Bernhard und Erika Lütte freuen sich auf den Abend. Klar, es spricht so einiges gegen einen Besuch des Oktoberfests: der Dauerregen auf dem Festplatz zum Beispiel. Oder die allgemeine Teuerung bei Speis und Trank. Aber das Paar aus Bad Säckingen ist überzeugt: „Die Festbänkler“ spielen heute, die beiden mögen die Musik – „und für 23 Euro Eintritt kann man sich sonst kaum eine Band anhören“, sagt Bernhard Lütte.

Dass der Liter Bier hier 14,30 Euro koste, wisse er – doch auch bei anderen Live-Konzerten bekomme man kaum noch ein Getränk unter dem Preis von zehn Euro. „Wir hatten dieses Jahr ein großes Fest im Dorf. Da haben wir mitbekommen, wie hoch die Kosten sind, die ein Veranstalter dabei trägt“, ergänzt seine Frau Erika.
Speisen und Getränke zu hohem Preis
So viel Verständnis wie Ehepaar Lütte bringen nicht viele Oktoberfestgäste dem Veranstalter entgegen. Die Maß Bier kostet in diesem Jahr in Konstanz 14,30 Euro. Das Viertele Wein 8,10 Euro, einen Teller Kässpätzle bekommt der Zeltgast für 18,90 Euro. Das ärgert nicht nur so manchen Leserbriefschreiber, der sich an den SÜDKURIER wandte.
So liest man eine gewisse Empörung auch aus vielen Google-Rezensionen im Internet. Verteilten die Festbesucher in den Jahren vor der Pandemie noch großzügig Sterne, gibt es in diesem Jahr kaum mehr als einen Stern pro Bewertung. Die Nutzer kritisieren die schlechte Organisation des Fests und lange Wartezeiten bereits beim Eintritt ins Zelt. Alle News zu den steigenden Bierpreisen in Karlsruhe gibt es hier.
Bei den Preisen für die Speisen sprechen manche von „überteuert“, andere von Abzocke. Der Service sei schlecht, die Servicekräfte unfreundlich, monieren andere. Zum Teil hätten Gäste ihr Essen gar nicht mehr bekommen. Die Toiletten seien kaum beleuchtet gewesen, zudem nicht in gutem Zustand. Mehrfach habe es Stromausfälle gegeben, verstärkt am Freitag des ersten Festwochenendes. „Sehr schade, was aus dem Oktoberfest geworden ist“, schreibt ein Nutzer, der sich an Oktoberfeste erinnerte, wie sie vor wenigen Jahren stattfanden.
„Lieblos“ und verschimmelte Zeltplanen
Ein Leserbrief-Schreiber äußert sich so: „So lieblos, fast ekelhaftes Essen, keine Deko, verschimmelte Zeltplanen, üble Toiletten (plus Bezahlung), ganz zu schweigen von den Preisen (14,30 Euro für die Maß Bier)“.
Auch vor Ort ist die Atmosphäre wohl anders als in Vorjahren. Ewald Kudermann sortiert die Auslage seiner Bude, an diesem regnerischen Vormittag ist so gar nichts los bei den Fahrgeschäften. „Dieses Jahr läuft es schlechter als in anderen Jahren“, räumt er freimütig ein. Seit etwa 20 Jahren ist der Schausteller mit seiner Bude zum Kübelwerfen beim Oktoberfest dabei. „Man hört von den Gästen, dass alles zu teuer ist und nicht so schön wie vor der Pandemie“, sagt er. Das Zelt sei am Wochenende zwar voll. Doch die Gäste kämen einmal, auf eine Wiederholung verzichteten sie. Für den 70-Jährigen passt das Geschäft trotzdem: „Ich nehme es, wie es kommt.“

Ein paar Meter weiter eilen drei Kellner zu ihrem nachmittäglichen Dienst. Sie wollen ihre Namen nicht nennen, doch die Kritik am Service bestätigen sie. Viele Gäste seien unzufrieden, weil es lange dauere, bis das Essen komme. Im Service seien viele neue, unerfahrene Mitarbeiter eingestellt worden.
Veranstalter zeigt sich dennoch zufrieden
Der Festveranstalter selbst kann mit der Kritik nicht viel anfangen. „Wir sind sehr zufrieden und können auf ein schönes, friedliches erstes Wochenende zurückblicken“, schreibt Lisa Hage, Projektleitung Marketing und Öffentlichkeit bei Fetscher Zelte GmbH auf SÜDKURIER-Anfrage. Dass es an einem Freitag zu Stromausfällen gekommen sei, habe mit Stromschwankungen im Netz zu tun gehabt. Sie hätten den Überspannungsschutz der Technik ausgelöst, so Hage.
Zu den Problemen im Service hält sich Lisa Hage knapp: „Wir haben ausreichend und vor allem junge Servicemitarbeiter.“ Auch das Problem, dass zu wenige Toiletten eingerichtet wurden, kann der Veranstalter nicht erkennen: Es sei die maximale Anzahl an Toiletten vor Ort, zudem gebe es eine Urinalrinne.
Die letzte Ausgabe des Oktoberfests?
Bleibt die Sache mit den Speise-Preisen. Die Teuerung bei Speisen und Getränken habe man den Gästen bereits im Vorfeld über einen Social-Media-Post erklärt, schreibt Lisa Hage: In einer einfachen Grafik zeigt er die Preisentwicklung im wirtschaftlichen Umfeld des Fests an: 28 Prozent Preissteigerung bei den Personalkosten (Mindestlohn), 42 Prozent bei Energie und Sicherheitsdienst und 29 Prozent bei den Verbraucherpreisen bei den Nahrungsmitteln. Dazu der knappe Satz: „Preisentwicklungen bis zu 33 Prozent Erhöhung zwingen uns zu Preissteigerungen auf dem Oktoberfest 2022.“
Schon einige Zeit hält sich in Konstanz das Gerücht, dass es die letzte Ausgabe des Oktoberfests auf Klein Venedig sein soll. Doch was ist dran? Zumindest die Fetscher Zelte GmbH scheidet als Veranstalter für etwaige Folgeauflagen laut eigenen Aussagen aus. „Festwirt Hans Fetscher wird für ein zukünftiges Oktoberfest nicht mehr zur Verfügung stehen.“ Das wird manchen Feiernden bitter enttäuschen. Und für andere wird die Nachricht angesichts der enttäuschten Feierfreude in diesem Jahr leichter zu verkraften sein.