Während in Konstanz Bars und Restaurants für mindestens einen Monat schließen müssen, bleiben sie in Kreuzlingen vorerst geöffnet. Zwar gelten auch in der Schweiz wegen explodierender Infektionszahlen seit Donnerstag verschärfte Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung, etwa eine Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr.
Doch sie sind bei Weitem nicht so drastisch wie in Deutschland. Was halten die Menschen in Kreuzlingen von der deutschen Strategie? Und hoffen die dortigen Gastronomen, dass es jetzt zu einem Ess- und Trinktourismus aus Deutschland kommt? Ein Rundgang durch die Nachbarstadt.
Am Samstag vor dem deutschen Teilstillstand geht es mit dem Rad von der belebten Konstanzer Innenstadt via Grenzübergang Kreuzlinger-Tor zur „Boulevard“ genannten Einkaufsstraße Kreuzlingens. Vereinzelt sind Menschen mit Mund-Nasen-Masken zu sehen. Das Tragen der Gesichtsbedeckung ist seit Donnerstag in der Schweiz auch in belebten Fußgängerzonen Pflicht. Belebt ist hier allerdings nichts. „Die sind in Konstanz„, meint eine Passantin auf die Frage, wo denn all die Menschen seien.
Wirtin: „Aus menschlicher Sicht finde ich das nicht gut, aus Businesssicht profitiere ich davon“
In der unteren Hälfte des Boulevards finden sich dann doch ein paar Leute. Sie sitzen in der Bar „Zapfenzieher“. Gina Tatarus leitet das Lokal seit diesem Jahr. Was in Deutschland gerade entschieden wurde, verstehe sie nicht: „Warum muss die Gastro schließen, aber Friseure und Kleiderläden dürfen offen bleiben?“ Die deutschen Branchenkollegen täten ihr leid.
Allerdings: „Von der Businessseite her ist das für mich natürlich gut. Die Schweizer müssen hier bleiben und ich glaube, dass auch der eine oder andere Konstanzer zum Trinken rüberkommen wird.“ Mit Blick auf die Schweizer Corona-Infektionszahlen meint die Wirtin aber auch: „Meiner Meinung nach sollten wir in der Schweiz für ein paar Wochen alles dicht machen, das ganze Land richtig in Quarantäne schicken.“
Passantin: „Man sollte die Regeln in der Schweiz ähnlich verschärfen wie in Deutschland“
Draußen auf dem Boulevard haben es sich derweil Yvonne Hänggi und Franz Häner auf einer Sitzbank gemütlich gemacht und essen belegte Brötchen. Das Paar aus dem Kanton Solothurn ist für ein paar Tage am Bodensee zu Besuch. Auch sie finden, dass in der Schweiz strengere Maßnahmen ergriffen werden müssten.
„Bei diesen Fallzahlen sollte man die Regeln ähnlich verschärfen wie in Deutschland. Jetzt, wo es so explodiert, fände ich einen Lockdown von ein paar Wochen angemessen“, sagt Yvonne Hänggi, während ihr Partner zustimmend nickt. Sie würde sich aber vor allem eine länderübergreifende Zusammenarbeit im Kampf gegen die Pandemie wünschen, so Hänggi: „Gerade in den Grenzregionen.“
Gastronom: „Der Effekt ist vor allem, dass die Kreuzlinger hier bleiben“
Vom Boulevard aus geht es an den Kreuzlinger Hafen. Hier herrscht etwas mehr Leben als in der Innenstadt. Vor allem Familien mit Kindern sind an diesem grau-trüben Samstagnachmittag unterwegs. Direkt beim Hafen, im Restaurant „Alti Badi“, sitzt Wirt Fabrizio Ribezzi am Laptop und schreibt das Menü für den Abend.
Er finde es zwar gut, dass Deutschland wieder bundesweit einheitliche Maßnahmen erlasse, sagt Ribezzi: „Das würde ich mir auch hier wünschen.“ Gleichzeitig hält er die jetzt getroffenen Entscheidungen im Nachbarland für übertrieben: „Ich glaube nicht, dass das Problem die Gastro oder Kinos sind. Und die Kollegen drüben haben das super gemacht, über Monate hinweg ihr Bestes gegeben.“
Dass er selbst von den Schließungen in Deutschland profitiere, glaubt Ribezzi weniger: „Der Effekt ist vor allem, dass die Kreuzlinger hier bleiben. Der eine oder andere Konstanzer wird eventuell kommen.“
Aber einen großen Ansturm aus dem Nachbarland könne er derzeit in seinem Restaurant sowieso nicht schlucken, da nur vier Personen an einem Tisch sitzen dürften. „Und es kann sehr gut sein, dass auch in der Schweiz bald wieder ein Lockdown beschlossen wird und wir schließen müssen.“
Studentin: „Ich wohne hier nur. Alles andere spielte sich bisher in Konstanz ab“
Zurück in der Innenstadt, unweit des Boulevards. Clubs und Tanzlokale mussten aufgrund der neuen Schweizer Corona-Verordnungen schließen. Doch noch haben die Kreuzlinger Bars und Restaurants geöffnet. Deshalb die Frage an zwei junge Studenten: Gehen sie jetzt vermehrt hier aus?
„Ich versuche eher, darauf zu verzichten. Es ist auf jeden Fall krass, dass in Konstanz alles geschlossen hat. Die Leute werden sich jetzt einfach privat zuhause treffen“, sagt Daniel Unruh. Seine WG-Mitbewohnerin Bernadette Steinhart ergänzt: „Hier gibt es auch gar nicht so die Möglichkeiten. Ich wohne hier, alles andere spielte sich bisher in Konstanz ab.“

Steinhart und Unruh studieren beide an der HTWG in Konstanz und wohnen in Kreuzlingen. Unruh ist von Villingen-Schwenningen aus an den Bodensee gezogen, Steinhart ist auf der Schwäbische Alb aufgewachsen. Die 21-Jährige betont, dass es wichtig sei, dass Maßnahmen ergriffen werden und sie sich auch daran halte.
„Aber es ist auch alles eine Frage des Maßes. Und ich sehe es kritisch, dass es zulasten der Gastro geht, die doch so ausgeklügelte Maßnahmen hatte. Und natürlich finde ich es auch für mich Scheiße, wenn das Private immer mehr zunichtegemacht wird.“ Denn eine Skype-Konferenz könne Treffen mit Freunden in einer Bar oder das gemeinsame Tanzen einfach nicht ersetzen.