Umrahmt von Straßen im Stadtteil Paradies nahe dem Palmenhaus liegt ein tonnenschwerer Findling. Lediglich zwei am Stein angebrachte Tafeln mit dem Namen der beiden böhmischen Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag sowie ein weiterer, mittlerweile schier unlesbarer Schriftstein verweisen darauf, dass es sich um einen Gedenkstein handeln muss.
Dürftig, findet der Konstanzer Alexander Gebauer. „Leute, die hier vorbeikommen, wissen gar nicht, dass dies ein besonderer Ort ist“, schildert er, wohlwissend, dass auch Pilger aus Tschechien sich vorab genau informieren müssen, um den für sie besonders wichtigen Ort zu finden.

Tut sich Konstanz vielleicht schwer mit dem Umgang des nicht gerade rühmlichen historischen Ereignisses? Alexander Gebauer jedenfalls ist „erschüttert“, wenn er Geschichtsbücher und Aufsätze über das Konzil, das von 1414 bis 1418 in Konstanz stattgefunden hatte, liest.
Jan Hus starb auf dem Scheiterhaufen
Der böhmische Reformator Johannes Hus, Gegner des Ablasshandels und Repräsentant des radikalen Reformklerus, wurde nach Konstanz berufen, um seine Ansichten vor dem Konzil darzustellen. König Sigismund sicherte Hus freies Geleit zu. Am 3. November 1414 kam Jan Hus nach Konstanz und bereits am 28. November wurde er verhaftet. Er wurde angehalten, seine Lehren zu widerrufen, was er nicht tat, sondern zu seinen Überzeugungen stand.
Am 6. Juli 1415 wurde er von der Vollversammlung des Konzils verurteilt und noch am selben Tag vor den Stadtmauern – mutmaßlich an jenem Ort, wo sich heute der Hussenstein befindet – mitsamt seinen Schriften auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das gleiche Schicksal ereilte Hieronymus von Prag am 13. Mai 1416. In der Chronik von Ulrich von Richental wird die Verbrennung von Jan Hus recht detailliert beschrieben.
„Ich finde es wahnsinnig erschütternd, wie es dargestellt wird“, sagt Alexander Gebauer. Er ist von der Person Jan Hus, den er als „Schlüsselfigur der sozialreligiösen Bewegung“ bezeichnet, fasziniert. Die Hussiten in Böhmen hätten schließlich nicht nur gefordert, sondern die Säkularisation des Kirchenguts praktiziert und nicht auf Lateinisch, sondern in der Landessprache gepredigt.
Gebauer kommt auf eine weitere, tiefe Bedeutung zu sprechen: „Das Feuer zerstörte zwar den Körper von Hus, nicht aber die hussitische Lehre. Auch die Kirchenspaltung wurde dadurch nicht verhindert. Die Theorien wirken bis heute fort.“
Was in Konstanz geschehen sei, „ist für Europa ein Fundamental-Ereignis“, wertet Alexander Gebauer. Die Vita von Hus, aber vor allem wie Machthabende mit unliebsamen Stimmen umgehen und Menschen „unter grauseligsten Umständen“ umbringen, stimmt Gebauer sehr nachdenklich, denn: „Das passiert heute noch.“
Der Hussenstein wurde 1862 eingeweiht
„Der Ort wird zum Glück gepflegt“, richtet Alexander Gebauer seinen Blick auf den Hussenstein an der Kreuzung Zum Hussenstein, Alter Graben und Döbelestraße. Die Errichtung eines Denkmals zu Ehren der beiden böhmischen Reformatoren wurde im 19. Jahrhundert kontrovers diskutiert. Letztlich wurde jedoch am 6. Oktober 1862 der etwa 35 Tonnen schwere Findling als Denkmal an der mutmaßlichen Hinrichtungsstelle eingeweiht.

Was Alexander Gebauer aber moniert, ist das Fehlen einer Informationstafel, welche auf die beiden Reformatoren, deren Wirken verweist, das weit über ihr eigenes Leben hinausging, denn „es ist kein Ort wie jeder andere“, so Gebauer. „Hier sollte man einen Moment innehalten, darüber nachdenken, was geschehen ist und was das für uns heute zu bedeuten hat, denn auch wir stehen vor einer Zeitenwende.“
Da sieht er die Stadt Konstanz als Eigentümerin des Denkmals und des Grundstücks in der Pflicht, eine entsprechende, wissenschaftlich fundierte Informationstafel zu erstellen und zu errichten. Alexander Gebauer hat vor, sich in Kürze diesbezüglich mit der Stadtverwaltung in Verbindung zu setzen.