Millionen fließen in den Neubau von Pflegeplätzen, doch unter dem Strich entstehen kaum neue. Wegen einer Landesregelung, die nach einer Übergangszeit das Ein-Bett-Zimmer für eine Person fordert, werden Plätze vor allem verlagert. In Zahlen ausgedrückt: 251 Vollzeitplätze sind in Konstanz im Bau oder wurden in den letzten drei Jahren errichtet, doch nur 73 kamen oder kommen tatsächlich hinzu. Alle andere ersetzen die Häuser Luisenheim und Marienhaus und kompensieren wegfallende Plätze im Haus Talgarten. Luise Mitsch, Vorsitzende des Altenhilfevereins, fordert das Ende des „Verschiebebahnhofs“. Betreiber der Pflegeheime widersprechen.
Wenn sich die Anforderungen ändern, müssten sich auch die Gesetze ändern, sagt Luise Mitsch. „Das ist ja nicht in Stein gemeißelt.“ Zwei-Bett-Zimmer seien besser als gar keine Zimmer. Und für manche Personen seien Zwei-Bett-Zimmer genau das Richtige. In einem Brief an das Sozialministerium in Baden-Württemberg fragt sie, wie das mit der Versorgung der betagten Menschen funktionieren solle. Sie geht davon aus, dass dies nicht allein mit professionellen Kräften zu bewältigen ist. Mitsch schlägt zusätzlich ein verpflichtendes soziales Jahr vor. Daraus könnten alle lernen.
An der Spitalstiftung, dem größten Anbieter von Pflegeplätzen in Konstanz, zeigt sich das derzeitige Dilemma. Das Pflegeheim Weiherhof mit 86 Betten, das im Bau ist, fängt vor allem wegfallende Plätze auf. Unter dem Strich gibt es gerade zehn Plätze mehr. Andreas Voss, Direktor der Spitalstiftung, rechnet vor: Das Haus Talgarten verfügt derzeit über 76 Pflegeplätze, bald werden es nur noch 60 sein. 16 Betten in Zwei-Bett-Zimmern entfallen. Sie kommen im Pflegeheim Weiherhof unter. Dieses ersetzt auch das Luisenheim mit 60 Betten.
Es geht um Schutz der Privatsphäre
Voss schreibt über das Luisenheim, das als Pflegeheim wegfällt: „In diesem Haus sind so viele Zwei-Bett-Zimmer vorhanden, dass ein wirtschaftlicher Betrieb nach dem Abbau nicht mehr darstellbar wäre.“ Nur die Tagespflege bleibe im bisherigen Umfang an der gewohnten Stelle erhalten. Im heutigen Luisenheim kommt laut Voss das Sozialpädiatrische Zentrum unter, ein Eigenbetrieb der Spitalstiftung.
Voss legt sich nicht eindeutig fest, wie sinnvoll die Zwei-Bett-Regelung ist: „Ihre Frage kann meiner Meinung nach je nach Blickwinkel völlig unterschiedlich beantwortet werden.“ So seien die Gründe des Landesgesetzgebers für den Abbau der Zwei-Bett-Zimmer nachvollziehbar. Es gehe um den Schutz der Privat- und Intimsphäre und mehr Komfort. „Andererseits lassen die Heimbauverordnungen anderer Bundesländer hier noch größere Spielräume zu. Auch Zwei-Bett-Zimmer haben ihre Vorteile.“
Doch es werde immer schwieriger, sie zu vermitteln: „Dies hat sich vor Jahren noch einfacher gestaltet.“ Andreas Voss geht davon aus, dass die 24-Stunden-Pflege sowieso die Ausnahme ist: Der Trend gehe dahin, so lange wie möglich zu Hause gepflegt zu werden. Die Spitalstiftung werde deshalb versuchen, den ambulanten Pflegedienst weiter auszubauen.
In der Jungerhalde sind 60 Plätze entstanden
Eine Art Ringtausch hat es auch schon beim Neubau des Caritas-Hauses Zoffingen in der Niederburg gegeben, wie Andreas Hoffmann, Vorstand des Caritas-Verbandes, erklärt. Das Marienhaus mit 102 Plätzen musste wegen der Ein-Zimmer-Regelung schließen, im neuen Haus Zoffingen entstanden 105 Plätze.
