Fast wie auf dem Dorf und doch mitten in der Stadt: Zum Abschied von Sybille von Pufendorf-Gather kamen die Menschen aus der Konstanzer Zollernstraße in einem Hinterhof zusammen. Sie sangen Lieder, sie lasen Gedichte, sie weinten, lachten und erzählten von der ungewöhnlichen Frau, die diese Welt am Ende ihres 90. Lebensjahres verlassen hat.

Gemeinsam gaben Menschen aus der Zollernstraße eine Anzeige auf. Es heißt dort: „Mit Deiner zugewandten, aufmerksamen Art warst Du der Mittelpunkt unserer Straße. Wir tragen Dich in unserem Herzen.“ Denn Sybille von Pufendorf-Gather war mehr als die alte Dame von nebenan.
„Sie war wie ein Bindeglied“, sagt Christiane Schmidt-Neubig, die in der Straße in der Konstanzer Altstadt wohnt und dort auch als Managerin des Ladens für Designermöbel arbeitet.
Fast alle in der Straße erinnern sich an die feine Frau, die immer ein kleines Herz aus Schokolade oder einen englischen Keks in der Tasche hatte und die Naschereien freigiebig verteilte, vor allem an Kinder. „Es war eine ganz bezaubernde Dame“, sagt Nicola Furtwängler-Sander vom Laden für Kaffeespezialitäten.
Sie vergaß nie einen Namen
„Sie war unser aller Oma“, meint der Möbelhändler Bent Sörensen. Sybille von Pufendorf-Gather habe sich immer gemerkt, was man ihr erzählte, und sich für ihr Gegenüber interessiert. Sie habe nie einen Namen, ein Alter oder eine Begebenheit vergessen. Sörensen bringt es auf den Punkt: „Sie hatte mehr Terabyte als ein Computer.“
Kein Zweifel: Die frühere Mitarbeiterin im Bücherschiff war beliebt in der Zollernstraße. Dort und auf dem Wochenmarkt am Stephansplatz kannte man sie. Zuletzt war sie mit ihrem Rollator unterwegs. Die Trauerfeier ihrer Nachbarn lehnt sich an das Fest zum 90. Geburtstag an. Damals galt es, wegen der Corona-Pandemie Vorsicht walten zu lassen. Deshalb trafen sich die Menschen im Freien, um die Jubilarin mit Liedern und Gedichten hoch leben zu lassen.
Dass die Menschen aus der Zollernstraße nun erneut im Freien zusammenkamen, war nicht ungewöhnlich. Es gibt dort noch Geschäfte, die vom Inhaber selbst geführt werden, und viele offene Anwohner. Die Rundbank am Baum ist für viele ein Treffpunkt. „Hier ist schon eine besondere Gemeinschaft. Man schaut auf andere“, stellt Nicola Furtwängler-Sander fest.
Jeden Morgen ging das Licht an
Sie selbst habe jeden Morgen zum Fenster von Sybille von Pufendorf-Gather geblickt. Wenn diese das Licht anmachte, sei alles in Ordnung gewesen. Auch andere halfen der Frau, das Leben im Alter zu bewältigen. Sybille von Pufendorf-Gather liebte ihre Wohnung, und sie liebte die Zollernstraße. Sie konnte dort bis zu letzten Atemzug bleiben, im Beisein ihrer Liebsten.
„Ihre zuversichtliche Lebensart, ihre Aufmerksamkeit und Güte werden vielen in Erinnerung bleiben“, schreibt Ekkehard Faude, der Gründer des Libelle-Verlags im Schweizerischen Lengwil. Der Buchhändler kannte die Verstorbene aus dem Bücherschiff.
Faude hat sich als Herausgeber der Werke von Fritz Mühlenweg einen Namen gemacht, der in Konstanz geboren wurde und in Allensbach starb – und der zu den Lieblingsschriftstellern von Sybille von Pufendorf-Gather gehört.
Mit Freunden ist niemand verloren
Die Traueranzeige der Zollernstraßen-Bewohner im SÜDKURIER ist denn auch mit einem Zitat Mühlenwegs überschrieben: „Wer Freunde hat, ist nicht verloren, und des Unscheinbaren Kraft bewegt die Welt.“
Die offizielle Trauerfeier für Sybille von Pufendorf-Gather mit anschließender Beerdigung findet am Freitag, 27. Januar, um 11 Uhr auf dem Konstanzer Hauptfriedhof statt. Die Verstorbene hatte vor ihrem Tod den Wunsch geäußert, dass beim Blumenschmuck auf Schleifchen verzichtet werden solle.