Für Baldur Patzel ist eine Sache sicher und eine nicht. Der junge Aktivist engagiert sich bei Fridays for Future, und während die Stadträte in Richtung Ratssaal eilen, steht er mit einigen anderen vor dem Rathaus und hält ein Plakat hoch. „Kein Verkauf ohne Transparenz“ steht darauf. Sicher ist für Baldur Patzel: Bei der Frage zur Zukunft der Stadtwerke Konstanz liegen nicht alle Karten offen auf dem Tisch. Nicht sicher ist für ihn: Ist die Thüga ein geeigneter Partner?

Genau so sehen es allerdings die Stadtwerke selbst – und vermutlich auch eine Mehrheit des Gemeinderats; das lässt sich aus den zumeist kurzen Gesprächen heraushören, die einige Stadträte mit den Protestierenden führen. Mehrere Politiker der Freien Grünen Liste und der Linken bedeuten den Demonstrierenden, dass es für eine kritische Haltung zum geplanten Gemeinschaftsunternehmen wohl keine Mehrheit gebe. Die Thüga gilt als Teil der Gaswirtschaft und macht Lobbyarbeit dafür, dass es auch so bleibt.

Zwei Innenhöfe weiter, im historischen Ratssaal, verlagert sich das Ringen um die Zukunft der Konstanzer Stadtwerke dann auf die politische Bühne. Immerhin geht es, wie Fridays-for-Future-Mitglied Thorben Klee sagt, um die attraktivsten Teile der Konstanzer Stadtwerke: Die Energiesparte und die wertvollen Leitungsnetze der Stadt. Sie sollen in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden, an dem die Stadt künftig 74,9 und der Thüga-Konzern 25,1 Prozent halten. Die defizitären Bäder und Busse bleiben dagegen bei den Stadtwerken allein.

Guter Rat ist teuer: Fachleute können auch länger als einen Tag arbeiten

Bevor der Gemeinderat zu diesem Zusammenschluss eine Absichtserklärung abgibt – angepeilt ist der 20. Juli -, ist guter Rat teuer: Die Politik hat die Begleitung durch ein Expertengremium durchgesetzt. Nicht um die Diskussion auszulagern, wie SPD-Stadtrat Jan Welsch betont, sondern um sie um weitere Perspektiven zu erweitern. Mangelnde Courage vor etwas, das schon mal als „Jahrhundertentscheidung“ bezeichnet wurde, will sich im Rat niemand nachsagen lassen.

Auf der anderen Seite ist ein gewisses Misstrauen im Ratssaal fast mit Händen zu greifen. Immer wieder geht es in der Debatte darum, ob der Expertenrat schon gut besetzt ist; am Ende wird das Gremium noch um einen Vertreter oder eine Vertreterin der Gewerkschaften erweitert. Und wenn der Expertenrat nach dem vorgesehenen Beratungstag am 6. Juli nicht fertig ist mit seiner Abwägung, kann er nun doch noch einen weiteren Termin machen. Das war im Vorwege auch nicht unbedingt vorgesehen.

Experten tagen unter sich, die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit vorgestellt

Was die nominierten Vertreter der Parteien, der Stadtverwaltung und der Stadtwerke erarbeiten, wird im Ergebnis öffentlich vorgestellt, aber die Beratungen selbst bleiben nicht-öffentlich. Gegen so viel Transparenz spräche, dass man einen „geschützten Raum“ versprochen habe, wie OB Burchardt es ausdrückt. Oder dass man nicht „das ganze Gremium der Öffentlichkeit aussetzen“ wolle, so Hauptamtsleiterin Charlotte Biskup.

Vor allem die bürgerlichen Fraktionen, aber auch OB Burchardt selbst, sorgen dann dafür, dass ein Antrag von Gabriele Weiner (Junges Forum) auf eine öffentliche Beratung des Expertenrats mit 19 Nein- bei 13 Ja-Stimmen abgelehnt wird. Es bleibt also dabei, dass die Berater aus Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgergesellschaft unter sich tagen. Für die Bürger, so Burchardt, gab es ja bereits eine von den Stadtwerken und dem SÜDKURIER gemeinsam gestaltete, gut besuchte Podiumsdiskussion in der Spiegelhalle, die in zwei Stunden viele Fakten vermittelt habe.

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Was ungewiss bleibt, ist der Zeitplan. CDU-Stadträtin Heike Rawitzer spricht von einem „Entscheid unter großer Unsicherheit“, und niemand scheint bisher genau zu wissen, wann der Stand der Unsicherheit für eine Weichenstellung erträglich wird. Susanne Heiß von den Freien Wählern warnt: „Die Thüga wartet nicht bis zum Nimmerleinstag auf uns“ und fordert von den Politikern den Mut ein, wie Unternehmer zu entscheiden, statt zu zaudern.

OB Burchardt wird griffig: „Wer das verzögert, will es verhindern“

Genau hier läuft, auch das macht die Debatte deutlich, eine weitere Trennlinie durch den Ratssaal. Simon Pschorr von der Linken Liste sagt: „Künstlich Druck aufbauen, ist keine Lösung“. Roger Tscheulin mahnt, die Stadtwerke hingen im Moment in der Luft und könnten keine strategischen Entscheidungen treffen, bevor sie nicht wüssten, ob es mit oder ohne Gesellschafter weitergeht. Oberbürgermeister Uli Burchardt appelliert geradezu: „Diese Frage ist sehr gewichtig, aber es ist nicht unmöglich, das Ende Juli zu entscheiden“. Doch er wird auch griffig: „Wer das verzögert, will es verhindern“, sagt er, und beginnt dann einen Satz, dessen Ende am Ende offen bleibt: „Wenn wir diesen Zeitplan verlassen...“

Zu drei Vierteln im Stadtwerke-Rot für den 74,9-Prozent-Mehrheitsgesellschafter, zu einem Viertel Thüga-Blau für den neuen Partner: Die ...
Zu drei Vierteln im Stadtwerke-Rot für den 74,9-Prozent-Mehrheitsgesellschafter, zu einem Viertel Thüga-Blau für den neuen Partner: Die Konstanzer Gaskugel wäre nach den aktuellen Plänen im gemeinsamen Besitz der beiden Unternehmen. | Bild: Timm Lechler / Montage: Frank Hohlfeldt

Thüga-Einstieg bei den Stadtwerken: Worum geht es?

Thorben Kleeh hört sich die ganze Diskussion von den Zuschauerbänken aus konzentriert an. Vor dem Rathaus hatte er gesagt, er könne nicht nachvollziehen, warum die Thüga eine Sperrminorität bekommen und damit so großen Einfluss auf die Gestaltung der Energiewende in Konstanz bekommen solle. Bei vielen Zahlen gebe es keinerlei Transparenz – zum Beispiel, wie viel Geld die Thüga mitbringt, wie viel Rendite sie erwartet, was das für die Verbraucher bedeutet. Und, ja, er und seine Mitstreiter wollten die Entscheidung verzögern. „Aus gutem Grund“, wie sie betonen.