Schwer bewaffnete SEK-Beamte stürmen nachts auf ein verlassenes Waldgrundstück, ein Polizeihubschrauber kreist in der Dunkelheit über dem Geschehen und ein Polizeipanzer vom Typ Survivor pflügt sich den Weg durch das Geäst. Der Schauplatz im August 2022 befindet sich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Hamburg. Gleichzeitig erfolgen Razzien bei anderen Objekten in Niedersachsen und in der Hansestadt.

Wie verschiedene Medien später berichten, sollen Elitekräfte der Landeskriminalämter Niedersachsen und Hamburg bei dem Einsatz mehrere verbotene Waffen, unter anderem eine Schnellfeuerwaffe „MP“ des Typs Scorpion, sowie einen Schalldämpfer und Munition sichergestellt haben.

(Symbolbild) Ein solcher Polizeipanzer ist bei der Razzia eingesetzt worden.
(Symbolbild) Ein solcher Polizeipanzer ist bei der Razzia eingesetzt worden. | Bild: Annegret Hilse/dpa

Durch den Schlag sollen die Beamten sogar mutmaßlich einen Sprengstoffanschlag verhindern haben, berichtete damals die „Bild“-Zeitung. Ein zu diesem Zeitpunkt 34-jähriger Verdächtiger ist im Zug der Ermittlungen festgenommen worden und befindet sich seitdem in U-Haft.

Vom Norden Deutschlands in den Süden

Schnitt, Schauplatzwechsel an den beschaulichen Bodensee: Zwei Männer, ein 48-Jähriger aus Hamburg und ein 51-Jähriger, stehen vor dem Amtsgericht Konstanz und müssen sich wegen Vergehen nach dem Waffengesetz verantworten. Beide sind mehrfach vorbestraft, einer der beiden befindet sich seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft.

Die Anklage lautet wie folgt: Der 48-Jährige soll sich in einer Konstanzer Diskothek mit einem anderen Mann getroffen haben, der später noch als Kontaktmann eine entscheidende Rolle spielen wird. Beide wollten über gemeinsame Geschäfte, insbesondere den An- und Verkauf von teuren Autos zu sprechen. Hierfür trafen sich die beiden Männer mit dem 51-jährigen Angeklagten, um auch mit ihm „übers Geschäft“ zu sprechen. Dabei soll der 51-Jährige erwähnt haben, dass er scharfe Waffen benötige.

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Vor Gericht steht der Verdacht im Raum, dass mit den Waffen ein Mordauftrag ausgeführt werden sollte. In der Folge soll der 51-Jährige mehrere Waffen inklusive Munition bei dem 48-jährigen Angeklagten geordert haben. Dieser wollte dafür 10.000 Euro – das Geld sollte bei Anlieferung bezahlt werden.

Der Kontaktmann und der 48-Jährige sollen einen Tag später mit einem angemieteten Mercedes nach Hamburg gefahren sein, um sich dort mit einem Waffenhändler zu treffen. Nach mehreren Gesprächen hätten sich der 48-Jährige, der Kontaktmann und der Händler zu einem Waffenlager auf einem Waldgrundstück in der Nähe von Hamburg begeben.

Dieses Symbolbild zeigt eine Pistole (oben) sowie einen Revolver (unten im Bild), der sich durch die hinter dem Lauf drehbar ...
Dieses Symbolbild zeigt eine Pistole (oben) sowie einen Revolver (unten im Bild), der sich durch die hinter dem Lauf drehbar angebrachten Trommel erkennen lässt, die mit Patronen geladen wird. | Bild: Patrick Pleul/dpa

Dort übergab der Händler dem 48-Jährigen im Tausch gegen 10.000 Euro mehrere Waffen, darunter sollen sich eine Glock 17, ein Gewehr mit Zielfernrohr, einen Trommelrevolver von Smith & Wesson und eine Walter P22 befunden haben. Zudem hätten eine Box Patronen und zwei Packungen Munition mit jeweils 50 Schuss am Übergabeort den Besitzer gewechselt und seien in den Kofferraum der angemieteten Mercedes-Limousine gewandert.

Dann bekommt der Kontaktmann kalte Füße

Wenig später sollen sich der Mittelsmann und der 48-Jährige wieder auf den Weg zum Bodensee gemacht haben. Doch zu der geplanten Waffenübergabe mit dem 51-jährigen Angeklagten kam es nicht mehr. Der Mittelsmann, der den Kontakt zwischen den beiden Angeklagten in der Konstanzer Diskothek hergestellt hatte und mit nach Hamburg gereist war, soll im letzten Moment kalte Füße bekommen haben.

