So hat sich die Wissenschaft das nicht vorgestellt. Lehre und Forschung sind ihr Metier, deshalb wird gefragt und geprüft. Dass sie selbst einmal ins Visier genommen werden könnte, war so nicht geplant. Immerhin, in Deutschland steht die Wissenschaft nach wie vor hoch im Kurs. „Der Großteil der Menschen schätzt hierzulande den Wert der Wissenschaft“, sagt Katharina Holzinger. Die frisch gewählte Rektorin der Universität Konstanz räumt in einem unmittelbar nach ihrer Wahl mit dem SÜDKURIER geführten Gespräch allerdings ein, dass dies längst nicht mehr überall der Fall ist.

Bild 1: US-Präsident Donald Trump hat die Geringschätzung wissenschaftlicher Erkenntnis salonfähig gemacht. Gilt das auch hierzulande? Nein, sagt die neue Rektorin der Uni Konstanz
Bild: Schönlein, Ute

Die Pandemie und der Umgang damit beispielsweise in den USA sind für sie ein aktuelles Anschauungsbeispiel. Und klar, Donald Trump nimmt dabei eine Hauptrolle ein. In den vergangenen vier Jahre hat der US-Präsident nach Ansicht von Katharina Holzinger maßgeblich dazu beigetragen, dass Geringschätzung oder Verachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse salonfähig geworden sind. In Deutschland dagegen geht aus dem jüngst veröffentlichten Wissenschaftsbarometer hervor, dass eine deutliche Mehrheit große Stücke auf die Arbeit der Wissenschaftler hält.

Der Elfenbeinturm war gestern

Wenn‘s nach Katharina Holzinger geht, soll das so bleiben, und sie ist überzeugt, dass sich die gute Position nicht aus dem Elfenbeinturm heraus verteidigen lässt. Schon jetzt gebe es etliche Versuche, den Menschen die Arbeit und die Bedeutung der Wissenschaft näher zu bringen – und das gelte durchaus auch für das direkte Umfeld der Uni Konstanz. In der Liste der Initiativen erwähnt sie die lange Nacht der Wissenschaft, das Studium Generale, die Teilnahme an der örtlichen Umsetzung der Energiewende und nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit dem SÜDKURIER-Medienhaus beim Transfer von Erkenntnissen.

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Es gehört zu den Vorzügen der neuen Rektorin, dass sie die lokalen Verhältnisse kennt. Seit 13 Jahren lehrt und forscht sie auf dem Gießberg, ist als zeitweilige Ko-Rektorin mit den Verwaltungsstrukturen an der Universität vertraut – und was auch bei der Wissenschaftlerin wichtig ist: Sie fühlt sich wohl in Konstanz. Zu ihren Zielen zählen deshalb ganz handfeste Ziele wie das Gebäudemanagement. Gut, auf dem Dach befinde sich bereits eine Fotovoltaikanlage und ein Blockheizkraftwerk steht im Keller. Darauf will sie sich in ihrer Amtszeit allerdings nicht ausruhen. Vom Ausbau der Fahrradwege zur besseren Erreichbarkeit der Uni bis hin zur Hinterfragung von Dienst- beziehungsweise Lehr- oder Forschungsreisen mit dem Flugzeug reicht die Palette ihrer selbst gesteckten Aufgaben. Der Klimawandel – für sie handelt es sich nicht nur eine wissenschaftliche Herausforderung.

Frauenquote soll deutlich nach oben

Bei der Vorgehensweise kann man bei ihr von einer an Zahlen orientierten Methodik ausgehen. Etwa wenn es um die Chancengleichheit von Mann und Frau geht: Bei 30 Prozent liegt ihren Angaben zufolge derzeit der Frauenanteil beim Personal in Lehre und Forschung an der Uni Konstanz und er soll in den nächsten zehn Jahren kontinuierlich pro Jahr um ein Prozent auf dann 40 Prozent erhöht werden. Überhaupt liegt ihr Augenmerk auf der Heterogenität: Die Universität Konstanz soll bei der Internationalität gewinnen – sowohl was die Herkunft der Studenten und des Personals als auch die Reputation betrifft.

Letzteres gehört zu den größten Herausforderungen, denn mit ihrem Exzellenz-Status befindet sich die Universität Konstanz in einer Verteidigungsposition. In zwei Disziplinen ist die Hochschule Spitze, die erstens erhalten und zweitens durch andere Bereiche ausgebaut werden soll. Potenzial dafür gibt es nach Einschätzung von Katharina Holzinger, und prinzipiell sei es immer gut, wenn man „mehrere Eisen im Feuer“ habe. Für den Erfolg will sie an den Schrauben der Personalpolitik drehen: Ihr geht es um jüngere Forscher, um Dynamik und zugleich um bessere vertragliche Perspektiven für die Wissenschaftler.

„Wir sind zum Erfolg verdammt“

Was in den Worten von Katharina Holzinger ganz unaufgeregt formuliert wird, ändert nichts am Druck, dem die Wissenschaft in ihrer Gesamtheit, die Uni im Besonderen und jeder einzelne Mitarbeiter ausgesetzt sind: „Wir sind zum Erfolg verdammt, aber wir wollen das auch so.“ Studieren wie in den 70er und 80er Jahren hat nach ihrer Auffassung wegen der stärkeren individuellen Note ihren Charme gehabt, im Kern – so zitiert sie den Titel einer Analyse – seien die Universitäten damals aber verrottet gewesen. Heutzutage dagegen sei spürbar mehr Zug im System, was dazu geführt habe, dass die deutschen Hochschulen international wieder verstärkt wahrgenommen würden.

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Und die Studenten? Katharina Holzinger glaubt nicht, dass ihnen die einstige Freiheit wirklich fehlt – schlicht deshalb, weil sie sie nicht kennen. Die Studenten würden sich an den festen Strukturen, die Verschulung des universitären Lehrbetriebs samt ihrer Effizienz orientieren und würden von ganz anderen Problemen bedrängt. In Konstanz dürften diese beispielsweise bei einer Miete von durchschnittlich 450 Euro pro Zimmer finanzieller Natur sein, zumal der Bafög-Anteil am zur Verfügung stehenden Budget geringer als in früherer Zeiten sei.

Dergleichen gehört zu den Alltagsproblemen einer Universität und sie werden Katharina Holzinger schon in der Woche ihrer Wahl zur Rektorin einholen. Im Anschluss an das Gespräch mit dem SÜDKURIER hat sie sich für den Abend das Sichten der Glückwunsch-Mails und ein paar Gespräche mit Freunden bei einem Glas Rotwein vorgenommen. Schon der gestrige Donnerstag sah eine Arbeitssitzung vor – mit 25 Tagesordnungspunkten.