Es war wieder voll zwischen den Jahren. Volle Fußgängerzone, volle Läden, ausgebuchte Restaurants, Hotelzimmer allenfalls zu Mondpreisen. Als lebendiger, pulsierender Handels- und Tourismusstandort hat sich Konstanz präsentiert, was nicht allen gefällt, aber doch ein Segen für dieses Gemeinwesen ist. Konstanz erzielt Wachstum in einem Bereich, in dem die Marktanteile so hart umkämpft sind wie sonst kaum irgendwo. Tourismus-Destinationen stehen im knallharten Wettbewerb, der Online-Handel bringt – man muss es so deutlich sagen – unsere Innenstädte in Existenzgefahr. So weit, so gut.
Leider ist es allerdings aber auch so, dass Handel und Tourismus das wirtschaftliche Profil oder zumindest die Außenwirkung dieser Stadt weitgehend prägen. Trotz aller Bemühungen um Vernetzung in guten Initiativen wie Solarlago, Cyberlago oder Biolago würde wohl kaum jemandem als erstes Solarzellen, Software-Schmieden oder Pharma-Forschung einfallen, wenn der Name Konstanz fällt. Das ist umso trauriger, als Konstanz in all diesen Branchen mit Sunways und Centrotech, AEG, CGK oder Altana schon mal in einer hohen Liga gespielt hat. Vom einstigen industriellen Kern der Stadt mit Textil (Stromeyer), Maschinenbau (Rieter-Werke), Chemie (Degussa) ganz zu schweigen.
So steht die Stadt als Wirtschaftsstandort auf dünnerem Eis, als es die vollen Fußgängerzonen glauben machen. Gott sei Dank hat sie noch gute Unternehmen auf ihrer Gemarkung, die Arbeitsplätze bieten und damit ganze Familien ernähren und oft voller Vertrauen in den Standort und ihre Marktposition sogar neue schaffen. Sie zahlen Gewerbesteuer und tragen den Ruf der Stadt in die Welt hinaus, ob mit Prüfeinrichtungen für Schaltkreise wie die Firma Ingun, mit den besten Gepäcksortiermaschinen für Flughäfen wie Siemens, Paketverteilzentren wie Körber, Software-Lösungen wie Seitenbau oder – das sei an dieser Stelle erlaubt – innovativen journalistischen Angeboten wie dem SÜDKURIER. Doch für all diese Akteure ist der Erfolg alles andere als garantiert.
Strategie für eine Antwort
Wenn die Welt ernst macht mit dem Klimaschutz, muss weniger geflogen werden, das wird auch Siemens merken. Wenn Kommunen sparen müssen, wird das Seitenbau spüren, wo Städte wichtige Auftraggeber sind. Von den Fährnissen für den Handel rund um das Thema Frankenkurs und Steuerregelungen ganz abgesehen. Die Gastronomie dürfte unter Druck kommen, wenn nach der Mehrwertsteuer-Erhöhung so manches Hauptgericht in Konstanz über die 30-Euro-Marke klettert. All diese Randbedingungen kann Konstanz nicht beeinflussen, aber die Stadt kann eine Strategie entwickeln, wie sie darauf antworten möchte. Viel davon zu sehen ist noch nicht.
Eine Folge auch viel länger zurückliegender Fehl- und Nicht-Entscheidungen ist, dass Konstanz eine arme Stadt ist. Amtlich so klassifiziert. Die Stadt kann sich ihr breites Angebot an die Bürger nur leisten, weil andere Städte im Land ihren Wohlstand teilen. Mit Gewerbesteuer-Einnahmen von etwas über 50 Millionen Euro im Jahr 2023 ist Konstanz ähnlich unterwegs wie die nur halb so großen Städte Singen und Tuttlingen. Die Universitätsstädte Tübingen (93.000 Einwohner) und Ulm (129.000 Einwohner) rechnen laut „Schwäbischem Tagblatt“ und „Südwest-Presse“ beide mit etwa 100 Millionen Euro. Im Vergleich mit Heilbronn oder Reutlingen sieht Konstanz auch nicht besser aus.
Was müsste also passieren, dass Konstanz als Wirtschaftsstandort vorankommt? Die Hoffnung auf Start-Ups aus dem Umfeld der Hochschulen, so wichtig sie sind und so groß die Verheißung ist, kann es allein nicht sein. Die Ausweisung von riesigen Gewerbeflächen nach dem Muster von Singen scheidet ebenfalls aus, wenn die Stadt noch nicht einmal in der Lage ist, ein Zukunftsbild für den Flugplatz zu finden. Noch mehr Parkplätze für noch mehr Touristen werden das Problem auch nicht lösen. Nein, Konstanz müsste sich erst einmal klar werden, was es sein will, und das dann mit allen Akteuren verhandeln – den ansässigen Firmen, der Politik, den Bürgern, den Interessenverbänden.
Doch wie wichtig ist Konstanz das?
In der Verwaltung ist nicht durchgehend Blutdruck für das Thema Wirtschaftsstandort zu spüren, wenn man sich die Prioritätensetzung so ansieht. Im Gemeinderat sind viele der gewählten Volksvertreter vom Wirtschaftsleben abgekoppelt, weil sie auf öffentlich finanzierten Arbeitsplätzen ihr Einkommen unabhängig von Konjunktur und Wachstumsdynamiken erhalten. Auch aus der Wirtschaft selbst sind nur selten starke Signale zu hören, vielleicht auch aus einer gewissen Resignation heraus. Wie anders ist das in Singen, wo gefühlt eine ganze Stadt als Team Lobbyarbeit für ihre Strahlkraft, ihre Prosperität und damit ihre Zukunft macht!
Das wäre doch mal ein Neujahrsvorsatz: Konstanz wird ein wahrhaft wirtschaftsfreundlicher Standort. Eine Stadt, in der das Wort Investor nicht von vornherein einen negativen Beigeschmack hat. Eine Stadt, in der man sich für wirtschaftlichen Erfolg nicht rechtfertigen muss. Eine Stadt, die Unternehmen als Keimzelle des Wohlstandes sieht und ihnen dafür dankt, das sie Zehntausenden Menschen eine Existenz geben. Eine Stadt, die stolz ist auf ihre großen und kleinen Firmen, und deren Verwaltung ihnen im Zweifelsfall immer entgegenzukommen versucht, statt auf ihre Kosten Regeln durchzusetzen. Eine Stadt auch, die gut über sich redet und Oberzentrum nicht nur bei der Kultur sein will. Und schließlich eine Stadt, die Marktwirtschaft, Gewinn- und Wachstumsstreben im Kern erst einmal gut findet.
Kann das gelingen? Es kann ja jede und jeder selbst mal darüber nachdenken, wie er oder sie das so sieht. Und was er oder sie zu der Aufzählung im vorigen Absatz beitragen könnte.