Der Mann, dessen Rolle vor dem Konstanzer Amtsgericht nicht klar wurde, ob er sogar als Kronzeuge auftritt, hatte sich wohl entschlossen, die mit den Waffen geplante Tat zu verhindern. Am 17. August 2023 soll er sich bei Hegne der Polizei offenbart haben, einige Beamten konnten später die Waffen im Kofferraum seines Wagens sicherstellen.

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Der 48-Jährige aus Hamburg wurde in der Folge von der Staatsanwaltschaft angeklagt, „vorsätzlich und ohne Erlaubnis eine halbautomatische Schusswaffe erworben, besessen und geführt zu haben“, ebenso wie andere Schusswaffen erworben und geführt sowie passende Munition besessen zu haben. Der 51-jährige soll sich derweil der Anstiftung all dessen schuldig gemacht haben.

Verhandlung in Konstanz ist schnell zu Ende

So spektakulär die Anklageschrift, so kurz die Verhandlung. Beide Angeklagten möchten sich weder zur Person, noch zur Sache äußern. Der Strafverteidiger des 51-Jährigen will ferner ein Rechtsgespräch führen, die Verteidiger des 48-Jährigen schließen sich dem Vorschlag an. Im Nachgang ziehen sich die Schöffen, die Richterin, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Verteidiger ins Hinterzimmer zurück.

Nach längerer Verständigungspause ist klar: Die Angeklagten sind zu einem umfassenden Geständnis bereit. Eine Ausnahme bildet die vermeintliche Zweckbestimmung der Waffen, also der mutmaßliche Mordauftrag. Von dem wollen beide nichts mehr wissen. Er wird nicht eingestanden, stützt sich jedoch wohl ohnehin lediglich auf die Aussagen des Mittelsmannes gegenüber der Polizei. Die Verteidiger geben jeweils für ihre Mandanten eine entsprechende Erklärung ab.

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Der 48-Jährige wird deshalb wegen des unerlaubten Erwerbs, Besitzes und Führens einer Schusswaffe sowie Munition zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Er muss außerdem 10.000 Euro an den Weißen Ring, einen gemeinnützigen Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfer, zahlen. Der Haftbefehl wird aufgehoben, der Mann kommt wieder auf freien Fuß.

Sein 51-jähriger Mitangeklagter wird wegen Anstiftung zum vorsätzlichen Erwerb, Besitz und Führens einer Schusswaffe zu einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Außerdem muss er 10.000 Euro an die Staatskasse bezahlen, beide Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

In Hamburg steht der Prozess noch bevor

Doch wie hängt nun die Razzia von Spezialkräften in Hamburg und der Konstanzer Fall vor dem Amtsgericht miteinander zusammen? Wie der SÜDKURIER aus gut unterrichteten Quellen erfuhr, soll ebenjener als Kronzeuge gehandelter Mann im Konstanzer Fall, ebenfalls Kronzeuge in einer großen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg gegen einen mutmaßlichen Waffenhändler sein. Ferner noch soll erst dessen Aussage zu der Razzia in Norddeutschland geführt und den mutmaßlichen Waffenhändler hinter schwedische Gardinen gebracht haben.

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Wie Kai Wantzen von der Pressestelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts dem SÜDKURIER bestätigt wird dem mutmaßlichen Waffenhändler „vorgeworfen, gewerbsmäßig mit Schusswaffen gehandelt und weitere Waffen unter Verstoß gegen das Waffengesetz besessen zu haben“. Es heißt außerdem: „Er soll am 16. August 2022 an zwei aus Konstanz angereiste Abnehmer eine halbautomatische Pistole mit Munition und weitere Schusswaffen nebst Munition für insgesamt 10.000 Euro übergeben haben.“

Wie der SÜDKURIER darüber hinaus erfuhr, sollen sich deshalb auf der möglichen Zeugenliste auch mehrere alte Bekannte befinden: Die beiden Angeklagten in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Konstanz, ebenso wie der als Kronzeuge gehandelte Mittelsmann, bei dem es allerdings im Konstanzer Prozess nicht zu einer Aussage gekommen war.

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Ferner wird gemunkelt, dass man es in Hamburg mit einem mutmaßlich dicken Fisch im Waffenhandel zu tun haben könnte, was auch die groß angelegte Razzia, samt SEK und Polizeipanzer, erklären dürfte. So muss sich der Angeklagte vor dem Hamburger Gericht angeblich in einem groß angelegten Staatsschutzverfahren unter anderem auch wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verantworten.

Kai Wantzen teilt abschließend mit: „Weil sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, ist die Sache hier besonders eilbedürftig und es ist in Kürze mit einer Entscheidung der zuständigen Strafkammer des Landgerichts über eine Zulassung der Anklage zu rechnen.“