Ein hölzerner Regenbogen vor dem Altar, Kerzenlichter mit Schleifchen in Regenbogenfarben und rosa Schweinwerferlicht an den Wänden des Gotteshauses: Mehrere homosexuelle Paare haben am Montagabend in Konstanz-Litzelstetten den Segen von Pfarrer Armin Nagel empfangen.

Bereits vor einer Woche hatte er die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in der Gemeinde St. Peter und Paul angekündigt. Der 48-Jährige beteiligte sich damit an der bundesweiten Aktion „Liebe gewinnt“, bei der sich rund 100 andere Gemeinden demonstrativ über eine Entscheidung des Vatikans hinwegsetzten.
Die dortige Glaubenskongregation hatte im März erklärt, die katholische Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen. Diese Verbindungen entsprächen nicht dem göttlichen Willen.
Pfarrer bei Gottesdienst nervöser als bei seiner Priesterweihe
„Super nervös“ sei er gewesen, sagte Pfarrer Armin Nagel dem SÜDKURIER nach dem Gottesdienst, sogar nervöser als vor seiner Priesterweihe. Seine Aufregung führte er nicht nur auf die intensive Berichterstattung zu dem Thema im Vorfeld zurück.

Auch hätten konservative katholische Kreise dazu aufgerufen, Geistliche wie ihn in Rom zu denunzieren. Auf einem katholischen Internetportal habe es dazu vorgefertigte Formulare gegeben, in denen Denunzianten nur noch Namen und Kirche hätten ausfüllen müssen, berichtet Nagel.
Außerdem hatte er dem Freiburger Erzbischof Stephan Burger einen Brief geschrieben und erklärt, dass es ihm bei den Segnungen darum gehe, „ein Zeichen zu setzen“ und „die Kirche zu öffnen“. Eine Antwort habe er noch nicht, so Nagel.
Er ist sich nach dem Abend sicher, dass „ein Stein ins Rollen gekommen“ sei. Und der Wille, homosexuelle Paare zu segnen, existiere nicht nur bei ihm, sondern auch bei anderen Geistlichen aus dem Dekanat Konstanz. „Die Haltung ist da, der Mut aber noch nicht.“
Homosexuelle sprechen von „Aufbruchsstimmung“
Mehrere homosexuelle Besucher waren im Anschluss voll des Lobes über die Gottesfeier. „Wir finden es toll, dass es mutige Pfarrer und Kirchen gibt, die so etwas machen“, sagte ein lesbisches Paar, das nur für den Gottesdienst „von der anderen Seeseite“ gekommen war. Aus Sorge vor Diskriminierung in ihrem Umfeld wollten sie ihre Namen gegenüber dem SÜDKURIER aber nicht nennen.
Sie erklärten: „Viele gleichgeschlechtliche Paare wenden sich von der Kirche ab.“ In ihrem Freundeskreis habe es oft Kritik gegeben, dass sie noch immer in der Kirche seien. Doch mit der Aktion habe man ein „Zeichen der Zeit“ gesetzt und „Aufbruchsstimmung“ verbreitet. „Nur so kann sich die Kirche ihre Glaubwürdigkeit erhalten.“
LGBTQ+-Aktivistin: Segnungen sind „echter Widerstand“ der Geistlichen
Ähnlich sieht es Christin Löhner, ehemalige OB-Kandidatin in Konstanz und Transfrau. Sie hatte sich im Wahlkampf im vergangenen Jahr für die Anliegen von Transsexuellen, Schwulen, Lesben und Transgender-Personen eingesetzt. „Ich finde es eine tolle Sache. Für die Kirche kann das auch eine Chance sein“, sagt sie.

„Priester segnen Waffen, Tiere und Gegenstände.“ Dass sie bislang selten so explizit auch homosexuelle Paare gesegnet hätten, sei „ein Unding sondergleichen“. Sie hält die bundesweiten Segnungsgottesdienste keinesfalls für Symbolpolitik, sondern bezeichnet diesen als „echten Widerstand“ der Geistlichen.
CSD Konstanz: „Balsam für die Seele“ vieler Menschen
Der Verein CSD Konstanz-Kreuzlingen, der alle zwei Jahre den Christopher-Street-Day in der Konzilstadt veranstaltet, nennt die Segnungen „einen guten Anfang“. Diese seien eine Anerkennung, dass sich Menschen der LGBTQ+-Gemeinschaft immer mehr selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
„Es wird LGBTQ+-Personen geben, für die dieser Segen, sehr wichtig und Balsam für die Seele ist.“ Die Zeiten, in denen sich Mitglieder der Gemeinschaft hinter „blickdichten Scheiben und Türen mit Guckloch“ versteckt hätten, seien „endgültig vorbei“, schreibt Vereinsmitglied Agnetha Maria, die dem SÜDKURIER stellvertretend Auskunft gibt.
Diese Selbstverständlichkeit führe auch dazu, dass diese Personen es sich nicht nehmen ließen, ihren Glauben sichtbar zu leben. In den Gemeinden sei dies angekommen und davon sei „noch keine Kirche eingestürzt“. „Schauen wir, ob aus diesen Graswurzelrevolutionen ein echter Aufbruch werden kann.“
Wie groß wird die Signalwirkung der Segnungen?
Mathias Trennert-Helwig, Leiter der Seelsorgeeinheit Konstanz-Altstadt und Münsterdekan, stellt dagegen in Frage, wie groß die Signalwirkung der Segnungen sein wird. „Welche Relevanz diese Aktion haben wird, wird sich erst zeigen“, sagt er. „Die Frage ist, ob ab jetzt auch vermehrt Homosexuelle um diesen Segen bitten werden.“

Dass Geistliche Homosexuellen den Segen Gottes geben sei allerdings „nichts Neues“, meint er. Bereits bei Segnungen am Valentinstag sei dies vorgekommen. Dennoch seien die Argumente für Segnungsfeiern wie in Litzelstetten, wo homosexuelle Paare konkret eingeladen wurden, „durchschlagend“. Denn bei einer Segnung gehe es darum, den Menschen die Zusage für ihren Glauben an Gott zu geben und der Person Gutes zu wünschen. „Warum sollte man den Menschen das verweigern?“, fragt der Münsterdekan.
„In der Kirche hat es schon immer viele engagierte Homosexuelle gegeben. Dass ihre sexuelle Disposition mittlerweile weniger diskriminiert wird, ist positiv zu bewerten“, so Trennert-Helwig.