Die Staatsanwaltschaft ist da, die Verteidigung ist da. Eine Gruppe von Studierenden der Rechtswissenschaft sitzt ebenfalls in der öffentlichen Verhandlung. Mehrere Zeugen und ein Gutachter sollen aussagen, zwei Schöffen sitzen neben der Richterin. Alle sind bereit. Nur eine Person fehlt: die Angeklagte. Sie soll sich vor dem Amtsgericht wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Körperverletzung verantworten.

Das könnte Sie auch interessieren

„Mit dem Verteidiger muss ich gleich schimpfen, weil er die Angeklagte nicht mitgebracht hat“, sagt Richterin Heike Willenberg kurz nach Eröffnung der Verhandlung. Pflichtverteidiger Björn Bilidt könne dafür nichts, sagt er. Er habe bislang keinen Kontakt zu der Angeklagten herstellen können.

Ohne die Angeklagte kann allerdings nicht verhandelt werden, daher wird die Polizei informiert und beauftragt, die Angeklagte an ihrer Wohnadresse aufzusuchen und im Amtsgericht vorzuführen. Um eine halbe Stunde wird die Verhandlung dafür unterbrochen.

Polizei fährt zur Adresse der Frau – trifft sie aber nicht an

Die halbe Stunde braucht es allerdings nicht, um zu ermitteln, dass die Verhandlung an diesem Tag nicht stattfinden kann. Die Angeklagte befindet sich seit einigen Tagen im Urlaub in Österreich, die Reise sei angeblich mit ihrem Verteidiger abgesprochen. Der verneint das.

Als „bodenlose Unverschämtheit“ bezeichnet Willenberg den Vorgang. „Ich mache diesen Job jetzt 20 Jahre, aber sowas habe ich noch nicht erlebt.“ Der Gutachter sei extra aus Freiburg angereist, der Rest der Beteiligten habe ebenfalls die Zeit gefunden, um zu erscheinen. Die Angeklagte sei bereits im Dezember ordnungsgemäß zu dem Termin geladen worden.

Das könnte Sie auch interessieren

Nach dem Urlaub könnte die Angeklagten verhaftet werden

Die Staatsanwaltschaft beantragt in der Folge den Erlass eines Haftbefehls, genauer gesagt einer sogenannten Hauptverhandlungshaft. Wer ohne Begründung einer Verhandlung fernbleibt, für den kann nach Paragraf 230 der Strafprozessordnung eine Haft verhängt werden. „Der Erlass eines Haftbefehls ist verhältnismäßig, zumal das mildere Mittel der Vorführung fruchtlos verlief“, sagt die Richterin dazu.

Die Polizei wird die Angeklagte also nach der Rückkehr aus dem Urlaub wohl festsetzen – bis zum nächsten Verhandlungstermin, der voraussichtlich erst in einigen Wochen stattfinden kann, wird sie anschließend in Haft bleiben müssen.

Das könnte Sie auch interessieren

„Wer so dreist ist, der muss die Härte des Gesetzes spüren“

„Mit mir fährt man nicht Schlitten“, sagt Richterin Willenberg weiter. „Der Rechtsstaat muss deutlich zeigen, dass es so nicht geht.“ Aus diesem Grund schlägt sie den Vorschlag der Staatsanwaltschaft aus, die Haft erst einige Tage vor dem nächsten Verhandlungstermin anzusetzen. Das sei zwar ein kluger Gedanke, gerade weil die Angeklagte ein Kind hat, aber: „Wer so dreist ist, der muss die Härte des Gesetzes spüren.“

Für eine Frau sei die Haft besonders unangenehm, denn das einzige Frauengefängnis in Baden-Württemberg befindet sich in Schwäbisch-Gmünd – also in einiger Entfernung von Konstanz. Dort werde die Angeklagte einsitzen müssen. Eine Verhandlung bereits Anfang April ist nicht möglich. In dem Zeitraum ist eine der anderen beteiligten Personen im Urlaub.