4,23 Euro statt bisher 3,40 Euro für einen Pappbecher mit zwei Kugeln in Konstanz hergestelltem Eis und einem Löffelchen? 30 Prozent mehr für ein Fleischkäsbrötle? Und das Fabrik-Eis in der Plastikverpackung gibt‘s ohne Aufschlag? Mit drastischen Szenarien und Vergleichen versuchen die bürgerlichen Kräfte im Konstanzer Gemeinderat – CDU, Freie Wähler und FDP – die umstrittene Verpackungssteuer in letzter Minute doch noch zu kippen. Denn eigentlich soll sie zum 1. Januar in Kraft treten.
Gegner befürchten Bürokratiemonster ohne messbaren Effekt
Für Achim Schächtle von der FDP ist die Verpackungssteuer ein „Verwaltungsmonster“ ohne messbaren Effekt. In Tübingen habe sich das Müllaufkommen seit Einführung der Abgabe nicht verringert, und auf die Betriebe komme ein riesiger Bürokratieaufwand dazu. Und Manfred Hölzl (CDU) unterstellt, dem Gemeinderat gehe es mehr ums Prinzip als um eine wirkliche Lösung für das unbestrittene Müllproblem: Die Steuer sei „in Details unsinnig, aber das will man hier nicht sehen“. So ergebe es keinen Sinn, eine Papiertüte für einen warmen Inhalt wie einen Burger zu besteuern, eine ähnliche Tüte für einen kalten Inhalt wie ein einfaches Brötchen davon auszunehmen.
CDU-Stadtrat Roger Tscheulin teilt nach eigenem Bekunden das Ziel der Müllvermeidung, ist aber „der Überzeugung, dass die Steuer nicht steuert, sondern unter dem Strich nur für einen erheblichen Aufwand sorgt, der nicht gerechtfertigt ist“. Und Susanne Heiß von den Freien Wählern findet, dass mehr Klimaschutz im Bereich Ernährung und Konsum wichtig sei, aber die Bürger bei ihrem eigenen Verhalten im Privaten anfangen müssten und nicht von der Stadt erzogen werden sollten.
OB: Konstanz-Touristen werden das cool finden
Oberbürgermeister Uli Burchardt reagiert auf die neuerliche Debatte mit einem gewissen Verständnis. „Wir wissen, dass wir die Betriebe vor schwierige Aufgabe stellen“, sagt er und verspricht, dass die Verwaltung an Lösungen und Kompromissen mitarbeite. Konstanz sieht er bei der Verpackungssteuer in einer Vorreiterrolle: „In welcher Stadt in Deutschland sollte das gehen, wenn nicht in Konstanz“, meint er und fordert: „Wir könnten und sollten einen Schritt vorausgehen“. Dass gerade Touristen mit Unverständnis und Ablehnung reagieren könnten, wie der Hotel- und Gaststättenverband befürchtet, schätzt der OB anders ein: „Unsere Touristen werden sich darüber freuen und sagen: Das ist cool“.
Befürworter sagen: Ohne Zwang ändert sich gar nichts
Niklas Becker (FGL&Grüne) sagt, in Tübingen habe sich gezeigt, dass erst die Einführung der Verpackungssteuer das Thema Mehrwegverpackungen für Essen zum Mitnehmen in der Breite vorangebracht habe. Für Konstanz seien nicht die angepeilten 600.000 Euro Steuereinnahmen pro Jahr entscheidend, sondern die Hoffnung, dass nur noch ganz wenige Einwegverpackungen benutzt würden. Jan Welsch von der SPD warnt davor, von der Verpackungssteuer in Sachen Klimaschutz zu viel zu erwarten, erinnert aber an die 1,35 Millionen Euro, die die Stadt für die Müllentsorgung im öffentlichen Raum jedes Jahr aufwenden muss. Daran die Verursacher zu beteiligen, sei gerecht.
Und Moritz Schneider (Junges Forum), als Mitbetreiber des Kulturkiosks Schranke vom Fach, sagt: Vielen Gastronomen fehle es an innerem Antrieb, etwas für den Umweltschutz zu tun, deshalb sei die Verpackungssteuer nach wie vor richtig. Gemessen an anderen künftigen Aufgaben sei sie für die Betriebe auch vergleichsweise einfach zu handhaben – und er lobt die Verwaltung: Er fühle sich gut begleitet und informiert. Und genau dieses Miteinander sei doch auch eine Chance für die Stadt, um „unterstützend aufzutreten“.
Jetzt nochmal zurück auf los?
In der Stadtverwaltung kommt die neuerliche Runde in einer seit Jahren laufenden Debatte unterdessen nicht besonders gut an: Monatelang haben die Kämmerei und das Amt für Klimaschutz die Einführung der Verpackungssteuer zum 1. Januar vorbereitet. Klimaamts-Chef Philipp Baumgartner hat sogar seinen Urlaub unterbrochen, um in einer Info-Veranstaltung für Gastronomen Rede und Antwort zu stehen. Helge Kropat aus der Kämmerei hat bis ins Detail geprüft, dass die Konstanzer Regelung durch das gedeckt ist, was Tübingen in letzter Instanz verwaltungsgerichtlich erstritten hat.
Die letzte Entscheidung liegt nun beim Gemeinderat. Dieser hatte im September 2023 bei 28 Ja- und nur drei Nein-Stimmen (sowie fünf Enthaltungen) die Grundsatzentscheidung für die Verpackungssteuer getroffen. Im Mai 2024 war die Zustimmung dann schon geringer: Für die konkrete Satzung gab es dann noch 21 Ja- und schon 13 Nein-Stimmen.
Wenn nicht eine Fraktion noch umfällt, wird die Verpackungssteuer kommen
Ob es CDU, Freien Wählern und FDP nun tatsächlich gelingt, die ungeliebte Abgabe doch noch zu kippen, ist ungewiss. Denn die drei bürgerlichen Parteien haben auch zusammen weiterhin keine Mehrheit im Gemeinderat. Wenn sich also nicht noch eine Fraktion anders entscheidet, werden sich die Mehrheitsverhältnisse bei der Abstimmung am Donnerstag, 12. Dezember (ab 16 Uhr, Ratssaal, öffentlich) nicht ändern.
Und dann sind die Chancen der Bürgerlichen gering: Im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) stand es am Ende 5 zu 8 (CDU, Freie Wähler und FDP auf der einen sowie FGL&Grüne, SPD, Junges Forum und Linke Liste auf der anderen Seite). OB Uli Burchardt stimmte im Ausschuss dabei gegen seine eigene Partei, die CDU, und votierte dagegen, die Verpackungssteuer wieder abzuschaffen.