Im Moment ist Matthias Wagner weit weg von Konstanz. In der Nähe von Speyer hat er Freunde besucht, jetzt ist er dort in der Pfalz und im Odenwald unterwegs.

In Konstanz ist er die meiste Zeit des Jahres. Aber es soll nicht zur Pflicht werden, hier zu leben, Matthias Wagner ist nicht an einen Ort gebunden.

Seit 2001 unter einem Vordach zuhause

Wagner hat keinen festen Wohnsitz, trotzdem ist er in Konstanz zuhause. Seit 2001 habe er hinter der Mensa der HTWG übernachtet, die Schlafstelle bietet ihm Schutz vor Regen und Wind durch ein Vordach. „Im Winter schützt dort von unten Holz, so zieht die Kälte nicht in den Schlafsack“, berichtet Matthias Wagner, warum ihm der Schlafplatz wichtig war.

Wagner darf nicht mehr bei der HTWG schlafen

Seit wenigen Wochen ist es aus mit der Übernachtungsstelle. Ihm sei durch einen Hausmeister oder anderen Verantwortlichen für die Mensa gesagt worden, dass er hier nicht mehr die Nacht verbringen dürfe und sich einen anderen Schlafplatz suchen müsse. Die Begründung sei gewesen, dass es sich um einen Lehrbetrieb handle.

Seezeit bezieht Stellung

Das Studierendenwerk Seezeit nimmt ausführlich zu dem Fall Stellung: Die Mensa der HTWG habe zwei Eingänge, einer davon führe zur Strandbar, schreibt Stephan Müller, verantwortlich für Kommunikation und Marketing bei Seezeit. „An diesem zweiten Eingang befindet sich ein kleines Vordach, das Herr Wagner jahrelang mit seinem Hund und Fahrradanhänger als Aufenthaltsort genutzt hat“.

Den Mitarbeitern und Studenten sei er seit Jahren ein vertrauter Besucher. „Herr Wagner war immer freundlich und hilfsbereit und wurde von uns als sympathischer Gast empfunden.“

Allerdings hätten Mitarbeiter von Seezeit ihn wiederholt darauf hinweisen müssen, dass er den Platz hygienisch sauber verlassen müsse, was oftmals nicht geschehen sei. Er sei auch darauf hingewiesen worden, dass er dort keine Lebensmittel oder Tiernahrung für den Hund lagern dürfe, da dadurch Ratten angelockt würden und diese in der Nähe der Strandbar nicht erwünscht seien.

Noch zwei weitere Übernachtende

Dieses Jahr habe das Vordach zwei weiteren Personen als Unterschlupf gedient. Dies war für Seezeit Anlass, diese Nutzung zu beenden. „Wir sahen uns gezwungen, drei Personen vom Gelände zu verweisen.“ Matthias Wagner habe die Bitte, die Bereiche um die HTWG nicht mehr als Schlafplatz zu nutzen, sofort klaglos akzeptiert.

Sichere Plätze gibt es nicht viele

Der Wohnungslose bestätigt dies. Er habe sich gleich nach dieser Aufforderung einen neuen Übernachtungsort gesucht. Gute Plätze, wo man sicher die Nacht verbringen kann, gibt es aber auch in Konstanz nicht viele. Eine Möglichkeit sei das Palmenhaus auf der anderen Seite des Paradieses, dort werde seine Anwesenheit prinzipiell geduldet. Allerdings gebe es immer wieder Schwierigkeiten: Anwohner, die die Polizei riefen, Diskussionen mit der Polizei.

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Auch am Sea Life habe er schon übernachtet. „Am Palmenhaus und am Sea Life ist aber jeweils keine Überdachung. Ich möchte mein Fahrrad nicht allein irgendwo stehen lassen, das ist mir zu gefährlich“, sagt Wagner. Im Stadtgarten wiederum seien ihm zu viele Menschen, die nicht immer Gutes im Sinn hätten. „Dort gibt es oft Randale. Ein Kollege von mir ist erst kürzlich im Stadtgarten zusammengeschlagen worden.“ Es bleibt der Wunsch, dass er künftig doch wieder an der Mensa der Hochschule übernachten dürfe.

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Es gibt Menschen in Konstanz, die nicht verstehen können, dass Matthias Wagner seinen Schlafplatz verloren hat. „Seit 20 Jahren lebte er dort – und nun kam Corona, und er muss den Platz verlassen?“ fragt Julia Hölzle, die den Wohnungslosen seit Längerem kennt und ein sehr herzliches Verhältnis zu ihm pflegt. Selten habe sie ihn so traurig und betroffen erlebt wie an dem Tag, als er berichtete, dass er nicht mehr an der HTWG bleiben könne. Für ihn sei dieser Ort wie ein Zuhause, wie eine vertraute Wohnung. Sie betont die Wertschätzung, die ihm entgegengebracht werde und die auch in der Stellungnahme von Seezeit mitschwingt: „Matthias gehört zu Konstanz„, sagt sie außerdem, er werde von vielen Menschen vermisst, wenn er nicht da sei.

Wie geht es weiter?

Und was will Matthias Wagner nun tun? Vorerst nicht viel. Nach seinem Besuch in der Pfalz will er sich langsam wieder auf den Weg zurück in den Süden machen. Eilig habe er es dabei nicht, er ist mit seinem Hund und seinem Rad unterwegs und kann sich seine Zeit einteilen. Die Vorsicht begleitet ihn im Moment auf seiner Reise. „Zurzeit gibt es überall Stress mit Schlafplätzen. Ich fahre weiter und hoffe darauf, Unterstellplätze zu finden“, sagt er. Gegen Ende Oktober will er wieder in Konstanz eintreffen. Wo er dort schlafen soll, weiß er noch nicht.