In den vergangenen Wochen war Konstanz Tatort mehrerer Überfälle auf drei Supermärkte und einen Imbiss. Die Polizei schließt einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Vorfällen nicht aus.
Die Fälle im Überblick
- Freitag, 8. Mai, 21 Uhr: Der Netto-Markt in der Sepp-Biehler-Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener schwarzer Waffe Geld.
- Donnerstag, 14. Mai, 19.40 Uhr: Der Edeka-Markt in der Staader Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener Waffe Geld.
- Dienstag, 9. Juni, 22.45 Uhr: Der Imbiss am Zähringerplatz wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener schwarzer Waffe Geld und schießt auf der Flucht in die Luft.
- Samstag, 13. Juni, 21 Uhr: Der Lidi-Markt in der Kreuzlinger Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener, schwarzer Waffe Geld. Er schlägt dem Mitarbeiter an der Kasse mit der Waffe mehrmals gegen den Kopf.
Ähnliche Abläufe
Die jeweiligen Abläufe ähneln sich: In drei Fällen hielt der Täter eine schwarze Waffe vor, in zwei Fällen flüchtet er mit dem Fahrrad, zweimal zu Fuß. Auch die Beschreibungen stimmen zumindest in drei Fällen überein: 30 bis 40 Jahre alt, 170 bis 180 Zentimeter groß, Mütze, Handschuhe, schwarze Jacke, einmal hat er laut Zeugenaussagen einen knallroten Mund-Nasenschutz getragen.
Derzeit ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft. Johannes-Georg Roth von der Konstanzer Staatsanwaltschaft kann zum Stand der laufenden Ermittlungen nichts sagen, auch die Polizei möchte keinen Zwischenstand kommentieren. „Sie können uns glauben: Wir ermitteln und unternehmen viel. Aber aus taktischen Gründen wollen wir das nicht bekannt geben“, sagt Tatjana Deggelmann von der Pressestelle und bittet die Öffentlichkeit um Verständnis.
„Direkte und unmittelbare Hilfe“
Die Discounter und Supermärkte versichern, dass sie ihre Mitarbeiter nach solchen Vorkommnissen nicht allein lassen. Melanie Pöter von der Lidl-Pressestelle schreibt auf SÜDKURIER-Anfrage: „Sollte es zu einem Überfall kommen, erhalten die betroffenen Mitarbeiter direkt und unmittelbar durch ihren Verkaufsleiter und unseren Personalbetreuer, den Beauftragten für Mitarbeiter und Soziales, jegliche Unterstützung und Hilfe.“
„Betreuung nach einem Überfall ist selbstverständlich“
Beispielsweise würde das Unternehmen eine psychologische Betreuung über die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik anbieten. „Bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess berücksichtigen wir Arbeitszeit- und Arbeitsortwünsche“, so Melanie Pöter. „Eine persönliche Nachbetreuung der Mitarbeiter ist für uns selbstverständlich und wird durch unsere Beauftragten für Mitarbeiter und Soziales gewährleistet.“
Edeka ist da schon deutlich weniger auskunftsfreudig. Christhard Deutscher von der Unternehmenskommunikation schreibt lediglich: „Betroffene Mitarbeiter erhalten bei Bedarf natürlich Unterstützung. Wir bitten Sie aber um Verständnis, dass wir aus Sicherheitsgründen grundsätzlich keine Angaben zu Präventionsmaßnahmen oder etwaigen Schulungen zum Verhalten im Ernstfall machen können.“
Melanie Pöter von der Lidl-Pressestelle erklärt, wie die Mitarbeiter des Unternehmens auf eventuelle Zwischenfälle vorbereitet werden: „Wir setzen vielfältige Maßnahmen zur Überfallprävention und -aufklärung um: Wir schulen zum Beispiel unsere Filialmitarbeiter regelmäßig zum ‚Verhalten bei Überfällen‚ sowie zu Präventivmaßnahmen wie Sicherheit in der Filiale, Kasse, Nebenräume etc. Auch für unsere Führungskräfte finden dazu Schulungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Polizei und der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution statt.“
Maulkorb vom Unternehmen – Mitarbeiter sprechen trotzdem anonym
Mitarbeiter der Supermarkt-Ketten vor Ort dürfen in der Öffentlichkeit nicht sprechen. Viele bestätigen, dass sie vom Unternehmen einen Maulkorb erhalten haben – nicht erst seit den Überfällen, es ist grundsätzliche Politik der Unternehmen. Wer trotzdem in die Öffentlichkeit geht, riskiert laut mehrerer Aussagen eine fristlose Kündigung.
Zwei Mitarbeiter von Konstanzer Supermärkten haben trotzdem mit dem SÜDKURIER gesprochen – unter der Voraussetzung, dass sie aus Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes namentlich nicht genannt werden. „Man kann sich auf solche Situationen nicht vorbereiten“, sagt einer der beiden im Gespräch mit der Redaktion. „Wenn du plötzlich eine Pistole vor dem Gesicht hast, ist das ein Ausnahmezustand. Darauf kann man sich nicht einstellen. Das ist der Alptraum.“
„Keine Zeit, sich mit den Überfällen zu beschäftigen“
Die oben beschriebene Unterstützung durch den Arbeitgeber sei nicht wirklich auszumachen, behauptet der zweite Mitarbeiter, der mit dem SÜDKURIER sprach. „Es gab bei uns in den Lebensmittelgeschäften in den vergangenen Wochen nur die Themen Corona und Grenzöffnung zur Schweiz und, wie wir das am besten umsetzen. Da war keine Zeit, sich mit Überfällen auseinanderzusetzen.“
Der Alltag sei sofort danach wieder eingekehrt. Innerhalb der Belegschaft seien die Überfälle auch kein Thema mehr. „Wir reden nicht darüber. Jeder hofft nur, dass ihm das während seiner Arbeitszeit nicht passiert.“ Manche Kollegen hätten Angst, er jedoch nicht. „Passieren kann dir überall irgendetwas. Damit sollte man sich nicht beschäftigen. Das Leben geht weiter.“
Für Hinweise sowie Zeugenaussagen zu den oben genannten Fällen nehmen Sie bitte Kontakt zur Polizei auf: (07531) 995-0.