Vor Konstanz liegt ein energetischer Schatz: Wärme aus dem Wasser des Bodensees. Der lokale Energieversorger, die Stadtwerke Konstanz, klärt derzeit ab, ob es sich für ihn lohnt, den Schatz auch zu heben. Eventuell im Verbund mit den Schweizer Nachbarn. Doch ausgerechnet die Stadtteile Allmannsdorf und Staad, die direkt am See liegen, sollen dabei erst einmal keine Rolle spielen.
Dies sorgte für Erstaunen in Allmannsdorf. Dort hatte die Bürgervereinigung Allmannsdorf Staad (BAS) zur Klimadebatte geladen. Bürger fragten, ob sie sich nicht einbringen und ähnlich wie bei den Anlagen für Sonnenstrom investieren könnten. BAS-Chef Sven Martin kündigte an, mit den Stadtwerken reden zu wollen.

Die Grundlagen für eine alternative Wärmeerzeugung in Konstanz seien schon in den Jahren 2017 und 2018 geschaffen worden, sagte Lorenz Heublein, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz der Stadt Konstanz, in der Debatte. Doch wegen des billigen Gases habe dies kaum jemanden interessiert.
Lieber Öl statt Abwärme aus dem Kanal
Am ehemaligen Vincentius-Areal in der Innenstadt hätten Nachbarn es sogar abgelehnt, in eine Versorgung mit Abwärme aus dem Kanal zu gehen. Manche Anwohner hätten sich lieber für eine neue Ölheizung entschieden, sagte Heublein. Inzwischen ist Energie teuer und damit die Lage eine ganz andere.
Konstanz habe sich zu einer Klimastrategie bekannt, nach der die Stadt spätestens bis 2035 frei sein will von fossilen Energien. Um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu schaffen, prüfen die Stadtwerke unter anderem, ob das Seewasser und die Abwärme der Müllverbrennungsanlage in Weinfelden für die Heizung genutzt werden können.

Doch Heublein gab zu bedenken: Bei einer Fernleitung für Seewärme seien die Investitionskosten hoch. Die Struktur von Allmannsdorf und Staad mit relativ kleinen Wohneinheiten sei da wenig lukrativ, dies zeige eine Untersuchung. Heublein geht davon aus, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren Wärme aus dem Bodensee in diesem Quartier keine Rolle spielt. Mehrfamilienhäuser ließen sich leichter versorgen.
Energieexperte Markus Tittelbach sagte, bei der Nutzung von Kälte und Wärme aus dem See handle es sich um eine alte Technik. In der Schweiz sei diese verbreitet. Rechenzentren und Atomkraftwerke nutzten Wasser zur Kühlung.
Gottlieben will den Seerhein „anzapfen“
Tittelbach brachte Beispiele an, wie bei den Nachbarn Seewärme eine Rolle spielen könnte. Gottlieben etwa möchte sich mit Wärme aus dem Seerhein autark machen. Doch noch sei nicht entschieden, ob sich das Projekt für das kleine Dorf auch trägt.

„Wenn sich das eine so kleine Kommune zutraut, dann wir doch auch als Konstanzer“, so Tittelbach. Auch ein anderer Nachbar möchte in die Seewärme einsteigen. In Meersburg sei zunächst nur die Therme für die Versorgung betrachtet worden. „Doch das hätte sich nicht getragen.“ Ganz anders sehe es nun aus, nachdem die gesamte Unterstadt in das Projekt aufgenommen wurde.

In Allmannsdorf sagte ein Zuhörer, Wärme aus der Verbrennung von Müll zu gewinnen, sei „idiotisch“. Es gehe vielmehr darum, Müll zu vermeiden beziehungsweise möglichst viel wieder zu verwerten. Als zukunftsweisend betrachten es einige Zuhörer, dem Seewasser Wärme zu entziehen. Allmannsdorf sollte aber in jedem Fall auch davon profitieren. Ein Besucher gab außerdem zu bedenken, dass die Frage, welcher Stadtteil Zugriff auf alternative Energien habe, auch sozialen Sprengstoff enthalte.
Alexander Gebauer, der Ehrenvorsitzende der Bürgervereinigung, plädierte dafür, nicht allein auf technische Lösungen des Klimaproblems zu hoffen. Vielmehr sollte sich die Gesellschaft auch mit ihrem energiefressenden Lebensstil auseinandersetzen und diesen ändern. Er sieht Ansatzpunkte etwa bei Architektur und Mobilität.