masterplan oder ein Zukunftskonzept aufstellen wolle (Wohnen, Handel, Verkehr, Tourismus), kann er nicht widerlegen. In seiner Wahlkampf-Broschüre 2020 bezieht er sich auf ein Stadtentwicklungsprogramm 2035 und eine „Vision Konstanz 2040“. Wenn er im Amt bleibt, muss er im Gemeinderat für seine Vorhaben kämpfen. 20 von 40 Räten unterstützen seinen Herausforderer Luigi Pantisano. Als Hausmacht hat er CDU, Freie Wähler und FDP (21), die zusammen nur über 15 Sitze verfügen.

Fazit: Burchardt muss nach einer Wiederwahl mehr denn je um breite Mehrheiten kämpfen, das kann Zeit und Mühe kosten.

Summa summarum: Das Urteil liegt nun bei den Wählern

Steht Uli Burchardt für Transparenz, hat er seine Versprechen eingehalten und kann er die Stadt in den nächsten acht Jahren weiterentwickeln? Burchardt geht mit seiner CDU-Mitgliedschaft nicht sehr offen um und betont eher, er sei der OB aller Konstanzer. Seine Versprechen hat er nur zum Teil eingehalten.

Dafür kamen neue Herausforderungen auf ihn zu: Integration von Flüchtlingen ab 2015, Nullzinspolitik mit erheblichen Auswirkungen auf den Immobilienmarkt, Corona. Außerdem gilt für einen Amtsinhaber immer, dass nicht ein Programm, sondern tatsächliches Handeln bewertet wird. Und das hängt auch von vielen Rahmenbedingungen ab, die kein Oberbürgermeister beeinflussen kann.

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Ob sein Verbleib im Amt für die Stadt gut wäre, auch diese Frage beantworten die Konstanzer am 27. September. Auch hier kommt es auf diejenigen an, die wählen – und auch diejenigen, die das nicht tun.