Gewalt, Aggression, Alkohol: Mit dieser Mischung erarbeiteten sich vier junge Frauen aus Konstanz und Singen einen zweifelhaften Ruf. Immer wieder geraten sie in Streit und wollen ihre Probleme mit Beleidigungen, Faustschlägen und Fußtritten lösen. Bei der Verhandlung vor dem Konstanzer Amtsgericht soll mit Hilfe von rund zehn Zeugen geklärt werden, welche der Frauen in welcher Weise an welcher Tat beteiligt war. Angeklagt sind sie unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung.
Prügelei nach dem Fußballspiel
Als im Juli 2021 das Finale der Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wird, schauen sich auch eine heute 16-Jährige und ihre ältere Freundin das Spiel in einer Kreuzlinger Wohnung an. „Als wir draußen Jubel hörten, wollten wir auf die Straße“, erzählt die 16-jährige Zeugin. Doch die Freude über den ausgelassenen Abend hielt nicht lange an, denn sie entdeckte beim Public Viewing auch die Schwestern Svenja und Leonie S. aus Konstanz. „Die stellten sich mit ihrer Gruppe neben uns und ich hatte ein schlechtes Gefühl, weil ich weiß, was die alles machen können“, sagt die 16-Jährige.

Sie und ihre Freundin hätten sich weggestellt, die Schwestern und ihre Freundin Bleontina R. seien gefolgt. „Ich wollte die Polizei anrufen, aber sie haben mein Handy weggenommen, mich an den Haaren gezogen. Als ich auf dem Boden lag haben sie mich angespuckt, ich wurde geschlagen und getreten. Die Verletzungen waren nach einer Woche verheilt, aber seitdem habe ich Angst, dass sowas nochmal passiert.“ Sie kannte die Frauen von früher, habe sich aber distanziert: „Ich wollte nicht so werden wie die.“
Noch aggressiver gingen die jungen Frauen im November 2021 vor, dieses Mal zu viert. Sie fuhren mit dem Bus zum Bahnhof und stiegen dort aus. Als eine Gruppe Jungs vorbeikam und einer von ihnen Leonie S. anspuckte, wurde ihre Schwester Svenja S. wütend. Sie sah eine junge Frau in der Nähe der Jungen und vermutete, dass sie zu der Gruppe gehörte. Dabei wartete die heute 20-Jährige nur auf den Bus und telefonierte mit ihrem Freund.
Svenja S. habe sie aggressiv gefragt, wer die Jungs seien, erzählt die Geschädigte. „Obwohl ich versicherte, dass ich mit denen nichts zu tun habe, wurde mir mein Handy entrissen und zerstört, ich wurde an den Haaren zu Boden geschmissen und überall getreten. Ich kannte keine der jungen Frauen vorher.“
Sie musste im Krankenhaus behandelt werden, unter anderem rissen ihr die Frauen zwei Ohrringe aus den Ohren. Als zwei Männer dazwischen gingen wurden auch sie angegriffen. Eine heute 29-jährige Erzieherin war damals vor Ort und setzte den Notruf ab. „Ich habe mich nicht getraut, selbst einzugreifen, denn das Ganze war so massiv und aggressiv. Die Gruppe hatte die junge Frau richtig eingekesselt“, sagt sie.
Alkohol als Ausrede
Warum griffen sie eine unbeteiligte junge Frau an? Dafür haben die vier Angeklagten nur schlechte Erklärungsversuche. „Damals war ich öfter auf Streit aus“, sagt Bleontina R. aus Singen. Svenja S. versucht es damit: „Ich stand unter Alkohol. Ohne Alkohol bin ich nicht so komisch drauf.“ Und die jüngste Angeklagte, eine heute 15-Jährige, meint: „Die Situation hat mich einfach sauer gemacht.“
Das reicht Richter und Amtsgerichtsdirektor Franz Klaiber nicht. Er fragt: „Da steht eine junge Frau, die Sie nicht kennen, und Sie prügeln grundlos zu Dritt oder Viert einfach auf sie ein?“ Stille im Saal. Der Richter hakt nach: „Das heißt, sowas kann jederzeit wieder passieren?“ Stille.

Die vier Angeklagten entschuldigen sich allerdings beim Opfer. Einer der Anwälte im Saal merkt an: „Ich finde die Vita der vier jungen Frauen bedrückend. Sie wuchsen alle in problematischen Familien auf und suchten Halt in der Gruppe.“
Am Ende erhält Svenja S. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem muss sie Schmerzensgeld und den Wert des zerstörten Handys an die Geschädigte zahlen.
Leonie S. und die 15-Jährige werden nach Jugendstrafrecht verurteilt. Leonie S. bekommt sechs Monate auf Bewährung und muss 100 Stunden gemeinnützig arbeiten. Dafür erhalten die beiden Opfer Geld aus dem Täter-Opfer-Ausgleich. Die 15-Jährige wird verwarnt, muss ein soziales Kompetenztraining absolvieren und 80 Stunden arbeiten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Nur für Bleontina R. gibt es noch keine Strafe, denn für einen der Anklagepunkte fehlte vor Gericht die nötige Zeugin. Hierbei ging es um einen Abend in der Diskothek Top Ten in Singen. Dieser Fall muss in wenigen Wochen zu Ende verhandelt werden.