Nach Angaben Hoffmanns gibt es dort in jedem Wohnbereich zwei Zimmer, die durch eine Verbindungstüre verbunden sind, die also als Doppelzimmer nutzbar sind, etwa für Paare. Der Caritas-Vorstand sagt, es komme sehr selten vor, dass Paare gleichzeitig pflegebedürftig werden. Für ihn ist klar: Es sei eine Frage der Menschenwürde, ein Zimmer pro Person anzubieten. Für Menschen, die wünschen, ein Zimmer zu teilen, gebe es Möglichkeiten.
In der Jungerhalde sind tatsächlich 60 zusätzliche Plätze entstanden, alles Einzelzimmer. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) betreibt das Heim seit 2021, die Ein-Zimmer-Regelung galt da schon. Geschäftsführerin Regina Brütsch sagt: „Ja, ich halte die Regelung nach wie vor für angemessen, zumindest im Neubau sollte auf keinen Fall davon abgerückt werden. Pflegebedürftige Menschen benötigen Gesellschaft und Rückzug.“
Der Bedarf nach Privatsphäre bestehe selbst bei Ehepaaren. „Für Personen , die sich nicht nahestehen, ist ein Wohnraum zu zweit nach gewisser Zeit eine große Belastung.“ Im Awo-Haus in der Jungerhalde gebe es Familiengruppen, in denen auch gekocht werde. Hier erlebten Bewohner Gemeinschaft.
Mehr als zwei Jahre gebraucht
Wären die Einrichtungen überhaupt in der Lage, zusätzliche Pflegeplätze personell zu besetzen? Bei einer Verlagerung kommt ja in der Regel das bestehende Personal zum Einsatz. Regina Brütsch sagt: „Das ist in der Tat ein Problem, vor allem im Raum Konstanz mit hohen Mietkosten und der Nähe zur Schweiz, wo die Arbeitsbedingungen in der Pflege anders geregelt sind.“
Wie groß die Herausforderungen sind, eine komplette Einrichtung mit rund 50 Mitarbeitern neu aufzubauen, habe sich in der Jungerhalde gezeigt: „Wir haben dafür mehr als zwei Jahre gebraucht.“ Brütsch sagt auch: „Ich glaube der Pflegeberuf hat einen schlechteren Ruf als er tatsächlich ist. Ja, es gibt Schichtdienst und durch Mangel an Fachkräften auch Überstunden und hohe Arbeitsbelastung. Gleichzeitig bemühen wir uns um flexible und passgenaue Arbeitszeitmodelle. Die Arbeit insbesondere in unsern Häusern mit Familienkonzept ist vielseitig, mittlerweile auch angemessen bezahlt und gibt vor allem im Kontakt mit den alten Menschen viel zurück.“
Auch Andreas Hoffmann (Caritas) stellt fest: Das geeignete Personal zu finden, sei das „drängendste Problem aller Altenhilfeeinrichtungen“. Er geht davon aus, dass der Mangel an Fachkräften durch zwei Stellschrauben behoben werden könnte: Mehr Ausbildung und weniger Bürokratie beim Engagieren von Pflegekräften aus dem Ausland. Wie in allen anderen Häusern fallen immer wieder durch Wegzug, Schwangerschaften und andere Ereignisse Kräfte weg.
„Wir können allein durch die natürliche Fluktuation immer drei bis fünf examinierte Pflegekräfte brauchen.“ Ein Springer-Pool solle verlässliche Dienstzeiten bringen. „Die Begeisterung für den Pflegeberuf ist vorhanden – gut wäre, wenn alle mehr ausbilden würden.“ In der Pflege der Caritas fangen zum August 13 neue Auszubildende an.
Auch die Spitalstiftung setzt auf Springer, „um auf Personalschwankungen noch schneller reagieren zu können und den Einsatz von Leihpersonal so entbehrlich wie möglich zu machen“, wie Direktor Andreas Voss feststellt. Grundsätzlich sagt er: „Obwohl, besonders in der jüngeren Zeit, viel für die Verbesserung des Images der Pflegeberufe getan wird, bleibt es dennoch anspruchsvoll, Menschen dafür zu gewinnen.“
Voss betont aber auch: „Der Arbeitgeber kann einiges dafür tun, die Arbeitsbedingungen gut auszugestalten.“ Dazu gehörten: Gute Bezahlung, Wertschätzung, Weiterbildungsmöglichkeiten, Erhalt der Gesundheit, das Bereitstellen einer Wohnung oder eines Platzes in einer Kindertagesstätte, flexible Arbeitszeit-Modelle und Dienstpläne, die auf die Mitarbeiterwünsche zugeschnitten sind. All dies versuche die Spitalstiftung umzusetzen.