Die Landesregierung hat die Forderungen der Initiative in weiten Teilen übernommen und zusätzliche Maßnahmen für verschiedene Felder des gesellschaftlichen Lebens eingefügt. Wesentliche Punkte sind der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf 30 bis 40 Prozent und die Reduktion der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent bis 2030, das komplette Verschwinden von Pestiziden in ausgewiesenen Naturschutzgebieten und die Einhaltung der Vorgaben des integrierten Pflanzenschutzes in den übrigen Schutzzonen, der Erhalt von Streuobstbeständen und der Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds auf 15 Prozent der Landesfläche.
Der Bodanrück besteht zu rund 70 Prozent aus Naturschutzgebiet. „Wir könnten unseren Laden also dicht machen“, sagt Thomas Romer vom Obsthof Romer in Litzelstetten. Romer rechnet vor: „Ich dürfte ab 2022 etwa 15 Hektar, rund 70 Prozent meiner Flächen, nicht mehr obstbaulich bewirtschaften, da sie im Naturschutzgebiet liegen, falls keine Ausnahmeregelungen gefunden werden.“ Diese Worte schrieb er auch an Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer. Auf seinen Nutzflächen, die im Naturschutzgebiet liegen, war bisher ordnungsgemäße Landwirtschaft erlaubt.
Nach dem geänderten Naturschutzgesetz ist jeglicher Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, also auch biologischer, dort ab 2022 nicht mehr erlaubt. „Das würde bedeuten, dass ich Gesundheit und Ertrag meiner 36.000 Apfelbäume, 2000 Birnbäume, 1000 Kirschbäume, 1000 Zwetschgenbäume, außerdem Aprikosen, Pfirsiche, Nektarinen, Tafeltrauben, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren und Quitten nicht mehr sichern könnte.“
Unter dem Strich hieße das: „Ein wirtschaftliches Weiterführen meines Betriebes wäre nicht mehr möglich. Es stünden dann 1,3 Millionen Euro Investitionen, die ich in den letzten 25 Jahren getätigt habe, nutzlos in der Landschaft und auf dem Hof.“
„Unser Betrieb versorgt ungefähr 20.000 Menschen“
Thomas Romer möchte jedoch nicht jammern, sondern auf die Menschen zugehen und sie überzeugen – Lust auf Landwirtschaft, heißt sein Credo. „Wir Bauern müssen raus zur Bevölkerung. Niemand soll glauben, dass wir mit Pflanzenschutzmitteln unsere Umwelt vernichten wollen.“ Die Vermittlung des Wissens, dass unter anderem die Bauern vom Bodanrück die Nahversorgung sicherstellen, sei ein zentrales Element.
„Wir vermarkten unser Obst seit Jahrhunderten auf dem Konstanzer Wochenmarkt“, erklärt er. „Außerdem betreiben wir einen Hofladen und beliefern regionale Einzelhändler mit unseren Produkten unter der Regionalmarke ‚Gutes vom See‘. Wir produzieren sowohl biologisch als auch integriert. Unser Betrieb versorgt ungefähr 20.000 Menschen mit heimischem Obst.“
Der Schock des Biodiversitätsstärkungsgesetzes sitzt laut Thomas Romer immer noch tief bei den Bauern auf dem Bodanrück. „Betriebe im Naturschutzgebiet Bodenseeufer in Konstanz und auf der Höri gehören zu den strukturreichsten und vielfältigsten im Land. Warum sind gerade diese vom Verbot der Pflanzenschutzmittel am härtesten betroffen, wo sie doch der Biodiversität sehr dienen?“ Jede Benachteiligung führe auf Dauer zur Aufgabe der Betriebe.
Baden-Württemberg hat laut Statistischem Landesamt seit 1950 360.000 Höfe verloren und damit über 95 Prozent der Habitate durch Flurbereinigung oder Flächenzusammenlegungen. In Litzelstetten existierten in den 70er-Jahren 30 Betriebe – heute sind es nur noch zwei. Thomas Romer: „Mit jedem Betrieb verlieren wir ein Stück aus dem Anbaumosaik der landwirtschaftlichen Fläche. Schon jetzt ist klar, dass von den 40.000 verbliebenen Betrieben nur 10.000 einen Nachfolger haben.“
Also stellte er einen Antrag beim Regierungspräsidium: „Hiermit beantrage ich eine unbefristete Ausnahme vom Pflanzenschutzmittel-Verbot im Naturschutzgebiet Bodenseeufer, da es für meinen Betrieb eine existenzbedrohende, unbillige und nicht gebotene Härte darstellt und sich der Charakter des Schutzgebietes ohne die aktive Bewirtschaftung meiner 14 Obstarten zum Nachteil der Natur, der Artenvielfalt und der Insekten verändern würde.“
„Ziel des Landes ist ein ausgewogener Artenschutz„
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Nese Erikli möchte sich für den Erhalt der Höfe einsetzen. Sie schreibt auf SÜDKURIER-Anfrage: „Die Frage ist nicht ‚Bauernhöfe oder Naturschutz‘, sondern ‚Bauernhöfe und Naturschutz‘. Das erklärte Ziel des Landes ist ein ausgewogener Artenschutz und neben dem Erhalt der biologischen Vielfalt auch die Stärkung der unverzichtbaren bäuerlichen Landwirtschaft. Dies unterstütze ich voll und ganz.“
An dieser Lösung habe die Landesregierung mit Landwirtschaft und Naturschutzverbänden gemeinsam erfolgreich gearbeitet. „Was die Erzeuger auf dem Bodanrück hier bereits heute zu bieten haben, hat der Konstanzer Bio-Markt im Oktober eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“
Kommen Ausnahmeregelungen für die Bauern?
Auch Levin Eisenmann, CDU-Kandidat für die Landtagswahl im März, hofft auf Ausnahmen für die Bauern: „Die Politik muss sich für die familiengeführten Unternehmen einsetzen und sie schützen und nicht immer wieder mit neuen Auflagen Druck ausüben.“
Der Landwirtschaft sei pauschal der Schwarze Peter zugeschoben worden, „und das geht einfach nicht. Wir müssen Möglichkeiten aufzeigen, wie die Höfe in der bisherigen Art weiterarbeiten können. So wie das Thomas Romer gemacht hat.“ Die Entscheidung liegt nun beim Ministerium.