Eine zu ängstliche Verwaltung, überzogene Maßnahmen und ein Gutachten, das nicht unabhängig sei: Die Vorwürfe einiger Bürger aus Allmannsdorf, Staad und Egg zum Thema Sperrung der Hoheneggstraße wiegen schwer. Seit Anfang Juni ist die beliebte Rad- und Fußgängerstrecke gesperrt, weil die Stadt nach starken Regenfällen weitere Hangrutsche nicht ausschließen kann. Mehrfach monierte unter anderem die Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad (BAS), dass die Stadt nicht schnell genug handele und ihr Tun nicht begründe.
Am Freitagnachmittag, 18. Oktober, kamen erneut einige Bürger vor den Absperrgittern nahe der Brauerei Ruppaner zusammen. Dieses Mal waren auch Stadträtinnen und Stadträte eingeladen. Eine Handvoll Kommunalpolitiker hörten sich die Klagen an.
So sagte Anwohner Reinhard Stifel: „Mich wundert, dass nun genau dieser Bereich abgesperrt ist, wo es 2013 zum großen Hangrutsch kam. Selbst damals blieben zwei Drittel der Hoheneggstraße verschont. Welche Massen an Material werden dort jetzt noch erwartet? Wo ist hier die Lebensgefahr? Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

Volkmar Leutenegger ist nicht nur Anwohner, sondern auch vom Fach. Als ehemaliger Forstdirektor kennt er sich auch mit Geologie aus. „Der Hang ist nicht gefahrenträchtig“, sagt Leutenegger. „Dort rutschen Bäume samt Humus ab, weil sie sich nicht auf den Sandsteinfelsen verkrallen können. Die werden ja demnächst beseitigt. Aber was soll rund um die Brauerei noch runterkommen?“
Der 87-Jährige findet: „So ist das kein Zustand. Auch Post, Müllabfuhr und andere Versorger dürfen seit Monaten nicht dort fahren, ich bekomme meine Post nur noch einmal in der Woche.“ Er beklagt aber auch das große Ganze: „Warum diese Ängstlichkeit der Verwaltung? Und überhaupt halte ich Gutachter, die von der Stadt bestellt sind, nicht für unabhängig.“

Volkmar Leutenegger sowie der umtriebige Allmannsdorfer Alexander Gebauer und andere Bürger fordern, dass zumindest ein Durchgang für Fußgänger und Radfahrer geöffnet wird. „Die Totalsperrung ist grotesk“, findet Gebauer. Auch BAS-Vorsitzender Sven Martin wünscht sich „eine Lösung mit Augenmaß“ und eine Begründung der Stadt für die Vollsperrung seit viereinhalb Monaten – schließlich gab es im Gegensatz zu 2013 aktuell keinen Hangrutsch.
Gutachten liefert Einschätzung
Die Verwaltung wiederum stützt ihr Vorgehen auf eben jenes Gutachten, das Volkmar Leutenegger anzweifelt. Erstellt hat es das Ingenieurunternehmen HPC, Standort Radolfzell. HPC gab auf Bitten des städtischen Amts für Stadtplanung und Umwelt eine Einschätzung zu Rutschgefahr und Handlungsbedarf am Hohenegg ab.
Seit dem Ereignis von 2013 messen die Ingenieure Bewegungen in der Steilwand und schauen sich immer wieder vor Ort die Situation an. Aus dem Sachstandsbericht von Ende September 2024, der dem SÜDKURIER vorliegt, geht hervor, „dass keine Stabilisierung in den noch nicht abgegangenen Hangbereichen eingetreten ist, sondern weiterhin Bewegungen und Massenverlagerungen stattfinden. Die jüngsten Rutschungen werden als Indikator interpretiert, dass künftig und nicht prognostizierbar weitere Rutschungen bevorstehen.“
Dazu kommt laut der Fachfirma, dass an den betroffenen Stellen kein stabilisierender Wald mit tiefen Wurzeln vorhanden sei. Die Experten kommen „zweifelsfrei“ zu dem Schluss, dass seit dem ersten Hangrutsch 2013 eine „hangabwärts gerichtete Bewegung“ stattfindet.
Die beiden unterzeichnenden Diplomgeologen geben der Stadt eine Handlungsempfehlung: „Die Sicherung des Gefahrenbereichs zum Schutz von Passanten ist daher bis zur Ausführung von Stabilisierungsmaßnahmen aus unserer Sicht begründet, zielführend und erforderlich.“

Die Anwohner aber wünschen eine pragmatische Lösung. „Früher hätte man sowas mit heimischen Handwerkern in Eigenregie erledigt, heute macht man ein riesiges Fass auf“, klagt Sven Martin.
Da kann Jürgen Faden, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Gemeinderat, nicht länger an sich halten: „Mich stören die Vorwürfe, die Verwaltung würde nicht tätig und das Gutachten sei nicht unabhängig. Die Verantwortung trägt die Verwaltung. Wenn der Hang doch rutscht und etwas passiert, sind Sie die Ersten, die dann die Stadt anklagen.“

Bürger müssen weiter warten
Untätig ist die Verwaltung tatsächlich nicht. Die Stadt führte viele Gespräche im Hintergrund und möchte die Sicherungsarbeiten demnächst angehen. Eine Baufirma soll den Hang mit Netzen versehen, außerdem sollen Bereiche freigeschnitten und eventuell rutschende Erdmassen durch Stütztafeln aufgefangen werden. Die Böschungskrone wird abgeflacht.
Das alles wird aber viele weitere Wochen dauern – auch, weil die Stadt noch Anträge stellen und Genehmigungen einholen muss. „Hierzu sind wir in Austausch mit der Unteren Naturschutzbehörde und der Forstbehörde“, sagt Stadt-Pressesprecherin Anja Fuchs. „Ab November 2024 werden instabile Bäume entfernt. Die Verwaltung ist sich der Wichtigkeit dieser Wegeverbindung als Teilstück des Bodenseeradweges bewusst und hofft auf eine Wegfreigabe im März 2025.“
Nochmal viereinhalb Monate warten? Das dauert den Anwohnern viel zu lange. Da Volkmar Leutenegger das Handeln der Stadt für überzogen hält, möchte er „prüfen lassen, ob die geplanten Maßnahmen angemessen sind. Je nach Ergebnis werde ich rechtlich dagegen vorgehen“, kündigt er an.

Doch Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn ließ im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss am Donnerstag, 17. Oktober, keinen Zweifel daran, dass die umfangreiche Hangsicherung aus Sicht der Verwaltung ein Muss ist. Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt sagte deutlich: „An der Lage ist nichts zu diskutieren.“ Dennoch sieht er ein, dass die Sperrung der Hoheneggstraße „ein übler Eingriff in den Radverkehr“ sei.