Es ist idyllisch hier. Auf den Gräbern des Friedhofs in Allmannsdorf blühen die Fuchsien, Geranien und Begonien. Eigentlich ist dies ein Ort der Ruhe. Doch gleichzeitig wird der Friedhof zum Zentrum eines Aufschreis. Denn hier sollen Studenten Unterschlupf finden – zumindest wenn man einem Inserat auf einer Online-Plattform für Wohnungsvermittlung glauben soll.
Moment, was bitte? Es ist eine kuriose Geschichte. Alles fängt mit einem anonymen Hinweis an: „Hiermit möchte ich darauf aufmerksam machen, wie die Notlage Studierender in Konstanz bezüglich des sehr begrenzten Wohnungsmarkts schamlos ausgenutzt wird.“ Das schreibt eine Franziska F., die sich per Mail an die SÜDKURIER-Redaktion wendet, danach aber nicht mehr zu erreichen ist. Sie hat eine Anzeige auf der Vermittlungsplattform vierwaen.de gelesen: „Gemütlicher Schlafplatz im Garten mit Top-Lage zur Universität.“

Ein kurioses Angebot: Campen ohne Toilette
Hört sich doch eigentlich gar nicht so schlecht an. Doch es gibt einen Haken: Der Schlafplatz sei auf einem privaten Gartengrundstück. Mehrpersonen-Zelte seien aufgestellt. Die Studenten bräuchten nur ihre persönlichen Sachen mitbringen, heißt es in der Annonce.
Allerdings: Sanitäre Anlagen gebe es auf dem Gelände nicht, sondern auf einem naheliegenden öffentlichen Gelände. Wer sich gar duschen wolle, müsse einen zehnminütigen Weg zum Uni-Sportgelände auf sich nehmen. Dieses „Inklusiv-Paket“ gibt es für 20 Euro pro Nacht.

Es wird noch kurioser: Die angegebene Adresse ist die des Friedhofs. Im Inserat steht auch ein Name. Es soll der des angeblichen Anbieters sein, und der Nachname erweckt den Eindruck, es könne sich um einen Schweizer handeln. Er soll Martin G. heißen.
Nachfrage vor Ort. „Martin G.? Nein, so einen Nachbarn kenne ich nicht“, sagt ein Anwohner und rät, sich im Bereich der Bundesnetzbehörde umzusehen, da gebe es Gartengrundstücke. Und tatsächlich: Der Garten, der auf einem Foto in der Anzeige abgebildet ist, befindet sich dort. Ein Zelt steht auf dem Grundstück. Es ist halb zusammengefallen. Ein Unterstand, eine Grillstelle und eine Biertischgarnitur schmücken den Garten. Ist das Ganze nur ein Scherz? Die Hinweise darauf verdichten sich.
Mieterbund und Seezeit glauben an einen Scherz
„Meine Einschätzung: Die Anzeige ist eine Satire“, sagt Winfried Kropp, Pressesprecher des Deutschen Mieterbundes (DMB) in Konstanz. „Wenn man die Anzeige so liest, dann wird darin die Wohnungsnot von Studierenden überspitzt auf den Punkt gebracht“, glaubt er.

Dieser Meinung ist auch Helmut Baumgartl, Geschäftsführer des Studierendenwerks Seezeit in Konstanz. „Das ist sarkastisch zu verstehen und zieht die Situation fast schon ins Lächerliche“, sagt er. Wirklich zum Lachen bringt Baumgartl diese Anzeige allerdings nicht. „So eine Annonce ist ein zweischneidiges Schwert. Es macht einerseits auf die prekäre Situation der Studenten aufmerksam. Das ist gut“, sagt der Seezeit-Geschäftsführer.
Hilfreich sei so eine Überspitzung dennoch nicht, denn das treibe auch die Preisspirale bei den Vermietungen auf dem privaten Immobilienmarkt nach oben. „Profitorientierte Vermieter neigen vielleicht zu Preisanpassungen, wenn sie was von einer Wohnungsnot unter Studenten lesen“, erklärt Baumgartl und sagt weiter, dass der Verfasser anderen Studenten damit einen Bärendienst erwiesen habe.

Erst vor Kurzen hat das Online-Portal Immoscout24 mit einer fraglichen Plakataktion Aufmerksamkeit bei der Wohnungssuche von Studenten erregt. Auf dem Plakat ist eine junge Studentin namens Laura mit Katze Mia zu sehen, die für 550 Euro eine Wohnung in der Innenstadt sucht. Es handelte sich aber nur eine Werbeaktion des Immobilienportals. „Das Plakat suggeriert, dass Studenten eine bezahlbare Wohnung über das Portal finden. Dabei treibt so eine Aktion nur die Preisspirale noch mehr an“, schimpft Baumgartl.
Bauaufseher besucht Grundstück – findet aber nichts
Dass die Suche oder besser gesagt das Finden einer bezahlbaren Wohnung auf dem freien Markt in der Stadt nicht einfach ist, davon können auch die Konstanzer Studenten Tom Fimpel und Marc Gierich ein Lied singen. „Wir hatten Glück und haben was gefunden“, sagt Student Fimpel. Aber wenn sie nichts Bezahlbares gefunden hätten, hätten sie das Campingangebot ohne Toilette nie angenommen.
„Das ist das Kurioseste, was ich seit langen gehört habe“, sagt Tom Fimpel. „20 Euro pro Nacht? Für einen Schlafplatz im Zelt?“, fragt sein Freund Marc Gierich nach. Er kann nur den Kopf schütteln. „Das wäre ja Wucher“, findet er. Die Studenten schauen sich an und lachen. So richtig ernst nehmen können sie dieses Inserat nicht.

Unabhängig davon, ob das Angebot echt oder ein Scherz ist: Ist eine solche Offerte überhaupt rechtens? Nein, ist es nicht! Das sagt Elena Oliveira, Pressesprecherin der Stadt Konstanz. Daher hat sich die Bauaufsichtsbehörde der Stadt das Grundstück Ende August angesehen.
„Es konnten auf diesem Grundstück keine vermietbaren, nutzbaren Zelte festgestellt werden. Eine Grundstücksnutzerin wusste auch nichts von derartigen Angeboten. Auf die Rechtslage wurde hingewiesen“, schreibt Oliveira auf SÜDKURIER-Nachfrage. Weitere rechtliche Schritte werden daher nicht eingeleitet.
Wie geht die Geschichte nun aus? Sie verpufft. Die Anzeige, die am 17. August online ging, ist Anfang September nicht mehr aktiv. Warum? Hat der Anbieter die Anzeige entfernt? Wurde die Anzeige als Betrug gemeldet? Oder war es doch nur als Scherz gedacht? Eine Antwort gibt es darauf leider nicht.
Weder der Verfasser der Anzeige noch die Verantwortlichen der Online-Plattform melden sich auf SÜDKURIER-Nachfrage. Was bleibt also übrig? Eine kuriose Geschichte, die auf den hart umkämpften Wohnungsmarkt in Konstanz verweist. Nur bleibt den meisten Beteiligten das Lachen im Halse stecken.