Konstanz ist anders – auch in der Politik. Während bundesweit die Ampel-Parteien abgestraft werden, ist auch im neuen Gemeinderat an der Vormachtstellung der Grünen in der Universitätsstadt nicht zu rütteln, die SPD gewinnt und die FDP ist fest im Sattel. Die AfD tritt erst gar nicht an, und die Linke Liste behauptet sich wacker.

Das zeigt einerseits, dass es in der Kommunalpolitik eben doch mehr um Personen als um Programme geht – siehe der spektakuläre Einzug der bekannten, aber bisher politisch wenig aktiven Metzgerei-Inhaberin Katharina Müller.

Und andererseits, dass Parteien eine umso geringere Rolle spielen, je konkreter Politik wird. Ein Kindergarten, sagt man, ist ja nicht rot, schwarz oder grün – sondern er ist da oder er ist nicht da, und es ist genügend Personal dafür gefunden worden oder eben nicht.

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Stimmen wandern von den Grünen zur bürgerlichen Mitte

Dennoch lässt das Wahlergebnis aufhorchen. Der Zusammenschluss von Freier Grüner Liste und Bündnis90/Grüne hat nicht geholfen – drei Mandate hat die bisher weitaus größte Fraktion eingebüßt, was einem Verlust von fast 85.000 Wählerstimmen gleichkommt. Ob das mit der engeren Anbindung an die Partei zu tun hat oder einer generellen Abkehr von grünen Kernthemen, ist schwer auszumachen.

Fest steht aber, dass zwei der drei Sitze zu CDU und Freien Wählern, also in Richtung bürgerliche Mitte gewandert sind. Auch der bemerkenswerte Zugewinn der SPD zeigt, dass die Konstanzer auf Beständigkeit und Berechenbarkeit setzen.

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So hat sich die überwiegende Mehrheit der Wählerinnen und Wähler auch in aller Deutlichkeit dagegen entscheiden, Bündnis KN Kommt nach seinen irritierenden Auftritten im Wahlkampf politische Verantwortung anzuvertrauen. Die Fliehkräfte an diesem Rand der Gesellschaft sind damit im Konstanzer Gemeinderat zunächst nicht angekommen.

Dennoch wird im und mit dem neuen Gemeinderat einiges anders. Fast ein Drittel aller neuen Stadträtinnen und Stadträte sind neu dabei, zwei kehren zurück. Einige, die sich bisher im Rat engagiert haben, wurden abgewählt – mit Peter Müller-Neff und Till Seiler (FGL), Verena Vögt, Matthias Schäfer und Christine Finke (JFK), Alfred Reichle und Tanja Rebmann (SPD) sowie etlichen nicht mehr angetretenen Stadträten geht einiges an Erfahrung und Kompetenz verloren.

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Manche Fraktionen haben die Wähler ziemlich durchgemischt, so sind beim Jungen Forum drei von vier Stadträten neu dabei. Da ist zumindest einiger frischer Wind zu erwarten, denn auch bei den Grünen vollzieht sich ein Generationenwechsel. Das muss kein Nachteil sein: Ein unverstellter Blick kann helfen, neue Perspektiven zu finden.

Der neue Rat muss schnell ins Handeln kommen

Auf der anderen Seite wird der neue Gemeinderat schnell ins Handeln kommen müssen, denn bei den Stadt-Finanzen braucht es eine Neuordnung bis hin zu einer harten und verbindlichen Prioritätensetzung. Auch andere Themen wie Wohnungsbau, Klimaschutz und Wirtschaftsförderung dulden keinen Aufschub.

Für viele Themen wird der Vorsitzende des Gemeinderats, Oberbürgermeister Uli Burchardt, in diesem Rat intensiv nach Mehrheiten suchen müssen – und das in einer Legislaturperiode, die auch von Wahlkämpfen geprägt sein wird: 2025 Bundestag, 2026 Landtag und 2028 dann auch noch die OB-Wahl. Ob Konstanz auch diesen Zeiten sein Anderssein bewahrt und sich einen eigenen Weg zutraut, wird sich erst noch zeigen.