Rücksichtnahme im Verkehr ist zunehmend ein Fremdwort geworden, finden auch Stadtseniorenrat, Sozialverband Vdk, Fuß e.V. und der Behindertenbeauftragte. Ihnen reicht es jetzt: Sie sprechen Tacheles und nehmen dabei sogar die Radler ein Stück weit in Schutz.
Sie sagen: Die Stadt sei in der Pflicht. Sie vermissen ein gesamthaftes Verkehrskonzept in Konstanz, welche alle Mobilitätsarten berücksichtigt und einen gangbaren Kompromiss umsetzt. Und sie vermissen in der Stadtverwaltung noch etwas: Führungsverantwortung.
Manch Fußgänger hat ebenfalls die Nase voll – und zwar gestrichen. So wie beispielsweise Stephan Grumbt, Behindertenbeauftragter der Stadt Konstanz. Er wohnt in der Augustinergasse und kann ein Klagelied singen. Erst jüngst kam er aus der Haustür – und wäre fast mit einem Radler kollidiert. „Es wird einfach reingefahren, egal, auch wenn es eine enge Stelle ist“, ärgert sich Grumbt.
Gefährliche Vorbilder und reines Chaos
Katrin Walz (39) ist gut zu Fuß, klagt aber auch über Gefahrensituationen. Ihre Kinder lässt sie nicht allein nach draußen. Zu gefährlich. Ob Fußgänger oder Radler – an Verkehrsregeln scheinen sich die wenigsten zu halten. Brandgefährlich: „Wenn Fußgänger einfach über eine rote Ampel laufen. Die Gefahr, dass Kinder einfach mitlaufen, ist groß“, berichtet sie.
Walz fährt selbst gerne Rad, doch meidet zu den Stoßzeiten die Fahrradstraße. „Da ist einfach Chaos. Gerade kurz vor Schulbeginn ist es schwierig. Da fahren vier nebeneinander und plötzlich bremst einer. Da habe ich als Radler Angst. Ich versuche diese Zeiten zu meiden“, berichtet die junge Mutter.
Sind das Einzelfälle? Nein, stellt der Stadtseniorenrat fest, an den Klagen von allen Seiten herangetragen werden. Er hat gemeinsam mit anderen Organisationen einen offiziellen und sehr deutlichen Appell an die Stadt gerichtet.
Harry Fuchs vom Stadtseniorenrat stellt keine Gruppe an den Pranger, denn schwarze Schafe gebe es bei Fußgängern, Radlern und Autofahrern gleichermaßen. „Wir wollen keine Fronten aufbauen“, macht auch Werner Frank, Mitglied des Stadtseniorenrat und des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), klar. Vielmehr sehen beide die Stadt Konstanz in der Pflicht, für Sicherheit zu sorgen.

Konstanz: Eine Stadt für alle?
„Es ist ein Ungleichgewicht entstanden durch die Mobilitätsstrategie der Stadt“, stellt Stephan Grumbt fest. „Mit Bundesfördermitteln wurde der Radverkehr unterstützt und die Stadt hat zugegriffen, aber nicht weitergedacht. Am Anfang dieses Hypes hat man sich nur auf das Rad konzentriert“, moniert er.
Mit seiner Kritik wird er noch deutlicher: „Die Stadt hat tolle Radfahr-Preise gewonnen, aber vor lauter Erfolg vergessen, dass es auch noch andere Verkehrsteilnehmer gibt. Konstanz sollte eine Stadt für alle sein, aber davon sind wir weit entfernt.“
Die Radfahrer treffe nicht die Schuld. „Es gibt ein generelles Mengenproblem“, so Werner Frank. Die Radwege seien eben nicht auf die Masse an Fahrrädern ausgelegt. Auch die Beschilderung für Radler sei oftmals mangelhaft, bestätigt Harry Fuchs. In der Stadt gebe es viele Stellen, wo „nicht klar ist, was gilt“. Richtig problematisch: In der Fußgängerzone würden jeden Tag Radler durchfahren, egal wie belebt die Sträßchen seien.
Sie fordern ein gesamthaftes Verkehrskonzept
„Es muss mehr kontrolliert werden, gerade in der Fußgängerzone“, hält Harry Fuchs fest und Werner Frank ergänzt: „Es gibt eine Klientel, da geht es nur über den Geldbeutel.“ Vorhandene Radstrecken sollten besser, sprich eindeutiger ausgeschildert werden.
Zudem brauche es rasche Lösungen, um prekäre Stellen zu entschärfen, erklärt Irene Heiland vom Stadtseniorenrat. „Obwohl wir schon mehrfach auf diese Stellen hingewiesen haben, hat sich nichts getan. Da hat man das Gefühl, man wird nicht für voll genommen“, meint Stephan Grumbt.

Sie vermissen Führungsverantwortung
„Es muss eine gesamtheitliche Verkehrsplanung gemacht werden“, stellt Harry Fuchs klar. „Die Stadt gibt ein Vermögen für Gutachten aus und solche Projekte wie Smart Green City“, ärgert sich Irene Heiland. Dieses Geld könne viel sinnvoller eingesetzt werden, findet sie. Die Stadtverwaltung habe selbst Fachleute und „die sollten ihren Sachverstand einsetzen“.
Stattdessen „versucht sich die Stadt bis zum Gehtnichtmehr über Gutachten abzusichern und die Verantwortung wird hin- und hergeschoben“, so Grumbt. „Ich vermisse in der Stadt Führungsverantwortung“, konstatiert Harry Fuchs und Stephan Grumbt sagt sofort: „Das unterstreiche ich.“
Deshalb appellieren die Gruppierungen, dass endlich eine durchdachte Gesamtverkehrsplanung gemacht wird, denn, so Fuchs: „Dafür ist die Stadt da!“