Im Autoradio bricht der Krieg am frühen Morgen aus. Im gewohnt nüchternen Ton verliest die Sprecherin von Bayern Klassik den Angriff auf die Ukraine. Die Reaktion ist menschlich: Der Hörer will es nicht wahrhaben und zappt. Aber es gibt kein Entrinnen. SWR. SRF. Deutschlandfunk. Ö1.

Überall das Gleiche, wo es doch um diese Zeit üblicherweise hauptsächlich um die aktuelle Corona-Lage geht. Schlimme Nachrichten waren das zumeist, und doch erscheinen sie jetzt als wär‘s gar nichts. Nein, friedlich war auch das nicht, aber letztlich doch voller Hoffnung. 24 Stunden später herrscht eine andere Zeit. Sie ist unbeherrschbar.

Und wie haben Sie am 24. Februar 2022 vom Kriegsausbruch erfahren?

Die Narren können nichts für die Irren

Die Antworten werden sich einbrennen ins kollektive Gedächtnis eines denkwürdigen Datums. So wie bei Nine-Eleven. Oder beim Mauerfall am 9. November 1989. Ein Kollege beispielsweise hat eigens wegen des Schmotzigen seinen Fahrradhelm närrisch dekoriert und will so in die Arbeit radeln. Er entfernt den Flitter als er während des Frühstücks erfährt, was in der Nacht im Osten passierte. Noch so eine menschliche, ganz und gar verständliche Reaktion. Dabei können die Narren von Konstanz und dem Bodanrück nun wirklich nichts für die Irren der Welt.

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So füllt sich der Tag nach und nach mit bedeutungsvollen Eindrücken. Oft sind es schräge Bilder. Am Konstanzer Rathaus beispielsweise wird auf Halbmast geflaggt. Es passiert gewiss nicht wegen der närrischen Machtübernahme.

Auch solche Meldungen gibt es an einem Hochtag der Fasnacht sonst nicht: Die politischen Jugendorganisationen in Konstanz kündigen für Samstag, 26. Februar, 18 Uhr, eine überparteiliche Kundgebung auf dem Münsterplatz an, zu der die Teilnehmer wegen Corona Maske tragen und Abstand halten sollen. Es ist eine zum Heulen bizarre Vernunft: In Europa wird Völkerrecht gebrochen, vor der Haustür aber wird um Einhaltung von Verordnungen gebeten.

Lustig sein bei Kriegsausbruch – geht das?

So geht es auf unterschiedliche Weise allen und jedem. Ins Häs oder nicht? Lustig sein bei Kriegsausbruch – geht das? Einfach nicht hinhören und hoffen, dass bis Aschermittwoch alles vorbei ist? Muss die Show weitergehen? Unbedingt, befiehlt der Kopf, weil Humor schon immer entwaffnend war. Auf keinen Fall, sagt das mitfühlende Herz. Vielleicht ist es auch umgekehrt, aber egal: Wer sich an dieser Fasnacht wie entscheidet, handelt in jedem Fall nur menschlich – und die Kriegstreiber sitzen definitiv woanders.

Was ebenso klar ist: Alle und jeder verspürt seit langem die Brüchigkeit der gewohnt-verlässlichen Ordnungen des Miteinanders. Vielfältig waren und sind die Angriffe, global ebenso wie lokal. Beispiel gefällig? Vor knapp zwei Wochen zog Petra Rietzler eine Bilanz der Kundgebung für Solidarität, Demokratie und Verantwortung auf der Marktstätte. Die Initiatorin wollte damit ein Zeichen setzen gegen die Hetze von Querdenkern und „Spaziergängern“ – und ist sich zugleich bewusst, dass es sich nur um Vorboten ganz anderer Konflikte handelt. Sie rücken näher, meint man – und auch dies ist nur allzu menschlich. Fakt ist: Sie sind da.

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