Christina Herbert-Fischer möchte nicht schweigen. Sie will sich einmischen. Die 64-Jährige ist überzeugt: Sie als Vertreterin der älteren Generation muss darauf aufmerksam machen, wie wertvoll die Demokratie ist. Sie gehört zu den Mitbegründerinnen der Initiative „Omas gegen Rechts“, die in Konstanz gerade im Aufbau sind.
Am Montag, 25. November, wird eines der ersten Treffen stattfinden, bei denen sich die Gruppe vorstellt und formiert. Willkommen sind übrigens auch Opas. In der Initiative gehe es ja um die Erfahrungen der Generation und nicht ums Geschlecht, sagt Christina Herbert-Fischer. „Wir sind offen.“
Leichte Lösungen gibt es nicht – auch wenn Populisten das gern behaupten
Christina Herbert-Fischer hat ein christlich-humanitäres Weltbild. „Das ist mir viel wert.“ Sie sieht mit Sorge, wie Hetze, Lüge und Ausgrenzung von Menschen um sich greifen. Sie möchte dazu beitragen, dass die dunkle Zeit des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit gerät – und auch nicht der große Schatz einer demokratischen Gesellschaft. „Es gibt keine Omas mehr, die von Bombenangriffen erzählen.“
Sie als Oma (acht Enkel, ein Urenkel) könne aber die Erfahrungen weiter tragen, die ihre Eltern und Großeltern mit dem Krieg der Nationalsozialisten und dessen Folgen machten. Sie habe zum Beispiel eine Mutter gehabt, die traumatisiert war von den ständigen Bombenangriffen auf Frankfurt am Main. Sie sehe ihre Generation in der Verantwortung, jetzt den Mund aufzumachen und gegen Rechts einzutreten.
Es gehe auch darum, die Menschen ernst zu nehmen, die Angst haben, und mit ihnen zu sprechen. „Man hört oft: Die da oben machen doch, was sie wollen.“ Ganz falsch sei dies nicht, denn Menschen ohne höheren Bildungsabschluss seien kaum vertreten in der Politik. Dennoch seien gerade diese Menschen anfällig für vorgeblich leichte Lösungen. Populisten behaupteten meist, diese zu haben. Es gelte, Fakten und die Komplexität der Dinge dagegen zu stellen, auch wenn dies nicht immer einfach sei.
Christina Herbert-Fischer sagt, sie beschäftige sich schon lange mit dem Thema Populismus und Rechtsradikalismus. Sie wisse, dass es leicht sei, populistische Inhalte an die Menschen zu bringen, vor allem in Kurzvideos, wie sie in sozialen Netzwerken üblich sind. Diese entsprechen den Sehgewohnheiten vieler junger Menschen, die dann nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne aufbringen müssen. Es sei viel mühsamer, komplizierte Sachverhalte darzustellen.
Manchmal hat sie den Eindruck, dass es an den Grundlagen der politischen Bildung fehlt. Sie anerkenne die Leistungen der Schulen, fragt sich aber, ob Lehrer immer zu den richtigen Mitteln greifen: „Man muss das Frontale heraus nehmen.“ Schüler, die schon einmal in einer Aktion für den Unterricht Parteien gegründet und im Parlament gesessen haben, seien ganz anders berührt als solche, die etwa anhand einer Grafik verstehen sollen, wie eine parlamentarische Demokratie funktioniert.
Auch die 65 Jahre alte Britta Hering gehört zu den ersten Konstanzer „Omas gegen Rechts“. Sie wohnt in Kreuzlingen und würde sich freuen, wenn sich die Initiative grenzüberschreitend entwickeln würde. Auch sie sieht sich in einer besonderen Verantwortung, sich jetzt zu engagieren. Sie komme noch aus einer Generation, in der die Eltern den Krieg und dessen schlimme Folgen miterlebten. „Das soll nicht nochmals passieren.“
Sie wollen ins Gespräch kommen und rechnen mit „schwierigen Diskussionen“
Hering ist sich bewusst, dass nicht alle Gesprächspartner nett sein werden. „Wir rechnen damit, dass es zu schwierigen Diskussionen kommt.“ Doch sie wolle sich dem stellen und ein Gegengewicht zu den Populisten und Rechtsextremisten schaffen. „Sie sind sehr gut darin, die Menschen bei ihren Ängsten zu packen. So hat das Dritte Reich begonnen.“
Sie sei noch mit dem Wissen aufgewachsen, dass eine funktionierende Demokratie etwas Besonderes ist. Heute aber werde dies als selbstverständlich wahrgenommen. Man müsse deutlich machen, dass dies nicht stimme und darüber mit den Menschen ins Gespräch kommen. In einer komplexen Welt müsse man viel recherchieren, um sich zu informieren. Doch sie hat den Eindruck, dass sich nur wenige die Zeit dazu nehmen oder die Medien lesen, die das getan haben.
Beide Frauen betonen, sie seien hochmotiviert, die Demokratie zu verteidigen und für Toleranz einzutreten. Zum ersten Treffen der Gruppe kam auch Andrea Rhode, die derzeit im Urlaub ist. „Wir haben das zu Dritt gegründet“, stellt Christina Herbert-Fischer fest. Inzwischen sind rund zehn Menschen als Interessenten im Verteiler der neuen Initiative. „Wir sind noch in der Anfangsphase.“
Einige seien auch in anderen Initiativen gegen Rechts und für Erinnerung tätig, etwa bei den Stolpersteinen oder dem Bündnis für Demokratie – Klare Kante gegen Rechts in Stadt und Landkreis. Die „Omas gegen Rechts“ seien keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung. Es gehe jetzt darum, ein Logo, Flyer und Projekte zu entwickeln. Herbert-Fischer ist sich sicher: „Auch kleine Aktionen bewirken was.“