Sommer am Seerhein. Das ist ein wenig wie Urlaub. Für manche ist es sogar Urlaub. Für andere am Wochenende oder an den Abenden unter der Woche die Möglichkeit, vom Alltag abzuschalten. Sonnen, baden, grillen, mit Freunden reden und feiern. Primär die Jugend nutzt diesen herrlichen Streifen als Treffpunkt.

Das Problem: Rund 800 Menschen wohnen nur wenige Meter von Ufer und Grünanlagen entfernt. Hier treffen die Wünsche nach Party und die Sehnsucht nach Ruhe und Erholung in lauen Sommernächten knallhart aufeinander. Und auch Social Distancing wird nur, wenn überhaupt, halbherzig betrieben.

Der Ruf nach mehr Mülleimern
Es ist früher Abend. Viele Grüppchen sitzen beieinander, die vornehmlich jungen Menschen trinken Bier, Wein, Hochprozentiges und allerlei Mischgetränke. Die Stimmung ist ausgelassen und friedlich. Als ein paar Teenager erfahren, dass hier über ein Versammlungsverbot wegen Müll und Lärm nachgedacht wird, reagieren sie überrascht.
„Wieso stellt die Stadt dann nicht mehr Mülltonnen auf?“, fragt Luci De Groot. Ihre Freundin Leonie Richter nickt zustimmend. „Haben Sie sich mal die Toiletten angeguckt? Die sind ekelhaft und unhygienisch.“

Juri Drefahl, der ebenfalls zur Clique gehört, findet ein nächtliches Versammlungsverbot gar nicht so verkehrt. „Ich persönlich fühle mich mittlerweile nach Sonnenuntergang sehr unwohl hier“, sagt er. „Hier sind nachts komische Leute unterwegs, denen man nicht begegnen möchte.“

Gleichzeitig möchte der 19-Jährige eine Lanze brechen für seine Generation: „Wir haben eine Mülltüte dabei und nehmen unseren Dreck mit – wie viele andere auch, leider aber nicht alle. Ich denke, dass die Stadt kein Recht hat, uns den Zugang zum See hier zu verbieten.“

Sperrung des Gebietes? „Das wäre nur eine Verlagerung des Problems“
Ein paar Meter weiter spielt eine Studentengruppe Beerpong. Auf einem Spieltisch muss ein Tischtennisball in gefüllte Bierbecher auf der anderen Seite des Tisches geworfen werden. „Schau dich um, es gibt viel zu wenige Mülleimer für diese große Anzahl von Menschen“, sagt Finn Wilkesmann, der an der Uni Wirtschaftswissenschaften studiert.
„Wenn die Menschen hier verscheucht werden, gehen sie woanders hin. Damit würde das Problem nur verlagert werden“, sagt der junge Mann aus Nordrhein-Westfalen. Auch für seine Gruppe ist es selbstverständlich, leere Bierflaschen, Chipstüten oder Pizzaschachteln abends ordnungsgemäß zu versorgen.
Irgendwann wird es richtig laut
Je später der Abend, desto lauter die Menschen. Rund um die Mülleimer stapeln sich Bier-, Wein- und Schnapsflaschen. Der Alkoholkonsum lässt die Grenzen zwischen geselligem Beisammensein und Lärmbelästigung verschwimmen. „Irgendwann kommen die Schreie über den Seerhein zu den Personen auf der anderen Seite“, erzählt Jens Peter Volk, der wenige Meter neben der Promenade im Erdgeschoss in einer Mietwohnung lebt.

Plötzlich kommt ein junger Mann und pinkelt in den Vorgarten
Auf seiner Terrasse sind im Laufe der Jahre schon zahlreiche Personen erschienen – stark angetrunken oder von Drogen vernebelt. Der illuminierte und sehr gepflegte Garten der Hausgemeinschaft wird gerne als Toilette genutzt. Auch an diesem Abend. Ein junger Mann stellt sich ganz unverhohlen neben eine Pflanze und erleichtert sich.
„Zwei Prozent versauen den anderen den Spaß“
Auf Zurufe reagiert er nicht wirklich, dreht sich nur in aller Seelenruhe in die andere Richtung. Das Plätschern ist sehr gut zu hören und verbreitet ein unangenehmes Gefühl. „Es sind vielleicht zwei Prozent der Feiernden, die sich komplett daneben benehmen“, schätzt Jens Peter Volk. „Spaß haben ist doch wunderbar, wir sitzen auch gerne am See mit einem Glas Wein. Aber wenn nachts gebrüllt wird oder Junkies mit ihrem Kopf an meine Fensterscheibe schlagen – das ist nicht in Ordnung.“
Direkt unter dem Balkon wird gefeiert – jeden Tag bei schönem Wetter
Zwei Häuser weiter Richtung Bodenseeforum sitzen Claudia und Jochen Hildenbrand auf dem Balkon ihrer Eigentumswohnung. Direkt unter ihnen sitzen die Menschen in Gruppen an der Promenade. „Heute ist es noch verhältnismäßig ruhig“, sagen sie. Es ist nach Mitternacht. Eine Polizeistreife bahnt sich langsam ihren Weg durch die Feiernden.
„Wir Ältere sollen uns zurücknehmen“
„Ich bewundere die Beamten, dass sie so ruhig und ausgleichend sind“, sagt Jochen Hildenbrand. Laute Musik dröhnt hinauf zum ersten Stock. „Aus zahlreichen Reaktionen der Stadt, unter anderem vom Oberbürgermeister, gewinnen wir den Eindruck, dass man ein Jugend freundliches Konstanz möchte, in dem sich die Älteren ein wenig zurücknehmen sollten.“

Der Kommunale Ordnungsdienst hat laut Rathaussprecher Walter Rügert festgestellt, „dass das Personenaufkommen insbesondere seit den letzten Corona-Lockerungen auffallend gestiegen ist und vermehrt Ruhestörungen aus dem Bereich Herosé-Park, aber auch vom sonstigen Rhein- und Seeufer gemeldet werden“.

Der Ordnungsdienst führe viele Gespräche, um die Anwesenden auf die Nachtruhe und die Bedürfnisse der Anwohner zu sensibilisieren. „Die Mitarbeiter lassen insbesondere spätabends Musikboxen abstellen und erteilt für besonders uneinsichtige Personen oder Gruppen Platzverweise. Zudem werden Personen auf den verursachten Müll angesprochen und aufgefordert, diesen zu beseitigen.“
Gegen zwei Uhr nachts ist vor allem der Herosé-Park stark vermüllt. Flaschensammler sind die halbe Nacht unterwegs und sichern sich Pfandflaschen.

Am nächsten Morgen räumt die Stadt auf
Der Rest bleibt entweder auf den Wiesen liegen oder rund um die überfüllten Mülleimer. Hier und da sammeln Jugendliche ihren Müll ein und verschwinden damit in der Nacht. Am nächsten Morgen ist alles aufgeräumt – bereits vor sieben Uhr sind städtische Mitarbeiter unterwegs und entsorgen die Spuren der Nacht. „Diese Menschen tun mir leid“, sagt Jochen Hildenbrand.