Wenn man so will, setzt sich Herbert Weber seit 50 Jahren für 50 Prozent aller Konstanzer ein. Denn ungefähr so viele leben laut Statistik zur Miete – und ein halbes Jahrhundert, so lange ist der heute 82-Jährige im Vorstand des Mieterbunds Bodensee. Zum Gespräch mit dem SÜDKURIER hat er eingeladen in seine hübsche Mietwohnung in Wollmatingen.
Es gibt viel zu besprechen. Zum Beispiel, ob es schon immer so schlimm auf dem Mietmarkt war. Dazu hat Herbert Weber eine klare Meinung. Er tritt auf den großen Balkon, auf dem er Tomaten anbaut, seitdem er den Kleingarten der Tochter vermacht hat. Süße, längliche, die wie riesige Weintrauben aussehen, und aromatische winzige. Es läuft einem das Wasser im Mund zusammen.
Leerstand schmeckt ihm gar nicht
Der Leerstand von eigentlich vermietbaren Wohnungen schmeckt Weber dagegen gar nicht. „Ich kenne einen Fall, da wohnt seit Jahren nur noch ein älterer Herr in einem privaten Mehrfamilienhaus“, sagt er. Alle anderen Wohnungen stünden leer. Auch die Stadt wisse Bescheid, machen könne man derzeit nichts. Als der SÜDKURIER der Sache nachgeht, stellt sich heraus, dass es Pläne für das Gebäude gibt. Laut Pressesprecher Walter Rügert soll es einem Neubau weichen. „Ein entsprechender Bauvorbescheid ist bereits erteilt.“
Darf ein Privateigentümer nicht mit seinem Gut tun und lassen, was er möchte, solange er keine Regel wie etwa das Zweckentfremdungsverbot bricht? Oder müssen Hausbesitzer stärker in die Pflicht genommen werden – und sich öffentliche Debatten über ihr Eigentum gefallen lassen? Weber hat die Frage für sich beantwortet, schon lange. „Ich steh zu meiner Meinung“, sagt er.
Weber nimmt kein Blatt vor den Mund
Weber ist ein Polterer – wenn etwas aus seiner Sicht gegen die Interessen der Konstanzer Mieter und Mietsuchenden verstößt, will er das Problem in die Öffentlichkeit ziehen. Auch wenn er damit mal über das Ziel hinausschießt. Zwar gefällt diese Art nicht allen in der Stadt, aber sie scheint funktioniert zu haben: In den 80ern setzte sich Weber dafür ein, dass städtische Wohnungen im Paradies nicht verkauft werden, um das Schwaketenbad zu finanzieren. Heute will er einer Alleinerziehenden helfen, die aus ihrer Wohnung raus muss, oder setzt sich für ein schärferes Zweckentfremdungsverbot ein.

Für die Lösung auf kommunaler Ebene hält er: Bauen. „Wir brauchen Mietwohnungen und zwar schnell.“ Die Zukunft des Wohnbaus müsse in mehrgeschossigen Objekten liegen – nicht nur, dass so weniger Flächen versiegelt und Platz gut ausgenutzt würde, auch für die Umwelt sei es besser. „Deswegen verstehe ich zum Beispiel überhaupt nicht, warum einige Grüne im Gemeinderat gegen das Projekt in Allmannsdorf auf der Jungerhalde sind.“
Dort sollen rund 250 neue Wohnungen auf einer Ackerfläche am Rande des Ortsteils entstehen. Doch die Bürgervereinigung Allmannsdorf ist dagegen. Sie nennt ökologische Gründe – aber hat auch ästhetische Vorbehalte. Etwa, dass mehrgeschossige Wohnungen nicht ins Ortsbild passen würden.
Ministerin müsste es besser wissen
„Ausgerechnet die sind dagegen, die selbst gut mit Wohnraum versorgt sind. Namentlich der Vorsitzende und der Ehrenvorsitzende.“ Ihn ärgert es, wenn er Aussagen wie die der Chefin des neu geschaffenen Landesministeriums für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi (CDU), liest. Als die jüngst im Hegau unterwegs war, sagte sie, dass junge Familien sich ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen können müssen. „Das verstehe ich wirklich nicht, sie müsste es doch besser wissen“, sagt Weber. Es dürfte doch wirklich allen klar sein, dass der Traum vom Einfamilienhaus zu Ende ist.
Dass die Stadt Konstanz im Hafner einen neuen Stadtteil mit viel Raum für Mieter bauen will, findet er gut. „Es könnte alles schneller gehen!“, sagt er. Und wieder seien es Einzelpersonen, die den Fortschritt ins Stocken brächten. Nämlich die Grundbesitzer, die nicht verkaufen möchten. Einige davon nutzten die Flächen nicht – es gebe also keinen Grund, nicht zu verkaufen. „Außer, man hofft, später damit noch mehr Geld machen zu können“, so Herbert Weber.
„Mietmarkt“ ist für Weber der falsche Begriff
Finanzielle Einzelinteressen gegen das Recht auf ein Dach über dem Kopf – was wiegt mehr? Für Weber ist es klar. „Ich finde es schwierig, dass es überhaupt ‚Mietmarkt‘ heißt, wo ein Dach über dem Kopf doch ein Grundrecht ist.“
Glaubt er, dass die Mieten weiter steigen werden, auch mit Hafner? „Ja, definitiv. Diese Entwicklung ist nicht zu stoppen, weder in Konstanz noch anderswo.“ Der einzige Weg raus sei, parallel günstigen Wohnraum zu schaffen. Und keine Flächen im Besitz der Stadt zu verkaufen. „Wir brauchen den Zuzug, wir brauchen die Arbeitskräfte, wir brauchen die Wohnungen für die Krankenschwester, den Pfleger – und die Konstanzer, die schon hier sind.“