Pro: Als Kompromiss ist‘s akzeptabel

Jörg-Peter Rau meint: Nicht nur Anwohner profitieren, sondern auch die Schwächsten im Straßenverkehr – Kinder, Senioren und alle anderen ...
Jörg-Peter Rau meint: Nicht nur Anwohner profitieren, sondern auch die Schwächsten im Straßenverkehr – Kinder, Senioren und alle anderen Fußgänger. (joerg-peter.rau@suedkurier.de) | Bild: SK

Vom Zähringerplatz bis ans Ortsende von Wollmatingen: Schleichfahrt mit Tempo 30. Untertourig im dritten Gang und genervt vom langsamen Vorankommen. Diesen teuflischen Plan wollen links-grüne Aktivisten allen aufzwingen, die einfach einigermaßen flott mit dem Auto vorankommen wollen. So rumort es längst in manchen Konstanzer Kreisen. Da hilft Sachlichkeit.

Vom Zähringerplatz bis zum Ortsausgang von Konstanz (Einmündung in die Westtangente) sind es über die Wollmatinger, Radolfzeller und Fürstenbergstraße genau 4,6 Kilometer. Bei konstant Tempo 50 (was schon jetzt nicht möglich ist) bräuchte es dafür 5 Minuten und 31 Sekunden. Bei Tempo 30 wären es 9 Minuten und 12 Sekunden.

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden also über weniger als vier Minuten für eine beträchtliche Strecke. Rechnerisch. Denn was den Verkehr – und damit auch den Stadtbus – tatsächlich ausbremst, sind unmögliche Ampelschaltungen, die unnütze und umweltfeindliche Brems- und Anfahrvorgänge erzwingen.

Dazu Ein- und Ausfahrten sowie ein Flickenteppich von teils temporären und dauerhaften Tempolimits, die den Verkehr auch nicht flüssiger machen. All das könnte flächendeckendes Tempo 30 sogar verbessern. Denn im Kern geht es ja nicht darum, möglichst schnell zu fahren, sondern möglichst reibungslos voranzukommen.

Das könnte Sie auch interessieren

Hinzu kommt: Der Lärmschutz ist ein gesetzlicher Anspruch, und auf der Straße entsteht Lärm vor allem durch das Abrollgeräusch, das im Übrigen bei E-Autos nicht geringer ist. Wer es nicht glaubt, stelle sich einmal an eine Straße und lausche.

Und unbestritten ist, dass bei Tempo 30 weniger und weniger schwere Unfälle passieren, weil der Anhalteweg nicht einmal halb so lang ist. Am meisten profitieren davon die Schwächsten im Straßenverkehr: Kinder, Senioren, alle anderen Fußgänger.

Das könnte Sie auch interessieren

Bleibt das Argument mit den Einsatzfahrzeugen. Die Antwort aber liegt nicht in der Frage, ob auf einer Straße Tempo 30 oder Tempo 50 gilt. Sondern hier geht es darum, welche Regeln für die gelten, die sich in solchen Stresssituationen hinters Steuer setzen. Wenn sie mit einem Bein im Gefängnis stehen, weil sie ein Tempolimit prozentual überschritten haben, liegt der Fehler im System. Wenn die Feuerwehr bisher sicher mit Tempo 80 vom Zähringerplatz ins Oberlohn donnern konnte, muss sie das auch künftig können, zumal sich an den Straßen selbst ja nicht ändert.

Gewiss, Tempo 30 ist nicht die einzig mögliche Antwort auf die Herausforderungen der Mobilität, des Menschen- und Umweltschutzes. Aber wenn alle in etwa mit gleichem Tempo im Verkehr mitschwimmen, der gesundheitsschädliche Lärm zurückgeht und Unfälle weniger folgenschwer sind, ist das eine akzeptable Schnittmenge. Wenn, ja wenn auch die Randbedingungen – siehe Ampelschaltungen – stimmen.

Contra: Argumente sind haarsträubend

Aurelia Scherrer ist hingegen überzeugt, dass Schallschutzfenster als Maßnahme zum Lärmschutz in den betroffenen Straßen kostengünstiger ...
Aurelia Scherrer ist hingegen überzeugt, dass Schallschutzfenster als Maßnahme zum Lärmschutz in den betroffenen Straßen kostengünstiger wären. (aurelia.scherrer@suedkurier.de) | Bild: SK

Der Lärmaktionsplan ist das Vehikel, damit in Konstanz fast flächendeckend Tempo 30 eingeführt werden kann. Daraus macht die Verwaltung zwischenzeitlich keinen Hehl mehr. Sprich: Eigentlich geht es weniger um den Lärmschutz, sondern darum, die Autos zu vergrämen.

Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Stadt über die Pflichtkartierung hinaus von sich aus umfangreich weitere Straßen in den Plan aufgenommen hat. Was dabei wohl ignoriert wird: Immer mehr Menschen steigen auf die geräuscharme Elektromobilität um. Tempo 30 auf Hauptstraßen ist nicht sinnvoll.

Das könnte Sie auch interessieren

Feuerwehr-Kommandant Bernd Roth hat die Negativfolgen für die Hilfs- und Rettungsorganisationen deutlich benannt: Die Hilfsfristen können nicht eingehalten werden. Auch die Wasserretter der DLRG haben schon vor Monaten dem SÜDKURIER ihre Not geschildert, dass die Einführung der Fahrradstraße zum Hörnle eine enorme Zeitverzögerung zur Folge hat – beim Retten von Menschenleben aber jede Minute zählt.

Was einem doch die Sprache verschlagen kann, ist die Stellungnahme der Verwaltung zu den Einwänden der Feuerwehr: „Die konkrete Gefahr durch akute, tägliche Lärmbelastung bzw. das Wohl der Gesundheit der Bevölkerung wiegt in diesem Falle stärker als die abstrakte Gefahr von Feuerwehreinsätzen, bei denen es gleichwohl auch um Leben oder Tod gehen kann, was aber bei weitem nicht alle Einsätze betrifft.“

Das könnte Sie auch interessieren

Bei dieser Aussage kann man auch als Bürger Schnappatmung bekommen. Wie oft verhindert die Feuerwehr Schlimmeres? Wie schnell ein kleines Feuerchen zum großen Brand werden kann, hat sich schließlich erst im Januar im dicht bebauten Quartier Richental-/Turnierstraße erwiesen. Für die Bewohner war die Gefahr mitnichten abstrakt.

Immerhin weiß der Feuerwehr-Kommandant, wie die Sicherheit der Bürger in der Zukunft sichergestellt werden kann, wenn Tempo 30 ausgeweitet wird: unter anderem mit einer zweiten hauptamtlichen Wache. Das heißt: neues Gebäude, zusätzliche Fahrzeuge und zusätzliches hauptamtliches Personal im Schichtdienst. Das wird viele Millionen Euro kosten – die Folgekosten nicht zu vergessen.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch die Umlaufzeiten bei den Busbetrieben würden nicht mehr funktionieren. Es bräuchte dann mehr Fahrer, an denen es ohnehin schon mangelt, mehr Busse, was wiederum Millionen kostet. Wenn Konstanz im Geld schwimmen würde, könnte man diese enormen Investitionen tätigen. Tut Konstanz aber nicht!

Die Stadt ist vom Regierungspräsidium immer noch zum Sparen angehalten. Die Entscheidungsträger sollten also lieber mal ausrechnen, ob Schallschutzfenster als Maßnahme zum Lärmschutz in den betroffenen Straßen nicht kostengünstiger wären. Diese Maßnahme ist nämlich alternativ zu Tempo 30 möglich.